112.

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"Jace! Warte!", rufe ich aus vollen Lungen.
Ich kann immer noch nichts sehen, außer Hecken, einer Sitzbank und dem Pfeiler einer Straßenlampe.
Ich beginne zu rennen. Meine Absätze verkannten sich auf dem unebenen Untergrund.

Ich ziehe sie kurzerhand aus und laufe barfuß und ohne richtiges Ziel weiter.
"Jace!"
Das Auto hinter mir befindet in Sichtweite. Es ist mir egal, was Sam jetzt von mir denken muss.
Ich habe für mich erkannt, dass ich einen riesen Fehler gemacht habe - nein, nicht nur einen. Und ich will damit aufhören. Jetzt, gleich hier.

Ich habe gerade mal zehn Schritte hinter mich gebracht, da taucht er im hellen Licht vor mir auf.
Ich komme mit einigem Abstand vor ihm zum Stehen.
"Jace", sage ich außer Atem. "Ich -"
Ich bringe kein weiteres Wort heraus.

Ich kann ihn nur anschauen.
Unter seinen Augen glänzt es. Er hat geweint.
Erst jetzt fällt mir der glasige Schimmer in seinen Augen auf.
Es tut mir so leid, alles.

"Ich kann das erklären", bringe ich atemlos hervor.
Seine Schultern beben. Genau wie meine.
Ich kann nicht glauben, dass er wirklich vor mir steht. Was, wenn ich jetzt völlig verrückt geworden bin?
Ich muss seine Stimme hören, um sicher zu sein, dass er dort wirklich vor mir steht.

"Bitte, sag etwas."
Ich presse meine Schuhe gegen meinen Oberschenkel.
Wenn mich seine grünen Augen früher so aufgespießt haben, ist immer wohlig warm geworden. Doch jetzt, hier auf dieser Straße breitet sich die Kälte des Bodens über meine Füße in meinem gesamten Körper aus.

"Was soll ich sagen?", fragt er unbeteiligt.
Es ist seine Stimme. Ich mache einen Schritt auf ihn zu.
Nie im Leben hätte ich mir träumen lassen, barfuß und in einem Abendkleid vor Jace Brighton zu stehen und ihn zu bitten, mit mir zu reden. Das schien bis jetzt immer die eine Sache gewesen zu sein, die wir bedingungslos konnten, auch ohne Worte.

Doch jetzt schweigt mich selbst sein Körper an. Er hat sich vor mir verschlossen.
"Ich weiß nicht, irgendwas. Von mir aus schrei mich an. Nur ... steh nicht so da."
Hinter mir wird eine Autotür zugeschlagen.
Jace seufzt, seine Schulter heben sich mechanisch an.

"Wieso? Wenigstens einer von uns scheint heute einen schönen Abend gehabt zu haben", sagt er gefasst und deutet hinter mich. "Du brauchst mir nichts zu erklären."
"Doch", widerspreche ich. "Was ich getan habe, war nicht fair dir gegenüber. Aber du musst verstehen, dass es das Richtige war - jedenfalls wurde ich davon überzeugt."
Er schlägt die Augen nieder, meidet meinen Blick - alles an mir.

"Mein Vater weiß von dir. Von uns", platze ich heraus und trete auf der Stelle.
Keine Regung. Nur der Wind, der durch die Straße zieht und an meinen Haaren reißt. Kleine Kiesel bohren sich in meine Fußsohlen, doch ich bewege mich nicht, ertrage den leichten Schmerz, der mich im Hier und Jetzt hält.
"Es tut mir lei- "
Jace hebt die Hand, Tränen brennen in meinen Augenwinkeln. Vor niemandem zeige ich meine Schwäche so sehr, wie vor ihm.

"Ich will es nicht hören. Dieser Schritt von dir war richtig und ich bin derjenige, der ihn schon viel früher hätte tun soll. Zwei verschiedene Welten können nicht harmonieren, egal wie sehr du sie dazu zwingen willst."
Ich lege meine Stirn in ungläubige Falten.

"Weißt du, ich habe deine Sprüche vermisst, aber nicht solche. Fahr bitte nicht wieder diese Schiene; Wir können nicht zusammen sein", zitiere ich seine verletzenden Worte.
"Du hast mir diese Nachricht geschickt, nachdem du mich aus deinem Haus eskortiert hast!"
Er räuspert sich, lässt seinen harten Ton abklingen und hebt seine Augen endlich wieder zu meinen.

"Das da ist gut, besser für dich", fährt er sanft fort und nickt in Sams Richtung.
Hör auf zu lügen, schreie ich ihn innerlich an. Ich will aufhören, mich selbst zu belügen, da fängt er damit an?! Ausgerechnet er?
"Ich bereue nichts", hauche ich in die Dunkelheit, in der Hoffnung, dass meine Worte Jace erreichen - wirklich erreichen.

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔حيث تعيش القصص. اكتشف الآن