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Ich kann vielleicht nicht alle Menschen in meinem Leben beeinflussen oder ändern, aber Jace ... Ich muss es wenigstens versuchen.

Was da zwischen uns entflammt ist, verleiht mir vielleicht die Kraft, wenigstens ihm zu helfen.
"Es gibt immer Gerechtigkeit, du darfst nur nicht aufhören danach zu suchen", bringe ich hervor.
Jace lacht auf.
"Soll ich dann den ganzen Tag danach suchen, anstatt zu leben? Nein danke."

Meine Lippen teilen sich, aber nicht um etwas zu sagen.
Ich bin fassungslos.
Ich dachte, Jace sein ein offener, positiver Mensch. Nie hätte ich vermutet, dass sich solche Einstellungen in ihm verbergen.

"Gerechtigkeit hört da auf, wo Gesellschaft anfängt", schiebt er dann noch hinterher.
Dieser Satz hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.
Meine Augen fahren an seinen Gesichtszügen auf und ab.

Sein Mundwinkel zuckt, aber nicht aus Freude, sein Grübchen bleibt versteckt.
Unruhige grüne Augen bemühen sich krampfhaft überall hinzuschauen - an die Wand, die Bilder, die dran hängen, zum Kellner und den anderen Gästen - nur nicht zu mir.
Und wenn sich das Grün doch in meine Augen verirrt, braucht er nur wenige Sekunden, um sich wieder zu befreien.

Und ich mag es nicht, dass er mir auf diese Weise ausweicht.
Sonst bin ich es, die ausweicht, die es nicht erträgt, sich in seinen Augen zu verlieren.
Aber nicht er.
"Musst du eigentlich immer das letzte Wort haben?"

Er lacht rau auf, unterdrückt ein Husten.
"Warum habe ich das Gefühl, dass du mich und die Welt auf Abstand halten willst, weil du unfähig bist Hilfe anzunehmen? Ich weiß nicht, was in deinem Leben passiert ist, wodurch du auf der Straße gelandet bist oder warum du nicht zurück in dein altes Leben willst, aber ich weiß, dass ich gerade hier bin und ... dir helfen will."

Ich ziehe meine rechte Hand unter dem Tisch hervor und lege sie vor Jace, die Handfläche nach oben.
Meine Augen versuchen ihm klarzumachen, dass ich es ernst meine.
Doch er nimmt mein Angebot, meine Hand nicht an.

"Ich mag vielleicht reiche Eltern haben, aber das heißt noch lange nicht, dass ich nicht weiß, was es heißt, zu kämpfen und zu verlieren."
Der Tisch beginnt zu wackeln, als ich meine Füße unter dem Stuhl hervorziehe.
"Du weißt vieles nicht über mich."

Meine Stimme verliert sich im kleinen Raum, irgendwo zwischen den Pflanzen, Wollpullovern und dem köstlichen Kaffee.
Verlegen drehe ich meine Hand um, ziehe sie aber nicht zurück. Ein Löffel klirrt bei dieser Bewegung gegen meinen Glas.

Ich betrachte Jaces Mimik und wie seine Augen nach einem Fixpunkt suchen.
"Ich bin nicht dein Experiment, okay Ophelia?"
Jetzt ziehe ich sie doch weg.
"Wenn ich dir je das Gefühl gegeben habe -"

"Können wir über etwas anderes reden?", unterbricht er mich.
Ich beiße auf meine Lippe.

"Das hier war doch keine gute Idee, tut mir leid."
Seine grünen Augen streifen mich nur ein kurzes Mal, bevor es sich erhebt und zur Tür läuft.
Beim Gehen wirft er sich die schwarze Regenjacke über und weicht geschickt dem kleinen Kind auf dem Boden aus.

Der Raum scheint sich plötzlich zu drehen, als ich der Tür dabei zu sehe, wie sie hinter Jaces schmalem Kreuz zufällt.
Ich habe keinen Durst mehr, egal, wie gut dieser Kaffee ist.
Hastig krame ich einen Geldschein aus meiner Tasche und stehe ebenfalls auf.

Es ist mir egal, dass die umliegenden Augenpaare auf mich gerichtet sind, dass die Gespräche deutlich leiser geworden sind und dass ich beim Rauslaufen beinahe einen Stuhl mit meiner Jacke umreiße.

"Weißt du wie ungerecht du bist, Jace?", rufe ich, nachdem mein Fuß auf der Straße aufgekommen ist.
Die sonnenerwärmte Luft kann die Kälte in meinem Inneren nicht vertreiben.
Jace ist noch nicht weit gekommen.
Er erstarrt.

Seine Hände befinden sich wie immer in seinen Jackentaschen. Die schwarze Mütze versteckt wieder seine Locken.
Langsam dreht er sich um. Seine abgetreten Schuhe kratzen dabei über den Asphalt.
Seine Schultern fallen herab, als er mich vor dem Café stehen sieht.

"Du bist derjenige, der ungerecht ist, nicht die Gesellschaft", rufe ich ihm zu.
"Ich bin die scheiß Gesellschaft, ich will dir helfen. Ich mache mich hier gerade völlig zum Affen, weil ich dir schreiend hinterherlaufen, aber ich mache es, weil du mir etwas bedeutest und weil ich dich nicht mehr aus meinem Kopf bekomme, seit du mir meine verdammte Handtasche aus den Händen gerissen hast!"

Außer Atem aber mit befreitem Gefühl strecke ich die Brust heraus.
"Also schreien, würde ich das jetzt noch nicht nennen", grinst Jace, während er auf mich zukommt.
Ich gebe ein empörtes Geräusch von mir und lache auf.
"Ich meine es ernst, Jace."

Jaces Kopf schiebt sich vor die Sonne, legt mein Gesicht in kühlen Schatten und macht es mir unmöglich die kleinen Regungen in seinem Gesicht zu studieren.
Bei seinem Namen hält er kurz inne.
"Bitte tu das nicht."

"Was?", frage ich, wohlwissend, dass unsere Schuhspitzen nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt sind.
"Das."
Eine Hand taucht aus seiner Tasche auf und fährt über meine Stirn, streicht die kleine Falte hinfort.

"Dich um mich sorgen", sagt er leise. "Das führt zu nichts."
Er schaut auf mich herab und seine Mundwinkel heben sich. Beinahe verträumt blickt er mich an.
Sein Finger wandert an meiner Schläfer entlang, küsst meinen Wangenknochen und verschwindet.
Ich schlucke, wage es mich nicht, zu blinzeln. Ich will ihn nicht verschrecken.

"Zu spät", hauche ich. "War wohl doch nicht die beste Entscheidung, meine Handtasche zu klauen."
"Hey, ich habe nicht gesagt, dass es die Beste war. Es war nur nicht meine Schlechteste", lacht er.
Und dann lehnt er sich vor und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
Die Zeit scheint stehen zu bleiben, jedenfalls fühlt es sich so an, als mein Herz für einen Schlag aussetzt.

Seine Lippen sich warm, kühl. Weich und rau. Alles auf einmal. Und sie sind viel zu schnell wieder verschwunden.
Jace macht einen Schritt nach hinten. Dann noch einen.
"Wir sehen uns, Ophelia."

Sein Mundwinkel zieht sich neckisch nach oben.
Sein Grübchen erscheint.
Ich kann nichts sagen, ihm nur hinterherschauen, mit meiner Tasche in der einen, meiner Jacke in der anderen Hand.

Als er mir endgültig den Rücken zugedreht hat, lege ich meine Finger an die Lippen, um mein breites Grinsen zu verbergen.
Jace entfernt sich mit schnellen Schritten von mir.
Er scheint beinahe vor mir davonzulaufen.

Und mit einem Mal erkenne ich, dass er nicht vor mir davon läuft, sondern vor sich.

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Song: Meant to Stay Hid - SYML

GIRL IN RED JUST WATCHED MY INSTA-STORY!!!! I REPEAT: GIRL IN RED JUST FUCKING WATCHED MY INSTA-STORY!!!!!

all my Love,
Lisa xoxo

P.S. Ihr könnte sagen, was ihr wollte, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sich wirklich so anfühlen kann, als ob das eigene Herz stehen bleibt! I swear! (Bevor mir das selbst passiert ist, habe ich es auch nie geglaubt, es klinkt so lächerlich, aber es ist "möglich") <3

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now