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Gemeinsam und etwas entspannter schlendern wir über den blankpolierten Boden und vorbei an einer Pfadfindergruppe.
"Darf dich dein bester Freund denn auf ein Eis einladen?", fragt Sam, als wir an dem Eiscafé vorbeikommen, aus dem ihn vorhin das Mädchen beobachtet hat.

Augenblicklich muss ich AJ denken. Bester Freund. AJ habe ich wohl verloren.
Sams große Augen sehen mich abwartend an. Kaum merklich schüttele ich den Kopf und konzentriere mich auf das Hier und Jetzt.
"Von mir aus", sage ich gespielt gleichgültig und zucke mit den Schultern.
Wir grinsen uns an, doch sobald er sich dem Café zuwendet, verrutscht mein Lächeln. Ich würde jetzt lieber zurück zu Jace fahren.

Im Nachhinein glaube ich, dass dieses Beste Freunde keine gute Idee war.
Warum muss ich immer versuchen, allen alles recht zu machen?
Beinahe werde ich sauer auf Jace, weil ich seinetwegen meine auswendig gelernt Rede über den Haufen geworfen habe.

Schnaubend komme ich hinter Sam zum Stehen.
"Können wir vorher noch einen Zwischenstopp einlegen?"
Ich gebe mich geschlagen und lasse mich von ihm in einen Buchladen führen. Dieser ist bei weitem nicht so gemütlich wie der, den ich immer in der Innenstadt aufsuche, aber dafür befinden sich hier die aktuellen Neuerscheinungen, die meine Buchhandlung immer erst zwei Wochen nach Veröffentlichung bekommt.

Ich betrachte die mythologischen Werke, die sich neben dutzenden Thrillern mit dunkeln, blutbespritzen Einbänden türmen.
Vielleicht würde sich Jace über ein neues Buch freuen?
Ich überfliege einige Klappentexte, während Sam immer tiefer in das Innere des Ladens verschwindet.

Das gibt mir die Gelegenheit einmal durchzuatmen. Der Geruch von Büchern beruhigt mich manchmal fast so sehr wie das Fotografieren.
Ich zücke mein Handy und machen ein Foto von dem Auslagetisch und schicke es an Jace und Jess.

Jess hasst Bücher und ich will ihr den Urlaub ohne mich noch ein bisschen versüßen.
"Ich habe alles, wollen wir ...?
"Ich gehe das hier noch schnell bezahlen."
Mit einem verspannten Lächeln hebe ich Jaces neue Lektüre in die Höhe.

Sams skeptischer Blick gibt mir überdeutlich zu verstehen, dass er sich fragt, was ich mit einem Buch über einen Großstadtkiller will.
Er weiß, dass - wenn ich lese -, nur entspannte Romanik mit Happy-End-Garantie in meinen Händen landet.
Schon irgendwie ironisch, wenn man bedenkt, dass die Happy-End-Garantie wirklich nur in Büchern gewährleistet sein kann.

"Es ist für ihn, oder?"
Ich drehe mich zu Sam und nicke.
"Er heißt Jace."
"Dann eben", murmelt der Blonde und spielt mit den Griffen einer Einkaufstasche herum.

"Was hast du gekauft?", frage ich und versuche ihn von der Jace-Sache wegzuziehen. Er ist manchmal wie ein kleiner Terrier, wenn er sich einmal in etwas festgebissen hat, bekommt man ihn nur schwer wieder los?
"Mein Vater hat einen Bildband über Architektur bestellt", sagt er und schiebt dabei den Kopf vor.

Ich verziehe das Gesicht und wende mich wieder dem Verkäufer zu.
Es war so klar, dass Sam nur Besorgungen für seine Eltern macht. Wahrscheinlich deswegen auch die Mall; zwei Fliegen mit einer Klappe.
"Architektur also", murmle ich und bekomme keine Antwort mehr.
Sam starrt auf einen Ständer mit Postkarten von Fitchburg, die Stirn in tiefe Falten gelegt.

"Er hat einen ziemlich ... merkwürdigen Eindruck auf mich gemacht", merkt er nachdenklich an, als ich das Buch bezahle und anschließen meine Kreditkarte wieder in der hintere Hosentasche verschwinden lasse.
Mit einem dankenden Lächeln nehme ich mein Geschenk für Jace entgegen und beiße auf meine Zunge, um einen Schrei zurückzuhalten.

"Es war ja auch mitten in der Nacht."
"Trotzdem ..."
Ich gehe schon Richtung Ausgang, da legt er den Kopf in den Nacken und scheint sich die Bilder der Nacht vor Augen zu rufen.
"Er wirkte so ... deplatziert ..."

Ich verdrehe die Augen und mache eine unmissverständliche Geste Richtung Tür.
"Mach die Stimmung zwischen uns jetzt bitte nicht wieder kaputt. Jace ist der liebevollste, mutigste und weiseste Mensch, den ich kenne und -"
"Weise?", lacht er. "Wie alt ist er denn?"

Erneut verdrehe ich die Augen.
"Das tut doch nichts zur Sache. Hör bitte einfach auf, über einen Menschen zu urteilen, dem du einmal und das bei schlechter Beleuchtung begegnet bist."
"Wie alt ist er, Ophelia?"
"Fünfundzwanzig."

Er hebt die Augenbrauen und verzieht den Mund.
Jetzt bereue ich nicht nur das mit Beste Freunde.
"Und was ist mit dem Ärger, den ihr hattet?"
Ich halte inne, das Buch knallt gegen mein Knie.
"Versuchst du gerade, ihn schlecht zu reden?"

"Nein."
Abwehrend hebt Sam die Hände und lässt das Thema glücklicherweise fallen.
Den Weg zur Eisdiele legen wir schweigend zurück und das ist auch besser so.
Ich versuche mich auf die anderen Menschen um uns herum zu konzentrieren, was sie anhaben, was sie gekauft haben oder womöglich kaufen könnten. Ich tue alles, um mich nicht über Sam und seine Bemerkungen zu ärgern.
 
Ich bemerke kaum, wie wir das quietschbunte Café betreten.
Ein Ventilator wirbelt die Luft auf. Ich stelle mich hinter Sam, um nicht ganz so viel von der unangenehmen Zugluft abzubekommen. Die bunte Auswahl in der Theke sieht verlockend aus, die Angestellten sympathisch, doch alldem kann ich mich nicht hingeben.

Der Gedanke, dass ich gerade in meine alten Muster verfalle, nagt an mir. Ich blick Sam über die Schulter. Wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben. Und ich mache einfach willenlos mit.
Wir bestellen. Sam nimmt Ananas und Kokosnuss. Ich Pistazie und Himbeere.
Während er bezahlt, blicke ich mich nach dem Mädchen um, doch sie ist nicht mehr da.

Aus den geplanten zehn Minuten werden zwei Stunden, bis wir wieder unter freiem Himmel stehen und uns verlegen voneinander verabschieden.
"Na gut ... Wir ... wir sehen uns", stammelt Sam und umfasst das neue Buch seines Vaters mit beiden Händen.

"Ganz genau, wir sehen uns."
Ich streiche meine Haare nach hinten und spüre, wie sich Erleichterung in mir ausbreitet.
"Spätestens bei der nächsten Gala", scherzt er, aber wir wissen beide, dass das gar nicht so abwegig wäre. Wir werden in unseren alten Rhythmus aus gelegentlichen Anrufen und zufälligen Begegnungen verfallen. Jetzt, wo er sich hoffentlich keine Flöhe mehr von seinem Vater in die Ohren setzten lässt.

Was Sam nur nicht weiß, ist, dass ich nie wieder auf einer solchen Veranstaltung anzutreffen sein werde.
Diese traurigen Zeiten gehören der Vergangenheit an und wenn Mr. Kites erstmal bemerkt, was für eine undankbare, verzogene Göre die Rosethorn Tochter doch ist, schaut er sich sicherlich ganz schnell nach einer neuen, besseren Partie für seinen Sohn um.

Jemand, der gerne mit einem Glas Champagner in der Ecke steht, mit kostbaren Steinen und Edelmetallen behangen, den Freunden fremder Leute zunickend, legere Gespräche führend.
Ja. So jemanden braucht Sam. Sam, mit dem ich aufgewachsen bin. Sam, der nicht mehr mein bester Freund ist, weil wir uns auseinander gelebt und andere Interessen und Vorstellungen vom Leben entwickelt haben.

Das habe ich jetzt verstanden.
Wir umarmen uns und ich halte ihn einen Moment länger fest als nötig.
Ich halte Sam fest, den alten Sam aus meiner Kindheit.
Für einen Moment stehen da die kleine Ophelia und der kleine Sam vor der Mall und umarmen sich, bevor sie für immer ihrer Wege gehen werden.

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Song: Love Yourself - Sufjan Stevens

Hi my Loves,

hat hier irgendjemand Lust mit mir im November auf ein Sam Fender Konzert zu gehen? ha.ha.ha. Seufz. Da findet schon was in Deutschland statt und ich kann nicht gehen ... 

Ich bin total fertig, der Gärtner war heute da. Von 15.00 - 18.00 Hecke vom Rasen geharkt xD

Morgen wird keine Update kommen, denn ich werde mich jetzt hinlegen, mein Rücken killt mich.

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now