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"Du hast mich belogen. Du hast mich auf eine unvorstellbare Art und Weise belogen."

Ich stütze mich vor ihm auf das kühle Holz.
Wieder Erwarten weicht er nicht zurück, aber seine Augen zucken.
"Hast du wirklich geglaubt, dass ich nicht dahinterkomme? Was hast du dir dabei gedacht? Was ist aus: Wir sind ein Team, ich brauche dich, Spätzchen, geworden?"

Er rollt mit seinem Stuhl zurück. In seinem Blick keine deutbare Emotion. Die Unsicherheit ist hinter seinem stählernen Vorhang verschwunden.
Aber ich weiß, dass sie da ist. Von jetzt an hat er nichts mehr gegen mich in der Hand.
Er mag von Jace wissen, aber das ändert nichts mehr an der Tatsache, dass ich unabhängig bin. Ich kann weiterhin für Jace da sein, ohne auf ihn verzichten zu müssen.

Mein Vater holt tief Luft und erhebt sich.
"Was daraus geworden ist?", fragt er.
Er wendet den Blick zum Fenster, gegen dessen Sims er sich gleich darauf lehnt.
"Wir sind in letzter Zeit kein richtiges Team mehr gewesen. Du hast andere Prioritäten gesetzt. Prioritäten, die dich nicht weit bringen werden."

"Wir waren nie ein Team. Du hast mich die ganze Zeit über nur benutzt! Dir war deine Arbeit doch schon immer wichtiger als alles andere. Mom ist daran zugrunde gegangen, Benno ist an deiner Abwesenheit zerbrochen und -"
"Genug!"

Sein Ausruf muss bis ins untere Stockwerk zuhören sein.
Zu meiner Enttäuschung zucke ich zusammen und senke den Blick. Aber ich hebe ihn wieder. Und zwar sofort.
"Nein. Es ist die Wahrheit und du kannst nicht jedem den Mund verbieten, einem Geschäftspartner oder Angestellten vielleicht, aber nicht deiner Tochter, nicht deiner Familie!"

Ich kreuze wieder die Arme vor meinem Körper. Irgendwie fühle ich mich damit geschützter vor seinen verbalen Angriffen.
Dads Augen gleiten vom Fenster zu mir. Er schiebt die Hände in die Taschen, wippt vor und zurück.
"Und jetzt? Was willst du jetzt mit diesem Wissen anstellen? Diesem Landstreicher weiter Geld geben? Falls du das ernsthaft in Erwägung ziehst, kann ich dich nur warnen. Du wirst keinen Penny mehr von mir und deiner Mutter sehen."

Er macht einen provozierenden, Wut geladenen Schritt auf mich zu.
Ich kann sehen, wie er die Hände in den Taschen seiner Seidenhose ballt.
"Und dann wirst du für dein Geld arbeiten müssen und ich bin mir nicht sicher, ob du dazu wirklich in der Lage bist. Um in der Welt da draußen überleben zu können, muss man nämlich die eigenen Interessen oftmals hinten anstellen und die letzte Zeit hat mehr als deutlich gezeigt, dass du dazu nicht fähig bist."

Mein Mund fällt auf.
Ist das, das wahre Gesicht meines Vaters?
Ist das hier Paul Edward Rosethorn in seiner natürlichsten Form?
Wenn dem so ist, bin ich heilfroh endlich hinter die Fassade blicken zu können.

"Du bist ja viel schlimmer, als ich dachte", murmle ich.
"Hat dir das auch deine Tante ins Ohr geflüstert?"
Der Spott in seinem Ton lässt die Rage auf ein neues entflammen.
"Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht erst herausgefunden, was für ein herzloser, arroganter, selbstgefälliger Mensch mein Vater ist, wenn es zu spät gewesen wäre! Hör auf so herablassend über sie zu reden, sie ist die einzige, die sich noch um diese Familie bemüht!"

Ein kühles Lachen ist alles, was ich geboten kriege.
Mit steifen Schritten geht Dad auf ein Regal an der Wand zu und zieht einen grauen Ordner heraus.
Ohne ein Wort zu sprechen, knallt er diesen vor mich auf den Tisch und schlägt ihn auf.
"Ich habe eine Vollmacht über dein Konto, da hast du es schwarz auf weiß, von dir unterschrieben."

Ich überfliege die Seite.
"Dann entziehe ich dir diese Vollmacht."
"Das kannst du gerne machen. Aber dann ist der Geldhahn zugedreht."
"Ich verzichte gerne", kontere ich.
Dieser Mann soll sich ja nicht einbilden, dass ich wegen Geld zu Kreuze krieche.

Ich habe mich nur wegen Geld erweichen lassen, weil es um Jaces Sicherheit und Gesundheit ging.
Jetzt, wo ich weiß, dass ich meine Konten voll angreifen kann, habe ich keine Angst mehr vor seinen leeren Drohungen.
Mit einer schnellen Bewegung reiße ich das Formular aus dem Ordner und presse es an meine Brust.

"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du mich für so dumm verkauft hast."
"Du bist unerfahren, Ophelia. Genau das meine ich, wenn ich sage, dass du für Dinge wie diese noch nicht bereit bist. Dir fehlt einfach die Erfahrung und das Wissen."
"Nein."
Ich schüttele entschieden den Kopf.

"Ich habe dir vertraut."
Dads Mund zuckt, als hätte ich ihn geschlagen.
Dann wendet er sich ab und setzt sich wieder hinter seinen monströsen Tisch.
"Hast du wirklich gar nichts zu sagen? Kannst du dich ernsthaft nicht entschuldigen? Du willst dich nicht mal rechtfertigen?"

Er schweigt mich an und blickt unbeirrt aus seinen kleinen Augen.
"Ich versuche nur, meine Tochter zu schützen. Das ist alles."
"Inkorrekt. Es gibt einen Unterschied zwischen schützen und für dumm verkaufen."
Das Papier in meinen Händen knittert, als es gewaltsam gegen die Form meines Körpers gedrückt wird.

Ich bin vielleicht unvorbereitet in dieses Gespräch gegangen, aber ich werde diesem Mann nicht die Genugtuung geben, das letzte Wort zu haben. Nie wieder.
"Dir scheint nicht wirklich klar zu sein, wie sehr du unser Verhältnis damit zerstört hast, oder? Ich habe so viel ausgehalten, so viel für dich getan, damit du stolz auf mich bist und mich als ebenbürtig anerkennst."

"So etwas muss man sich eben erarbeiten", entgegnet er.
"Ja. Aber eine Tochter sollte sich niemals die Liebe zu ihrem Vater erarbeiten müssen. Und auch nicht seine Anerkennung."
Ich schlucke und lasse die Vollmacht sinken. Es soll das letzte sein, über das er in meinem Leben verfügt.

"Ich ziehe aus", verkünde ich mit festem, aber leisen Ton.
"Wenn du das machst, brauchst du nicht wieder vor dieser Tür aufzutauchen, dann entscheidest du dich gegen diese Familie!", poltert er los.
Ich habe ihn aus der Fassung gebracht.

Beinahe erscheint ein Grinsen auf meinem Gesicht, als ich die Ader an seiner Schläfe hervortreten sehe. Alles, was es die ganze Zeit über gebraucht hatte, war diese Drohung. Nur das es keine Drohung ist.
"Diese Familie hat sich schon vor langer Zeit gegen mich entschieden. Schönen Tag noch, Paul."
Mit diesen Worten drehe ich ihm den Rücken zu und verlasse sein Büro, ohne die Tür zu schließen. Er soll dabei zusehen, wie ich erneut sein Büro passiere, mit Koffer und Reisetasche.

Er soll mich gehen sehen.

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Song: Breakdowns - MOD SUN

Can we get a round of applause for Ophelia please???!!!
SHE DID IT!

Das hat richtig Spaß gemacht zu schreiben, wie sie Mr, Rosethorn mal so richtig in den Arsch tritt.
Leider konnte ich dabei keine eurer Gewaltfantasien einbauen, aber die könnt ihr ja gerne in den Kommentaren hinzufügen :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now