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Meine T-Shirts liegen jetzt neben denen von Jace. Meine Jeansjacke hängt im Flur neben seiner.
Und auch die Socken, die keine Paare ergeben, weil ich zu hektisch gepackt habe, haben einen Platz in einer der Schubladen gefunden.
Es fühlt sich richtig an; das gemeinsame Fernsehen gucken und Abendessen am kleinen Tisch in der Küche.

Ich kann Jace sogar von einer kleinen Runde im Park überzeugen, während der er nicht außer Atem gerät. Wir verleben normale Augusttage.
Mein Handy habe ich die ganze Zeit über ausgeschaltet. Und als ich es wieder anmache, habe ich mich bereits gegen die Flut aus verpassten Anrufen gewappnet.

Meine Mutter hat dutzende Male versucht, mich zu erreichen. Mein Vater nur zwei Mal, passt zu ihm.
Die Nummer meiner Tante erregt meine Aufmerksamkeit. Ich habe ganz vergessen, dass sie auch noch da ist.
Jace ist gerade im Bad. Ich weiß, dass seine Duschen ungefähr zehn Minuten beanspruchen.

Kalkulierend blicke ich auf den leuchtenden Kontakt unter meinen Fingern.
"Ophelia!", erklingt Tante Jennifers Stimme an meinem Ohr.
"Hallo. Tut mir leid, wenn ich abgehauen bin, ohne mich zu verabschieden", platze ich sofort heraus.
"Ich glaube, das ist das Letzte, worüber du dir Gedanken machen musst. Hast du eine Ahnung, was du deiner Mutter mit dieser ... fixen Idee angetan hast?"

Sie atmet zitternd ein, während ich meine freie Hand zu einer Faust balle.
"Ich habe dich nicht zurückgerufen, um mir eine Moralpredigt anzuhören. Du weißt, was Dad mir angetan hat, und Dad weiß, wo ich jetzt bin, ihr alle wisst das. Also kein Grund zur Sorge, nur weil ich mein eigenes Leben leben will."
Ich versuche angestrengt, meine Stimme auf einem ruhigen Level zu halten, doch die Wut in meinem Bauch macht es mir schwer.

Tante Jennifer gibt ein brummendes Geräusch von sich.
"Da möchte ich dir auch nicht reinreden, es geht nur um die Art, wie du das Ganze über die Bühne gebracht hast. Deine Mutter und ich haben mittags den Tisch gedeckt, nur um von deinem Vater zu erfahren, dass wir von nun an nicht mehr für dich eindecken müssen. Hast du eine Ahnung, wie deine Mutter zusammengebrochen ist? Sie hat die ganze Nacht kein Auge zugetan, nachdem du ... abgehauen bist."

"Ausgezogen. Ich bin ausgezogen", verbessere ich. "Es tut mir ehrlich leid, wenn ich ihr so einen Schreck verpasst habe, aber ich kann gerade einfach keine Rücksicht mehr auf das Wohlbefinden von anderen nehmen."
Meine Tante klingt bestürzt, als sie sagt: "Das wäre aber sehr schade, Ophelia."

Ich drehe mich zum Rundbogen, der in den Flur führt.
"Hör zu, ich muss Schluss machen. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir gut geht. Kannst du das auch Mom ausrichten? Ich glaube, sie jetzt anzurufen, ist nicht gerade die beste Idee. Sag ihr einfach, dass das hier gut für mich ist und das ich das brauche."

Sie schweigt einige Sekunden.
Ich wippe ungeduldig auf und ab und warte auf eine Antwort.
"Na gut", seufzt sie dann. "Pass auf dich auf, Ophelia."
"Mach ich, danke."

Ich unterbreche die Verbindung, bevor sie noch etwas sagen kann.
Ich weiß nicht, was genau ich erwartet habe, aber nach allem, was sie zu mir gesagt hat, und wie stolz sie auf mich war, als ich meinen Vater wutentbrannt aufgesucht habe, habe ich mir etwas mehr Zuspruch und weniger Kritik erhofft.

Ich verstehe, dass sie an Mom denkt, dass sie sie schützen will. Auch meine Tante scheint meine Seite nicht unvoreingenommen betrachten zu können.
Die Badezimmertür öffnet sich, als ich mein Handy auf dem Tisch ablege.
Jace läuft mit einem Handtuch um den Hüften ins Schlafzimmer.

Lächelnd blick ich ihm hinterher. An diesen Anblick könnte ich mich gewöhnen.
Auf Zehenspitzen folge ich ihm und lehne mich in den Türrahmen. Mit verschränkten Armen beobachte ich Jace dabei, wie er in seine Hose schlüpft.
"Hey! Raus mit den Spannern", lacht er, als er mich entdeckt hat.

Ich kann das fliegende Handtuch gerade so abwehren.
Grinsend lehne ich meinen Kopf gegen das kühle Holz und blicke weiterhin unverwandt in den gelben Raum hinein.
"Wo sollen denn hier Spanner sein?", frage ich scheinheilig und versuche erst gar nicht, meine Augen von seinen Tattoos abzuwenden.

Langsam kommt er auf mich zu und legt seine Hände um meine Taille.
"Genau hier", entgegnet er und stupst seine Nase gegen meine, was mich zum Kichern bringt.
Seine trockenen Lippen legen sich auf meine und entlocken uns beiden einen kehligen Laut.
"Wollen wir gleich einen Film gucken?", will er wissen, als wir uns voneinander lösen. Er ist deutlich mehr außer Atem als ich, obwohl ich den Eindruck habe, dass der kleine Raum vor mir aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Filme gucken, ist so ziemlich das Einzige was wir neben kuscheln, Essen kochen, essen und schlafen tun. Aber ich habe nichts dagegen einzuwenden, auch wenn mir ab und an wirklich langweilig wird. Doch wenn ich in Jaces Gesicht blicke und sehe, wie zufrieden er ist, ist die Langeweile wie weggeblasen.

"Eigentlich habe ich gehofft, dass ich dir endlich mal die erste Folge von meiner Lieblingsserie auf's Auge drücken kann", grinse ich ihm entgegen und lege den Kopf in den Nacken.
"Das mit der Unterwelt und den Drachen?"
Eine Falte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen.

"Unterwelt ja, Drachen nein. Also?"
Ich versuche einen Augenaufschlag, der ihn überzeugen soll.
"Na schön", gibt er gespielt dramatisch nach und streckt die Hand zur Kommode aus, auf der sein Pullover liegt.

Als er ihn über den Kopf zieht, kann ich sehen, dass seine Rippen noch schärfer als sonst unter der Haut hervorstechen.
Schnell wende ich den Blick ab und laufe zurück ins Wohnzimmer.
Mein Handy leuchtet auf.

Mom steht auf dem Bildschirm.
Ich drehe ihn um und suche stattdessen die allererste Folge von Shadowhunters heraus.
Ich werde mich ihr später stellen, später. Wenn ich einen klareren Kopf habe und sie sich etwas beruhigt hat.

Dieses Später liegt noch in weiter Ferne.

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Song: Chance with you - mehro

Hiii u guys :)

Habe ich gestern ganz vergessen zu schreiben: Ich habe - jetzt ist es schon vorgestern - angefangen Billies Auftritt vom "Life Is Beautiful"-Festival zu gucken. Und damn.... wie sehr ich mir doch gewünscht habe, da unter diesen 60.000 Leuten zu stehen....

btw. diese Geschichte hat einfach schon (ganz grob gerundet) mehr als 121.000 Wörter..... Also danke für's Lesen <3

So genug mit den Zahlen: Wichtige Sache zu morgen, da wird es nämlich kein Update geben. Also BIS ÜBERMORGEN MA LOVES <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now