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Die Sonne bricht durch die Wolkendecke.
Ich starre in den immer deutlich sichtbar werdenden Ball aus gleißendem Licht. Es schmerzt in meinen brennenden, ausgetrockneten Augen, aber das kümmert mich nicht.
Nach einer Weile spüre ich sogar die Wärme der Sonnenstrahlen in meinem Gesicht.

Meine Nasenflügel beben, während ich versuche mich aufrechtzuhalten. Ich streiche über meinen Rock, schaffe es endlich meine Augen zu senken.
Für einige Sekunden bin ich fast blind. Die grüne Wiese vor mir ist nicht viel mehr als ein weißer Fleck, in den sich schwarze Schatten mischen.

Nachdem ich meine Finger auf meine Augen drücke und wieder aufblicke, zeichnen sich Rhododendronbüsche vor mir ab. Sie werfen lange Schatten auf einen von Moos überwucherten Weg.
Die letzten Tage waren hart. Anstrengend. Auslaugend.

Es grenzt fast an ein Wunder, dass ich ohne eine Minute Schlaf hier aufrecht stehen kann.
Ich glaube, es ist der mich verfolgende Gedanke, der mich aufrechterhält. Denn ich kann ihn nicht begreifen, nicht verarbeiten. Ich bin allein.
Ich bin allein.

Ich presse meinen linken Arm an meine Seite und umschlinge meine eigene Taille, mit dem rechten drücke ich meinen Unterarm noch stärker gegen meinen Bauch.
Ich will mich nicht so fühlen, nicht so empfinden.
Jace ist vor ein paar Tagen verstorben.

Sie haben ihm Morphin gespritzt, als er krampfend um Luft gekämpft hat.
Danach war er ganz entspannt und schläfrig. Ich konnte sogar mit ihm reden. Margret nicht mehr, sie hat kein Wort herausbekommen.
Ich habe seine Hand gehalten und er hat mich angelächelt und für einen Moment war da wieder dieses Funkeln in seinen grünen Augen, das mich seit dem ersten Tag fasziniert hat. Isabell konnte ihn nicht mehr berühren. Sie hatte ihm kurz zuvor einen Kuss auf die Wange gedrückt und Jace sagte mit heiserer Stimme, dass er immer ihre Hand halten wird, wenn sie eine Straße überquert.

Da sah Isabell so aus, als wolle sie sterben.
Es war schön ihn so entspannt zu sehen, nach all den quälenden Stunden war da kein Kampf mehr, den er kämpfen musste.
Ich habe ihm versprochen, seine Schallplatten wöchentlich zu putzen und in Ehren zuhalten.
Und ich habe ihm versprochen, weiterzumachen.

Und dann ist er eingeschlafen. Einfach so.
Sein Herzschlag hat den Raum noch eine Weile mit hohen Frequenzen gefühlt, bevor es nur noch einen einheitlichen Ton gab, der mein Trommelfell und Herz gleichzeitig zerriss, bis Stille einkehre, weil Dr. Martens den Monitor abstellte. Totenstille.

Seine Hand lag eine Weile mitfühlend auf meiner Schulter. Seine grauen Augen wollten Trost spenden, doch ich schaute durch sie hindurch.
Wir haben ein Fenster aufgemacht.
Und dann habe ich keine Erinnerungen mehr. Und ich glaube, das ist gut so.

Ich will nicht wissen, wie sie mich von Jace weggezerrt haben oder ob ich mich freiwillig erhoben habe und gegangen bin. Ein Teil von mir hofft, dass ich mich gewehrt habe, seine Seite zu verlassen, aber ich glaube, dass ich in Wahrheit einfach aufgestanden und gemeinsam mit den anderen den Raum verlassen habe.

Ich weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin, wie ich es ins Bett geschafft habe, indem ich regungslos gelegen und an die Decke gestarrt habe, die mal dunkel und mal hell war.
Wie dem auch sei, jetzt stehe ich hier und die Sonne scheint in mein Gesicht und ich möchte die ganze Welt anschreien und fragen, wie es sein kann, dass ich den wichtigsten und schönsten Teil meines Lebens verloren habe und dennoch die Sonne auf mich herabscheint.

Ich möchte mich an Jace erinnern und mir vorstellen, wie er das kleine Zimmer betritt und mich anlächelt. So, wie er es immer getan hat.
Aber ich habe kein Gesicht mehr vor mir, wenn ich an ihn denke. Da ist ein Körper, der seine Kleidung trägt, aber da ist kein Gesicht. Ich kann ihn nicht sehen.
Und das macht mich verrückt.

Ich lockere den Griff um mich selbst und ringe nach Luft.
Jace hat genau das prophezeit und war froh über die Erkenntnis, dass all das zu unserer unvergesslichen Liebesgeschichte besteuern würde und es mir unmöglich machen wird, ihn zu vergessen.
Der Obdachlose, der von der reichen Tochter eines bösen Mannes gerettet wird und kurz darauf dem Geschwür des Todes erliegt.

Ich erschrecke mich selbst, als ein schroffes Auflachen die Still um mich herum zerreißt.
"Oh, Jace", murmele ich.
Wahrscheinlich hat er diese Worte nur aus diesem Grund gewählt; damit ich an einem traurigen Tag wie diesem lachen kann. Wenigstens etwas.
Weil er mich gelesen hat wie ein offenes Buch, egal, ob an einem Bahnsteig, in meinem Zimmer oder in seinem Krankenbett. Ich konnte mich nie vor ihm verstecken.

Die Tür hinter mir öffnet sich.
"Kommst du, Ophelia?"
Ich blicke über meine Schulter und entdecke Margret in schwarzem Kleid mit Schleife an der Schulter in den Raum spähen.

"Ja", antworte ich knapp und wende mich wieder dem Himmel zu, der sich nicht entscheiden kann, ob er blau oder grau sein will.
"Ja, ich komme."
Ich habe meinen Freund zu beerdigen.

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Song: Ghost Of You - 5 Seconds Of Summer

huh, almost teared up there myself! uff

Es gibt sooo viel, was ich euch sagen will!
Okay erstmal hat die Welt jetzt die 10 Minuten Version von "All Too Well" & den ersten Song den Ed Sheeran & Taylor Swift zusammen geschrieben haben and that is just a reward for surviving all the things that happend in between the first release and now.

Dann möchte ich euch einen Musiker ans Herz legen!!! (Noch mehr Ausrufezeichen, weil er ist es wert) !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
brakence
so heißt er.

Besonders die Songs "ginger tea" und "rosier/punk2" müsst ihr euch anhören!
Das ist einfach Kunst und es ... ich weiß nicht. Seine Stimme, die Art wie er schreibt. Jesus.

Sonst mental state of mine: Ich habe in den letzten Tagen STUDENDENLANG Corpse gehört. Do I regret a second? No.

Okay, bis morgen. I love you all! So, so much. Es bedeutet mir wahnsinnig viel, dass ihr nach all diesen Kapiteln immer noch hier seid! <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now