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Ich bemerke kaum, wie der Trauerredner, den wir gebucht haben, beginnt, ein paar Worte über Jace zu sagen. 
Laut Absprache hat er mich irgendwann in den letzten Minuten angesprochen, ohne dass ich es bemerkt habe.
Ich kann mich nicht auf seine Worte konzentrieren, ich schlucke immer wieder meine Tränen und fahre über den schwarzen Stoff an meinen Beinen, versuche die Gewissheit zu verdrängen, dass es gleich vorbei ist. Für immer, irgendwie.

Ich höre, wie Isabells Name fällt und werfe einen Blick auf ihren glatten Haarschopf.
Wie sonst auch hat sie die Augen geradeaus gerichtet und wirkt regungslos und gefasst. Nur bei genauerem Hinsehen wird das Zittern ihres Kinns sichtbar.
Ich möchte die Hand nach ihr ausstrecken, finde aber nicht den Anstoß, meine Gliedmaßen zu bewegen.

Ich drehe mich um, blicke die Reihen hinter mir entlang. Einige der Anwesenden sehen wirklich mitgenommen und betroffen aus. Die meisten sind in Jaces Alter.
Weiter hinten sitzen die Nachbarn von Margret.
Jessicas helle Augen begegnen meinen, sie blinzelt mir zu und formt ein Herz mit ihren Händen. Ich ziehe meine Mundwinkel zu einem traurigen Lächeln nach oben.

Jetzt, wo ich hier sitze, habe ich zum ersten Mal wirklich die Gelegenheit darüber nachzudenken, was wir hier gerade tun. Wir trauern um Jace, weil sein Tod real ist.
Er hat mich hier zurückgelassen und ich muss damit klarkommen.
Ich bohre meine Zähne in die Unterlippe und streiche wieder über meinen Rock, beinahe apathisch.

Ebenso apathisch starre ich auf den unbefestigten Weg, den wir als geschlossene Gesellschaft zu Jaces Grabstelle entlangschreiten, wo sein Sarg aufbereitet ist.
Wir haben uns dagegen entschieden, ihn geöffnet in die Kapelle zu stellen. Man sollte sich an den Jace von dem Foto erinnern. Nicht an den im Sarg.

Wir reihen uns vor dem Loch in der Erde auf.
Maggy tritt nach vorne und richtet ein paar dankende Wort an die Erschienen.
Ich höre nicht hin, starre auf den Mahagonisarg und versuche zu begreifen, dass Jaces Körper sich darin befindet und uns gleich für immer eine Schicht Erde trennen wird, bis Margret meinen Namen ausspricht.

Ich schrecke auf.
"Einen besonderen Dank möchte ich an Ophelia richten. Sie ist wie ein Engel, der zu uns geschickt wurde. Sie hat nicht nur meinen Jungen zurück in mein Leben gebracht, sie hat auch all das hier ermöglicht."

Am liebsten möchte ich die Hände heben und sie zum Schweigen bringen. Kaum merklich schüttele ich den Kopf, doch Margret lächelt mich nur an.
"Sie hat ein großes Herz, unsere Ophelia. Und das hat Jace in dir gesehen."
Ich presse meine Lippen zusammen und schaue für einen kurzen Moment zu Boden. Jess stößt mich mit ihrer Schulter an.

"Möchtest du noch ein paar Worte sagen?"
Die Frage trifft mich unvorbereitet und ich zucke beinahe zusammen. Ich hatte nicht vor, etwas an Jaces Grab zu sagen, das für alle zu hören war.
Margret winkt mich zu sich.

"Na los", flüstert Jess in mein Ohr und schiebt mich sanft an.
Ich stolpere nach vorne. Das nasse Gras quietscht unter meinen Sohlen.
Margret greift nach meiner Hand und drück sie danken zwischen ihren kalten Händen.
Das erste wahrhaftige Lächeln seit über einer Woche erscheint auf ihrem runden Gesicht.

Ich warte, bis sie meinen Platz neben Jessica und Isabell eingenommen hat und nestle an den Knöpfen meiner Jacke herum.
Abwartende Augenpaare sind auf mich gerichtet und schweigen gemeinsam mit mir.
"Ich ... ähm ... Ich habe eigentlich gar nichts vorbereitet, weil ich an diesen Moment hier nicht denken wollte", beginne ich schließlich und lasse meinen Blick über die Reihe vor mir schweifen.

"Jace war so ziemlich der wundervollste Mensch, den ich je kennenlernen durfte. Er hat mir unglaublich viel gegeben und es ist nicht fair, dass ein so weiser Mensch, der unsere Leben bereichert hat, so früh von uns gehen musste. Aber jemand hat mir mal gesagt, dass das Leben nicht fair ist", ich blicke zu Isabell, "und das stimmt leider."

Ich seufze und schaue kurz zu dem Sarg neben mir. Er ist mir so nah.
"Alles, was wir tun können, ist diesen Menschen in unseren Erinnerungen zu bewahren. Ich bin sicher, jeder von euch hat seine ganz eigene Geschichte mit Jace. Und diese sollten wir am Leben erhalten. Indem wir sie erzählen und uns an sie erinnern."

Ich werde ihnen nicht sagen, dass ich für Jace weiterleben werde oder dass wir für ihn einen Berg besteigen sollten, obwohl es mir auf der Zunge liegt. Aber es kommt mir zu persönlich vor. Das soll zwischen uns bleiben.
Eine Windböe fängt sich in den Baumkronen der umliegenden Bäume. Einige Haarsträhnen wehen in meine Augen.

"Er hätte sich sicherlich gefreut, uns alle hier so zu sehen."
Ich sehe in grüne Augen, die mich aus der Reihe anfunkeln. Er wird immer irgendwie hier sein.
Ich wende mich dem Sarg zu und lege eine einzelne weiße Rose darauf nieder.
"Ich hoffe, ich habe an alles gedacht", flüstere ich ihm zu und lächle zufrieden.

Denn ich weiß, dass er seine Mütze bei sich hat - nur für den Fall, dass es kalt wird.

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Song: Fine Line - Harry Styles

Hi. Cute, ich weiß - ich hoffe doch! :)

Ich hätte schon ein paar Minuten eher hochladen können, aber ich habe mich irgendwie in Reise-/Expeditionsangeboten für Norwegen verloren. Ich möchte wahnsinnig gerne mal die Polarlichter sehen. Und in so einer Hütte mit Glasdach unter der Michstraße schlafen. Ihr merkt, ich bin für ein Abenteuer zu haben! Und so eine 15-tägige Gruppenreise hört sich einfach toll an! Nur leider teuer teuer.... :/

Würdet ihr auf so eine Reise gehen wollen? 

Was ist euer Traumreiseziel? (Meins: Die ganze Welt.)

All my Love, rest in love, Jacey.
Lisa xoxo 

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now