157.

454 37 63
                                    

Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, aber als ich mich langsam in meiner Umgebung zurechtgefunden habe, bemerke ich, dass die Wolkendecke dunkelgrau geworden ist. Es sieht nach Regen aus.
Langsam setzte ich mich an die Bettkante und beobachte die Wolken dabei, wie sie gen Westen rasen.

Mein Körper schreit nach mehr Schlaf. Dieses Bett ist so viel bequemer, als das von Jace im Krankenhaus.
Mein Rücken schmerzt fast noch mehr, als am Küchentisch und mein Nacken scheint zu schwach, um meinen Kopf zu tragen.

Bevor ich aufstehe, streiche ich mein Shirt glatt. Mittlerweile macht es mir gar nichts mehr aus in Alltagskleidung zu schlafen. Nach der ersten Nacht an Jaces Seite mit der Beatmungsmaske auf seinem Gesicht habe ich mich unglaublich unwohl und schmutzig gefühlt.
Ich strecke meine Arme über den Kopf und gehe in die Küche. Mein Mund fühlt sich an wie Schmirgelpapier.

Während ich ein Glas Wasser meine Kehle herunterkippe, checke ich mein Handy.
Jess hat mir noch eine aufmunternde Nachricht geschickt und auch AJ hat sich mal wieder gemeldet, fragt, wie es mir geht.
Und ich habe einen verpassten Anruf meiner Mutter.

Noch während ich auf ihre Nummer starre, leuchtet mein Display erneut mit ihrem Kontakt auf.
Eingehender Anruf von Mom.
Ich stelle das Wasserglas mit zitternder Hand ab. Soll ich rangehen?
"Ophelia?"

Ihre vertraute Stimme dringt an mein Ohr, noch bevor ich realisiert habe, dass ich ihren Anruf entgegengenommen habe.
"Mom."
Ich beiße fest auf die Innenseite meiner Wange, um die Tränen in meinen Augen zu halten.

Ihre Stimme zu hören, tritt etwas in mir los. In diesem Moment wünsche ich mir so wie nie zuvor, dass sie ein paar liebevolle Worte an mich richten würde. Dass sie wäre wie Margret, dass sie mir Trost spenden könnte, anstatt mir zu sagen, ich solle mich zusammenreißen und ein Lächeln aufsetzen.

"Ich wollte dir gerade auf die Mailbox sprechen und um Rückruf bitten", sagt sie.
"Ist etwas passiert?", frage ich alarmiert und denke sofort an Ben.
"Ich ... Ich wollte nur fragen, wie es dir geht."
Sie druckst beinahe herum.

In dem folgenden stillen Moment zwischen uns kann ich hören, wie sie im Hintergrund die Terrassentür aufschiebt und nach draußen geht.
Wieder blicke ich aus dem Fenster. Draußen ist es kalt, sie geht für gewöhnlich nie auf die Terrasse, wenn es kalt ist. Mirella macht ihr dann immer einen Ingwertee.

Ich kneife in meine Nasenwurzel und schüttele den Kopf.
"Ich habe keine Zeit zum Reden", sage ich kurz angebunden und hoffe, dass ich sie so abschütteln kann.
"Wie geht es dir, Ophelia?", beharrt sie unbeirrt.

Ich seufze, machtlos gegen ihren Tonfall. Denn tief in ihrer Brust erklingt Besorgnis und Fürsorge, die mich früher mit Wärme füllen konnten.
"Mir geht es ..."
Ich blicke mich um. Die Wahrheit ist, mir geht es beschissen. Mein Leben bricht gerade vor meinen Augen zusammen, dabei habe ich erst vor ein paar Monaten angefangen, zu hoffen.

Meine Schultern fallen nach vorne.
"Nicht so gut", gebe ich kleinlaut zu.
"Das tut mir leid."
Ich gehe in den Flur und hebe meine Jacke vom Boden auf, um mich nicht meiner Wut über ihr Desinteresse hinzugeben.

"Ich denke oft an dich und Jace und was ihr wohl so macht", sagt sie dann in mein Schweigen.
Ich seufze.
"Wir machen nichts Besonderes", sage ich dann und falte meine Jacke mit einer Hand, werfe sie über eine Stuhllehne am Esstisch.

Schweigen am anderen Ende. Wieso macht sie es jedes Mal so schwer mit ihr zu kommunizieren?
Ich höre ein Glas im Hintergrund klirren. Trink sie etwa?
"Dein Vater und ich machen uns wirklich Sorgen um dich, Ophelia. Jace ist nicht der Richtige für dich. Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei ihm. Wenn du dich länger nicht meldest, weiß ich nicht, wie es dir ergeht. Du solltest dich auf die Uni konzentrieren, auf dich und deine Zukunft und nicht auf -"

"Nicht auf ihn? Ist es das, was du sagen willst?"
Ich bohre meine Finger in den braunen Stoff unter mir.
"Willst du mir wieder sagen, dass ich meine Zeit verschwende, mit dem ersten Menschen, der mir offen seine Liebe zeigt? Du kannst ihn doch bloß nicht ab, weil er keinen Namen hat, mit dem du vor deinen fahlen Gästen bei der nächsten Gala angeben kannst!"

Ich ringe nach Luft und Fassung.
"Ich habe gerade weiß Gott andere Dinge im Kopf und wirklich keine Lust mich wieder und wieder mit dir darüber auseinanderzusetzen. Ruf bitte einfach nicht mehr an, wenn das alles ist, worüber du mit mir sprechen willst."

"Nein, so habe ich das nicht gemeint."
Ich verdrehe die Augen. Glaubt sie wirklich, ich bin ein naives Kind, das sie so einfach belügen kann?
Ich laufe ins Schlafzimmer. Durch meine Socken kann ich immer noch die Wäre der Sonnenstrahlen auf dem Parkett nach empfinden, an den Stellen, wo das gebündelte Tageslicht über die Dächer hinweg in den Raum schien, während ich schlief.

Ich höre meine Mutter am anderen Ende der Leitung atmen. Sie warte auf meine Reaktion.
"Ich weiß, dass Dad nicht dein Prinz auf dem weißen Pferd war und Jace ist das im übertragenen Sinne auch nicht für mich."
Ich halte inne und betrachte den Kleiderschrank, indem unsere Kleider hängen.

"Aber ... es gibt Dinge im Leben, die wir nicht verstehen und auf die wir keinen Einfluss haben. Ich bleibe bei ihm. Bis zum Schluss."
"Bis zum Schluss?"
Wir schweigen uns an, obwohl es tausend greifbare Worte zwischen uns gibt.

"Du wirst es sowieso früher oder später erfahren", seufze ich leise. "Jace stirbt."
Meine Stimme bricht nach dem vorletzten Wort. Es laut auszusprechen, macht er realer, greifbarer. Es ist ein Fakt, der im Raum steht und den ich nicht mehr länger verleugnen kann.
Und das tut unglaublich weh.

"Was?"
Wind fängt sich im Lautsprecher und erfüllt rauschend mein rechtes Ohr.
"Er hat Krebs, Mom."
"Aber das ist ja schrecklich! Seit wann weißt du es?"

Ich will ihr diese Geschichte nicht erzählen und doch breche ich sie herunter. An den Kommentaren, die sie zwischen meinen Bericht wirft, kann ich ihre Erleichterung messen. Für sie ist Jace durch meine lose Zunge gerade zu meinem gemeinnützigen Projekt geworden, das bald aus der Welt geschafft ist.
Sie sagt mir, dass sie sich jetzt noch mehr Sorgen um mich macht.
"So eine Krankheit solltest du nicht sehen."

"Zu spät", flüstere ich ernüchtert.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber wir haben uns plötzlich nichts mehr zu sagen.
"Mach's gut. Mom."
"Du auch, mein Schatz."
Dann legt sie auf.

Ich höre das Freizeichen aus dem Hörer schallen, während meine Hand immer weiter absinkt.
Mein Schatz.
So hat sie mich schon lang nicht mehr genannt.

__________________________________
Song: Golden Age - Ethel Cain

hi my loves <3

Heute ist bei mir ein richtig eisiger Wind! Man merkt, dass es Winter wird.
Ich möchte euch heute mal "Ethel Cain" empfehlen - Musikerin. Ich weiß nicht, ob ich sie schon mal erwähnt habe... Aber sie ist eine KÜNSTLERIN!!!! Und solche Menschen machen mich glücklich!

Gebt sie einfach mal bei YouTube ein. Sie entführt in eine andere Welt, keine Ahnung wie ich das beschreiben soll. Okay, genug davon.

Ich bin bereits dabei, die ersten Weihnachts-Nachtisch-Rezepte rauszusuchen und mir einen kleinen Plan zu machen, was ich wann mache & was ich dafür brauche. Ich mache immer einige Rezepte aus den Lind-Werbeheften nach, die zur Weihnachtszeit ausliegen. Die sind SUPER!!! Schmecken nach 5-Sterne Küche und sind auch nicht sooo schwer :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now