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Die Tage blenden ohne deutbaren Übergang ineinander über und ich verliere neben jeglichem Zeitgefühl auch meine Geduld. In mir herrscht eine Unruhe, die ich nicht besänftigen kann, egal was ich auch versuche.
Jace ist vor mehren Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden und zurück in Tante Jennifers Wohnung.

Ich klebe seit einer ungesund langen Zeit an meinem Handy, weil Jess sich in den Kopf gesetzt hat, endlich herauszufinden, wo ich mich nach der Uni herumdrücke.
Ich kann über ihre Versuche, etwas aus mir herauszubekommen, nur lachen.
Plötzlich kann sie gar nicht mehr aufhören, mich mit Nachrichten zu bombardieren, während sie manchmal einen ganzen Tag braucht, um mir zu antworten, wenn ich sie nach Themen aus verpassten Lesungen frage.

Ihre aktuelle Tendenz geht Richtung 'Sugar Daddy', der mich ganz für sich beansprucht.
Beinahe schreibe ich zurück, dass es sich eher um vertausche Rollen handelt, aber das wäre Jace gegenüber nicht fair und außerdem räuspert sich mein Vater in dem Moment, in dem meine Daumen über den Buchstaben schweben.

Heute wird meine Mutter wieder nach Hause kommen.
Sie hat die Kur vorzeitig abgebrochen. Und genau aus diesem Grund haben wir uns im Wohnzimmer versammelt. Wie die perfekte, kleine Familie.
Wobei Ben immer noch durch Abwesenheit glänzt.

Ich glaube zudem nicht daran, dass Mom "nach Hause kommt".
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie wieder richtig mit uns zusammenleben wird, aber Dad hat es so klingen lassen.
Ich gehe immer noch davon aus, dass sie durch die Tür kommen und einen kläglichen Versuch unternehmen wird, uns in den Arm zunehmen und meinem Vater dabei einen undeutbaren Blick zuwerfen wird.
Danach wird sie sich für ein paar Stunden in der Nähe der Küche aufhalten, bevor sie wieder auf unbestimmte Zeit verschwindet. Wohin auch immer.

Dad sitzt mir gegenüber in einem der weißen Sessel am Fenster und schaut die Auffahrt hinunter.
Seine Augen scheinen etwas an deren Ende entdeckt zu haben, weswegen er meine ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt.
Es ist ein Taxi, das langsam unsere Auffahrt erklimmt.

Dad erhebt sich, richtet seine Manschettenknöpfe.
Sein Gesicht wirkt noch verspannter als sonst und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er ist nervös.
Genau in diesem Moment kommt Benno ins Wohnzimmer und lehnt sich anteilnahmslos neben die Standuhr und starrt auf sein Handy.

Seine schwarzen Haare verbieten jeden Einblick in sein Gesicht.
Ich seufze.
"Das wird aber auch Zeit, Sohn", sagt Dad mit barschem Ton, der mich zusammenzucken lässt.
Ben hingegen gibt keine Regung von sich, seine Augen sind auf den kleinen Bildschirm gerichtet.

Meine Handy vibriert in meiner Hand.
Jess. Eine sehr ausfallende Nachricht, die mich auflachen lässt.
Doch da wird mir Dads Anwesenheit bewusst und ich stecke Jess' leuchtende Worte hastig in meine Hosentasche.
"Entschuldigung."

Ich wage nur einen schnellen Blick in sein Gesicht mit den zusammengezogenen Augenbrauen.
"Spätzchen, von dir hätte ich mehr erwartet."
Seine blauen Augen richten sich nach vorne und er setzt sich mit steifen Schritten und erhobenem Haupt in Bewegung.
Mir wird schwer ums Herz, als mein Handy erneut vibriert.

Ich versuche den Ausdruck auf seinem Gesicht zu deuten.
Aber er ist mir fremd, kalt, eine Maske.
Als Dad mich passiert, sieht er mir kurz in die Augen und nickt, fast so, als würden wir jetzt gemeinsam einen wichtigen Gast auf einer seiner Veranstaltungen empfangen.

Er verschwindet in der Eingangshalle und kurz darauf wird die Haustür geöffnet.
Ben an der Wand verkrampft sich sichtlich. Er scheint immer noch sein Schlafshirt zu tragen, während ich mich für Mom in eine puderfarbene Bluse gezwängt habe.

Ich rümpfe die Nase, als ich in die starke Parfum-Wolke meines Vaters trete.
Ich schaue ein letztes Mal zu Ben, der anscheinend mit sich zu kämpfen scheint, ob er sich bewegen soll oder nicht.
Ich überlege, ob ich etwas zu ihm sagen soll, aber als sich unsere Augen treffen, spricht eine solche Verachtung aus seinen übergroßen Pupillen, dass ich auf meine Zunge beiße und Dad folge.
Wie es eine brave Tochter eben tut.

Mom steht mit zwei großen Reisetaschen vor der Tür und fällt Dad in die Arme.
Aus einiger Distanz beobachte ich das Geschehen. Es wirkt falsch, fremd und aufgesetzt.
Ihre Arme liegen genau dort, wo man sie in Fotografien platzieren würde. Unkonventionell.

Ihr Blick fällt auf mich und meine verschränkten Arme.
"Ophelia!"
Meine Mutter kommt auf mich zu, mit weit geöffneten Armen.
Beinahe schiele ich nach links und rechts, um zu prüfen, ob wir Zuschauer haben, weil sie so eine Show abzieht.

Aber ich glaube, sie will nur ihren unglamourösen Abtransport ausbügeln.
Zu ihrem süßen Duft aus Eau de Parfum und Puder mischt sich überraschenderweise nicht wie sonst der vertraute Alkoholgeruch.
Ich drücke meine Nase an ihren Hals und schließe die Augen. Mom.

Gerade will ich sie wirklich an mich drücken und versuchen zu realisieren, dass sie vielleicht wirklich zurück ist, da schiebt sie mich von sich und fragt mit einem Strahlen im Gesicht: "Wo ist dein Bruder?"
Meine Lippen teilen sich, aber kein Ton kommt über sie. Es ist, als wäre mein Hals zugeschnürt worden. Also nicke ich nur mit dem Kopf Richtung Wohnzimmer.

"Benedikt!", ruft sie aus und geht mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
Ich stelle fest, dass er mittlerweile vor dem Wohnzimmer steht und sie die Show aus der ersten Reihe angesehen hat.
Seine Umarmung fällt länger aus als meine.

"Mom", kommt es kalt aus seinem Mund.
Er löst ihre schlanken Arme von sich, geht einen Schritt zurück, signalisiert ihr, dass ihre körperliche Nähe nicht erwünscht ist.
Die zierliche Frau, die mir plötzlich wieder so bekannt vorkommt, erstarrt und lässt entkräftet ihre Arme sinken.

Ihre hellblaue Strickjacke schmiegt sich wieder an ihren Rücken.
Warum wollen wir Menschen immer das, was wir nicht kriegen können?
Meine Umarmungen geben ihr nichts - schon lange nicht mehr -, sie will Benno in ihren Armen halten.

Aber er ist nicht mehr der kleine Junge, der sich nicht von ihr entfernen wollte.
Er hatte sie bewusstlos auf dem Küchenboden gefunden, nachdem sie ihren kleinen Jungen halbtot oben im Badezimmer entdeckt hat. So etwas verändert eine Beziehung.

Ich presse die Lippen zusammen und ignoriere den dumpfen Schmerz in meiner Brust über die Zurückweisung meiner Mutter. Aber ich bin das gewohnt.
Also blinzle ich gekonnt meine Tränen zurück.
Mein Handy vibriert erneut, aber ich schenke dem keine Beachtung, Jess kann warten.

"Möchtest du etwas trinken, Georgia?", fragt mein Vater mit belegter Stimme.
Bei der Formulierung der Frage läuft mir ein kalter Schauer die Wirbelsäule.
"Ja, sehr gerne. Ein Wasser."
Ben stößt sich von der Wand ab und gibt ein schroffes Geräusch von sich.

Wir alle wissen, was er damit sagen will.
Ein Wasser, hört, hört. Die Alkoholikerin möchte ein Wasser!
Er geht in die Küche. Wir folgen.
Ich komme mir vor, wie in einer dummen Schafherde, die von A nach B getrieben wird.

Mein Handy vibriert erneut und gleich noch einmal.
Ich lasse mich zurückfallen und von Dad überholen, der sich nervös durch die Haare streicht.
Ich ziehe mein Telefon aus der hinteren Hosentasche und erschrecke, als ich Jaces Namen auf dem Display sehe.

Kannst du vorbeikommen? Jetzt?
Ein Notfall.

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Song: Happiness is a butterfly - Lana Del Rey

HI, ich mach's wieder kurz, weil ich noch eure Kommis beantworten will :)
It honestly makes me sad to write about the horrible relationship between O and her Mom ... :/

Lasst uns mal feststellen, wer hier heute den Hitzerekord hatte!!!!!
I'll go frist: Unser Thermometer kletterte auf 34 GRAD!!!
Jetzt ihr ... ich bin gespannt :)

Zu der Community-Aktion:
Ich denke, morgen oder Samstag - wahrscheinlich Samstag - werde ich unsere Bilder hochladen, hehehee, ich freue mich schooonnn <3
Also, wer noch was schicken möchte - u know what to dooo ;)

Sending u all my Love,
Lisa xoxo

P.S. Heute hatte ich es mit un-Wörtern oder? xD

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now