One: Sweet Home Alabama √

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Eines Tages wirst du den schwarzen Peter ziehen. Schon allein dieser Gedanke hatte mich nicht mehr losgelassen, als ich den Kaufvertrag für dieses Haus unterzeichnet hatte. Irgendwann würde der Moment eintreten, was mich daran erinnern könnte, einen Fehler begangen zu haben. Zwischen Neuanfang und einer neuer Umgebung hatten sich meine Vorstellung von einem ruhigen Plätzchen direkt in Luft aufgelöst, bei der lauten Musik, die durch das Fenster dröhnte.

Anscheinend hast du wirklich den Kürzeren gezogen. Dabei ließ ich mich zu sehr von der Südstaaten-Schönheit Alabama und großen Landhäuser blenden lassen, die ganze Flächen und Wiesen erstreckten. Da war meine Wohnung in Washington nichts im Gegensatz zu solch einem Landhaus. Der Gedanke, meine Wohnung in Washington zu verkaufen, um die Ersparnisse für ein Haus auf dem Kopf zu stellen, kam mir so richtig vor, dass ich alle Gefahren nicht hatte kommen sehen. Von wegen ich könnte des Glückes Schmied sein und in Birmingham mich in aller Ruhe niederlassen. Jetzt musste ich mit einer nervtötenden Musik konfrontiert werden, die durch meinen Garten die Alabama-Hymne rauf und runter posaunte. Ausgerechnet die Hymne, die noch von begeisterten Südstaatlern gesungen wurde.

»Sweet Home Alabama, where the skies are so blue. Sweet Home Alabama, Lord I'm coming home to you.«

Anstatt, den Fokus auf die Arbeit zu legen, die nur in Stapeln auf mich wartete- weil ich im Glauben war, dass ich arbeiten könnte-, musste ich mich mit sowas auseinandersetzen. Home Sweet Home, ein Fluch und Segen zugleich.

Forsch krallte ich mich an meinem Laptop fest, nur um den Ärger loszuwerden, der sich in mir breitmachte. Wenn ich könnte, würde ich direkt mein offenes Fenster wieder verschließen, würde ich nicht mit der heißen Sommerluft konfrontiert werden. Und weil diese Hitze sowieso ohne Klimaanlage kaum ertragbar war, biss ich nur auf die Zähne zusammen und setzte mich mit meinem Artikel auseinander.

Laut surrten die Stimmen aus dem Garten, was mich zum Köcheln brachte. Immer wieder drang das Gejohle und Gejaule zu mir nach oben. Stimmen, die von dem Alkohol geschwängert waren und unerträglich wurden. Als hätten sie es kommen sehen, mich, eine nicht Südstaatlerin, mit ihrer Lobeshymne begrüßen zu dürfen. Oh wenn sie nur wüssten, wie viel Beherrschung es mich geradezu kostete, sie nicht direkt anzufallen oder ihnen den Stinkefinger zu zeigen.

Mein Blick schweifte zurück zum offenen Fenster, in Hoffnung, die Gläser könnten nebenan durch den lauten Bass zersplittern. Nur gab es leider keine magischen Superkräfte, die für mich das ein oder andere Desaster erledigt hätten. Es sei denn, ich würde mir eine Bombe bauen und sie nach drüben befördern. Allerdings gab es nur zwei Dinge. Erstens, ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man Bomben baute, weil ich Chemie einfach ziemlich öde fand und mir nie ein Experiment wirklich in der Schulzeit gelungen war. Die einzigen Experimente, die mich jemals interessiert hatten, waren Magazine, Artikel und Essen gewesen. Und zum Schluss: Ich glaube, das würde mich am Ende noch strafbar machen. Immerhin war ich nicht der Ärgermacher, sondern eher das brave Mädchen von nebenan, die brav ihre Steuer bezahlte oder sich an die Regeln hielt. Denn alles, was ich wollte, war meine Zeit in meinen eigenen vier Wänden zu verbringen und meine Arbeit zu erledigen. Tja und als hätte ich nicht genug mit meiner Arbeit als Journalistin zu tun, musste mir dieses Sweet Home Alabama mächtig auf den Keks gehen. Eines sollte gesagt sein: Mein Nachbar war ein Sadist, wenn er darauf bestand, an einem Freitag eine bescheuerte Party mit der ganzen Umgebung zu schmeißen.

Für eine Sekunde lang, hielt ich die Luft an, um bis drei zu zählen. Jedoch half es mir nicht weiter und ich stützte mich frustriert mit der Hand an meinem Kinn ab.

Diese Musik brachte mich noch ins Grab.

Wieso mussten die Südstaatler es jeden unter die Nase reiben? Reicht es ihnen nicht aus, dass dieses Lied uns ganz Amerika verfolgte?

ChardonnayWhere stories live. Discover now