Two: Sweet Job 'n Chinesisch √

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Manchmal waren die Gedanken zu laut, um sie weiter im Kopf zu behalten. Zu explosiv, um ihnen Flügel zu verleihen und eine drohende Gefahr, wenn man sie bei sich behielt.

Um jeglichen Schmerz zu unterdrücken, hatte ich für mich den Weg gefunden, meine Gedanken Flügel zu verleihen. Denn alles, was ich wollte, war, dass die Gedanken das Fliegen zu lernen.

Wie an jenem Tag holte ich meinen gekühlten Chardonnay aus dem Kühlschrank, der nur darauf wartete, geköpft zu werden. Ein Weißwein, der immer für den Abend für Feten und Veranstaltungen genutzt wird, für das Feiern gedacht war. Bevor die Gedanken so unsagbar laut wurden und er sich just in dem Moment in meinen Händen wiederfand.

Ich wollte dem Drang widerstehen, den Chardonnay in meinem Weißweinglas zu schütten, um mich an dem Geschmack von Weintrauben zu erinnern. Vermischt mit Weißwein und von einem Rausch, von dem ich nie und nimmer loskommen würde. Er war meine größte Sünde, die mir irgendwann zum Verhängnis werden wird.

Gedankenverloren ließ ich den Chardonnay in das Glas plätschern. Lauschte nach dem Weißweinstrahl, wie er Stück für Stück ins Glas sickerte und schaute auf die goldene Flüssigkeit. Flüssiges Gold in einem Glas. Flüssiges Gold in meinen Händen und flüssiges Gold für meinen Verstand.

Es war ein Schluck. Ein großer Schluck und jedes von der Kohlensäure strich mir über die Zunge, veränderten meine Geschmacksknospen. Überall kribbelte es. Der Weintraubengeschmack breitete sich in meinen Gaumen aus, bevor er verebbte. Bis ich direkt nach dem nächsten Schluck lechzte. Zu sehr wollten die Gedanken in mir keine Ruhe mehr geben. Denn sie wurden so laut wie zarte Sirenen, die ein Lied sangen.

Seufzend kniff ich die Augen zusammen und verdrängte alles nach hinten. Diese Unruhe wollte einfach kein Ende finden. Meine Finger kribbelten, dass ich noch mehr das Glas in meiner rechten Hand umklammerte. Vielleicht wird es zerbrechen, aber ich brauchte den Halt, was mir dieses Glas geben konnte. Ein Blick zurück und die dunklen Schwaden um meine Augen, fingen sich an aufzulösen.

Endlich rief ich es mir ins Gedächtnis und eine große Last fiel mir von den Schultern. Vor Erleichterung stellte ich das Glas auf die Anrichte. Ausgetrunken, wie jedes am Morgen.

Erst als ich meine Autoschlüssel zu fassen bekam, meine Tasche über die Schulter warf, hörten die Gedanken auf, zu singen.

Donna Brown war eine Egomanin. Das war sie schon auf dem ersten Blick. Eine Frau, die nach Selbstsucht lechzte. Und dazu eine knallharte Chefredakteurin, die sich keine Fehler erlaubte.

Ihre schmalen Augen blickten mir mit solch einem Desinteresse entgegen, ehe sie wieder über die nächste Zeile sprangen. Nur um eines der Absätze zu erfassen, die ich im Laufe des ganzen Arbeitstages versuchte zustande zu bekommen.

»Also ich weiß wirklich nicht, was ich mit Ihnen machen soll, Cher.« Da war er wieder, der gefährliche Unterton in ihrer Stimme, der solch einen dunklen Klang angenommen hatte.

Sie verharrte auf ihrem Ledersessel und zog den messingfarbenen Kugelschreiber hervor. »Anscheinend wollen Sie es einfach nicht begreifen, was für ein Magazin wir sind.« Donna Brown. Kernig, abgehoben, verpackt in einer zarten Persönlichkeit. Sie könnte definitiv mit einer Anna Wintour Konkurrenz machen, so wie sie in ihrem Wesen war. Jeder Gang, jede Tonart und Redewendung musste nur auf ein Doppelgänger der Vogue-Zarin zugeschnitten sein.

Obwohl ich mit meiner Größe ihr überlegen war, hatte diese Frau vor mir eine Größe, für die andere sie bewunderten.

Trotzdem kam in mir der Frust auf, zu wissen, dass ich wieder mit leeren Händen vor ihr stehen würde. Ich möchte nicht wissen, wie viele Ideen wir verworfen oder überhaupt für dieses Magazin umgesetzt hatten. Denn ich hatte wirklich viel Zeit in meinen Ideen investiert.

ChardonnayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt