oo7. Für immer eine Außenseiterin

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Traurig ließ ich die Schultern sacken. Ich hätte mich nicht zu früh freuen sollen! Wenn Warrin wollte, dass ich kam, dann musste ich auch kommen. Außerdem schien es wirklich wichtig zu sein. Wenn es nicht wichtig wäre, dann hätte er mir nämlich keine Nachricht geschrieben. Schließlich ging es hier um das Wohl der Menschheit.

»Ist irgendwas?«, fragte Hanson irritiert.

Ich biss mir auf die Lippe. Die Gelegenheit, einen süßen Kerl näher kennenzulernen, verspielte ich damit wohl.

»Mir fällt gerade ein, dass ich noch etwas Wichtiges in der Stadt zu erledigen habe...«, brachte ich zögernd hervor, »...du musst alleine nach Hause finden.«

Er nahm die Nachricht gar nicht als schlimm auf, sondern kam auf eine andere Idee. »Wenn du willst, kann ich dich begleiten?«, schlug er lächelnd vor.

Mir wich die Farbe aus dem Gesicht. Er wollte mich begleiten? Das war ja grausam! Nein, es war toll, dass er mich begleiten wollte, aber er durfte nicht! Er sollte doch nicht herausfinden, wohin ich musste und vor allem nicht, was ich vorhatte!

Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. »Schon in Ordnung«, wehrte ich ab, »Es ist eine private Angelegenheit.«

»Ich verstehe«, seufzte er, »Aber wenn ich mich verlaufe, dann ist das deine Schuld.« Er vergrub seine Hände in den Hosentaschen und grinste. »Wir sehen uns hoffentlich wieder.«

Schweren Herzens sah ich dabei zu, wie eine weitere Möglichkeit, andere Leute kennenzulernen, einfach verstrich. Und Schuld daran war Warrin. Schuld daran war die Tatsache, dass ich mich der Sicherheit der Menschheit verpflichtet hatte. Weil es etwas so Bedeutendes war, konnte ich es verkraften, ihn gehen zu lassen. Aber ich konnte es nicht mehr verkraften, jeden Menschen, dem ich über den Weg lief, zu belügen.

Maisie und Caitlyn kannte ich erst zwei Stunden und hatte sie bereits belogen. Es war nicht schön, unehrlich zu sein. Aber ich hatte ja keine Wahl. Denn wenn ich ehrlich wäre, wüsste jeder, dass Warrin Chalmers der Superheld Mr. Ronnoc war. Und dann wüsste jeder, dass ich kein normaler Mensch war. Dass ich für immer dazu bestimmt war, eine Außenseiterin zu sein.

* * *

Als ich die Kanzlei betrat, war nur noch das Licht im Flur an, was mich darauf schließen ließ, dass Warrin unten auf mich wartete. Zögernd ging ich die Treppen herunter, gab den vierstelligen Code für die Tür ein und betrat die geheime Zentrale. Heute leuchtete sie in einem gespenstischen Blauton.

Meine Schritte waren auf dem grauen Marmorboden nicht zu überhören. »Warrin?«, fragte ich zögernd, weil ich ihn nirgendwo sah. Der helle Raum schien so ungewöhnlich ruhig. Sonst hallte hier immer Warrins Geschimpfe wider, wenn er mal wieder so enttäuscht von mir war.

Ich steuerte auf den riesigen Bildschirm zu, der immer noch an war. Ein Video lief, jedoch ohne Ton. Stille dominierte den weiten Raum.

Ich setzte mich an den Glastisch und griff nach der Fernbedienung, um den Ton heraufzuschalten, überlegte es mir aber doch anders, als ich die Bilder von der zerstörten Mall sah. Es ging in den Nachrichten also immer noch um den Attentat von gestern.

Seufzend legte ich die Fernbedienung weg. Sechs Tode, die ich hätte verhindern können. Die verzweifelten Schreie der Frau, der ich versucht hatte zu helfen, hallten immer noch in meinem Kopf wieder.

Warrin und ich konnten nicht jeden retten. Auch wenn wir unser Bestes gaben, es geschah manchmal trotzdem, dass Menschen aus dem Leben schieden. An diese Tatsache hatte ich mich zwar gewöhnt, aber es tat jedes Mal aufs Neue weh, einem Unschuldigen beim Sterben zuzusehen. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit versetzte mir immer wieder einen Stich.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now