o55. Nur eine kleine Absicherung

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Gegenwart

Erst als ich wieder die Augen öffnete, wurde mir klar, dass ich einfach eingeschlafen war. Müde wandte ich den Kopf zur Seite, um nach Warrin zu schauen, aber der Boden war mit Ausnahme von hässlichen Blutspuren leer. 

Ich schreckte nach oben. »Warrin!«, rief ich entsetzt und konnte nicht fassen, dass er weg war. Ich meine, ich hatte ihn genäht! Er konnte doch nicht einfach verschwunden sein.

»Ich bin hier, du Blindfisch«, hörte ich plötzlich seine Stimme gedämpft hinter mir.

Ich drehte mich um meine eigene Achse und sah meinen Chef am runden Glastisch sitzen. Er hatte sich weit nach hinten gelehnt und schien noch blasser geworden zu sein.

»Gott«, stöhnte ich und sprang auf, »Musst du mich so erschrecken? Wieso bist du nicht auf dem Boden liegen geblieben?«

Ich ging auf ihn zu und wollte das Hemd zur Seite schieben, aber er ließ es nicht zu. »Ich bevorzuge ein Bett«, meinte er trocken.

Ich spürte, wie ich rot wurde. Natürlich. Ein Bett. Warum war ich nicht früher darauf gekommen?

»Du brauchst dir die Wunde nicht nochmal anzusehen. Du hast gut genäht. Schätze, du wärst eine hervorragende Designerin«, stellte er mit einem leichten Lächeln fest, was mir mehr erzwungen als echt schien.

»Doch muss ich!«, erwiderte ich streng, da ich dieses Mal sofort die Wahrheit wollte und nicht, wenn es beinahe zu spät war. Ich zog das Hemd vorsichtig zur Seite und betrachtete die Naht. Sie sah in der Tat gut aus. Solange er nicht mehr blutete, hatte ich also alles richtig gemacht. Gut.

Plötzlich spürte ich Warrins Hand an meiner Wange. Überrascht blickte ich in seine dunklen Augen.

»Wie war das vorhin mit dem Aquamarin?«, wollte er auf einmal wissen und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

Ich verzog das Gesicht. »Ach, der Aquamarin?«, lachte ich nervös auf und wollte am liebsten weglaufen, »Den hat Thane.«

Warrins Griff um mein Gesicht wurde fester. Ich befürchtete das Schlimmste. Doch dann ließ er mich los. »Sehr schlecht...«, brachte er zögernd hervor, »...jetzt fehlt ihnen nur noch der Diamant.«

Ich setzte mich hin. »W-was?«, fragte ich erschrocken, »Nur noch?«

Warrin nickte langsam und versuchte die Schmerzen an seinem Bauch zu unterdrücken. »Reva und Thane brauchen nur noch ihn. Dann sind sie fertig mit ihren Raubzügen«, beantwortete Warrin meine Frage, »Ich brauchte lange, um herauszufinden, was genau die beiden planen, doch seit der letzten Begegnung ist es mir klar vor Augen. Und ich kann dir sagen, dass es keine besonders schöne Aussicht ist.«

»Als ich Reva auf dem Deck der Astoria aufhalten wollte, habe ich mit anhören müssen, was für grausame Pläne sie hat«, begann Warrin zu erzählen, »sie und Thane haben über eine Maschine gesprochen, die in der Lage ist, das ganze Stromnetz Chicagos lahmzulegen. Mit den fünf Edelsteinen als Antrieb kann diese Maschine jedoch die ganze Infrastruktur Amerikas zerstören. Sogar Teile Europas wären betroffen. Wenn sie den Diamanten also kriegen, würde die halbe Welt in Chaos und Zerstörung versinken.« Warrin schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was die beiden damit bezwecken wollen, aber wir müssen es um jeden Preis verhindern. Diese Juwelen sind der Schlüssel zu einer mächtigen Maschine. Kriegen wir den Diamanten vor ihnen, können wir die Welt vor dem Chaos bewahren. Andernfalls sind wir verloren.«

Ich blieb reglos auf meinem Platz sitzen. Warrins Worte hallten durch meinen Kopf und lähmten mich nahezu. »Aber das können sie doch nicht machen«, stöhnte ich und wollte mir gar nicht vorstellen, in was für ein Chaos die Welt zerfallen würde, wenn wir sie nicht aufhalten konnten. Ein Blitz allein konnte schon eine ganze Stadt ohne Strom dalassen, aber eine Maschine würde so viel mehr Schaden anrichten. Schaden, der Monate – nein, Jahre – bräuchte, um wieder beseitigt zu werden. Chicago, Amerika, die halbe Weltkugel war in Gefahr! Was war Sinn und Zweck dieser Zerstörungswut? Was brachte Reva und Thane dazu, überhaupt an etwas so Grausames zu denken? Wie sollten Warrin und ich sie aufhalten? War diese Aufgabe nicht viel zu groß für uns? Schafften wir das ohne Hilfe?

Blazing HeartWhere stories live. Discover now