o41. Wer ist hier der Schuldige?

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schien die gestrige Nacht für einen Moment nur ein Albtraum gewesen zu sein, dann wurde mir klar, dass sie bittere Realität gewesen war. Mühselig quälte ich mich aus meinem Bett und machte mich mit schwachen Kräften fertig.

Ich hätte meine Gefühle für Hanson nie zulassen dürfen. Ich hätte mich schlichtweg nicht in ihn verlieben dürfen. Betrübt machte ich mich fertig. Ich konnte ihm jetzt nie wieder unter die Augen treten. Und nach einem Date fragte ich ihn garantiert nicht mehr. Ich wollte einfach nur noch weg von hier. Ich war nämlich ein unheimlich egoistischer Mensch. Ich dachte nur an meine eigenen Gefühle und gar nicht daran, wie es Hanson mit dem Tod seiner Großmutter erging. Ja, ich war grausam.

Seufzend schlüpfte ich in meine warme Strumpfhose und den dicken Pullover, den ich mit Maisie gekauft hatte. Ich musste hier schleunigst weg und hoffen, dass Warrin wieder da war. Oder dass es Maisie mit ihrem Liebeskummer besser ging. Was war denn mit allen los? Ich hatte das Gefühl, dass jeden etwas bedrückte.

Hastig zog ich mir meine Jacke über und schlüpfte in meine Stiefel. Dann nahm ich meine Tasche und eilte zur Tür raus. In Sekundenschnelle rannte ich die Treppen herunter und stieß die Tür nach draußen auf. Eiskalte Luft kam mit entgegen und erfüllte mich mit einem Schaudern.

Ich wollte schleunigst hier weg, doch die Morgenzeitung, die auf der Fußmatte lag, ließ mich erstarren. Mit geweiteten Augen blickte ich auf die fettgedruckte Schlagzeile:

»DIEBSTAHLSERIE GEHT WEITER: Millionenedelstein aus Villa gestohlen!«

Ich schlug die Hand vor den Mund. Oh, nein! Während ich vollkommen abgelenkt war, hatten Thane und Reva erneut zugeschlagen! Neben der Schlagzeile war ein hellblauer Edelstein in der Größe einer Nuss abgebildet. Ein Aquamarin. Gar nicht gut.

Sofort bückte ich mich, hob die Zeitung auf und rannte los. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich noch hatte. Es wäre hilfreich, wenn ich wüsste, wozu Thane und die Schwertdame diese Edelsteine benötigten, aber noch hilfreicher wäre es, zu wissen, wo Warrin steckte. Er musste in der Kanzlei sein! Wenn nicht, dann war ich aufgeschmissen!

* * *

Als ich total aus der Puste an der Kanzlei ankam, war die Tür tatsächlich offen. Sofort trat ich rein und stürmte den Flur zu Warrins Büro. Meine Hoffnungen waren ganz groß, doch als ich die Tür aufriss, saß dort nur Elianna. »Hey...«, begrüßte sie mich mit einem schüchternen Grinsen.

Sofort machte ich auf Absatz kehrt und stürzte stattdessen in den Keller. Die Kanzlei war offen, also musste Warrin da sein. Mit hektischen Bewegungen gab ich den vierstelligen Code für die Tür ein.

»Komm schon!«, stöhnte ich, als ich mich einmal vertippte. Dann ging endlich die Tür auf und das Erste, was ich sah, war mein Chef, der mit einem Kaffee in der Hand am Glastisch stand. »Oh, mein Gott!«, quietschte ich erleichtert, »Du bist da!«

Warrin stellte seine Tasse auf dem Tisch ab. »Sehr früh bemerkt«, brummte mein Chef in demselben missgelaunten Ton wie immer.

Ich konnte nicht anders als auf ihn zuzulaufen und ihn sofort ganz fest zu umarmen. Warrin erwiderte meine Umarmung nur widerwillig. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht!«, seufzte ich und war fast den Tränen nahe. Nein, ich hatte mir nicht nur Sorgen gemacht, ich war fast krank vor Sorgen geworden!

Ich löste mich wieder von Warrin und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wo zum Teufel warst du die ganze Zeit? Ich hatte schon Angst, du wärst verblutet oder so!«

Warrin sah mich einen Moment still an, dann schüttelte er den Kopf. »Es ist besser, wenn du nichts weißt«, erwiderte er in ernstem Ton.

Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Was?«, fragte ich verständnislos, »Wieso?!« Das durfte doch nicht sein. Warrin verschwand einfach mal zwei Tage und dann durfte ich nicht mal wissen, warum?!

»Du würdest es nicht verstehen«, meinte Warrin knapp und wandte sich wieder seinem Kaffee zu.

Nicht mit mir! »Sag mir sofort, was los ist und wo du warst!«, forderte ich Warrin auf, »Mir ist scheiß egal, ob ich es nicht verstehen würde oder nicht! Ich will einfach nur die Wahrheit wissen.«

Warrin rollte mit den Augen. »Gut«, seufzte er dann, »Ich habe dich aber gewarnt.«

Er griff in seine Hosentasche und warf mir etwas zu. Ich ließ die Zeitung fallen, um es zu fangen.

Als ich es in meinen Händen hielt, konnte ich nicht glauben, was ich da sah. Mit offenem Mund blickte ich auf den etwa nussgroßen Aquamarin in meiner Hand.

Oh... mein... Gott!

»Du hast ihn geklaut?«, fragte ich entsetzt, »Du warst derjenige, der ihn gestohlen hat?! Nicht Thane oder Reva?«

Warrin nickte, was mir Bauchschmerzen bereitete. Ich hielt die dünne Kette, an der der Aquamarin hing, hoch. »Wieso?«, fragte ich verbittert und verwirrt zugleich. Wirklich Warrin war in diese Villa eingebrochen?

Mein Chef setzte sich an den Glastisch und schien die Ruhe in sich selbst zu sein. »Weil Reva und Thane ihn sonst geklaut hätten«, erwiderte er ungerührt.

Ich ging auf ihn zu und legte den Edelstein auf den Tisch. »Das ist doch kein Grund!«, sagte ich immer noch vollkommen schockiert, »Klauen ist falsch! Das weisst du ganz genau! Ich meine hallo, du bist Mr. Ronnoc!«

Warrin seufzte auf. »Verena, das war meine wahrscheinlich letzte Chance Grausames zu verhindern, weil du das Collier im Meer verloren hast.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Jetzt bin ich wieder schuld, oder was?«, fragte ich in patzigem Ton.

Mein Chef rührte mit dem Silberlöffel in seiner Tasse herum. »Irgendjemand muss ja schuld sein«, erwiderte er kalt.

Wow. Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt, oder? Wieso wollte ich nochmal, dass Warrin zurückkam?

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Es war Thanes Schuld!«, brachte ich zähneknirschend von mir.

Wie gerne ich dem Kerl eine Lektion erteilen wollte. Aber wir wussten alle, dass ich dazu nicht in der Lage war. Zum einen war Thane viel stärker als ich und zum anderen war ich manchmal viel zu nett.

»Was hat Reva gesagt, dass du sofort verschwunden musstest?«, fragte ich Warrin jetzt in ruhigerem Ton und fuhr mir mit der rechten Hand durchs Gesicht. Irgendetwas musste sie ja gesagt haben, sonst hätte Warrin sich letztens nicht so merkwürdig verhalten.

Der Superheld zuckte mit den Schultern. »Nicht, was relevant sein könnte«, erwiderte er.

Ich kniff die Augen zusammen. Lüge.

»Wieso willst du mich nicht einweihen?«, fragte ich missgelaunt, »Es ist doch für alle Beteiligten einfacher, wenn du mich einweihst!«

Warrin sah mich einen Moment nur an. Ich hatte das Gefühl, er schien wirklich zu überlegen. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Verena«, sagte er dann in todernstem Ton, »Ich will nicht, dass du dir darüber Gedanken machst. Es würde dir nicht guttun.«

Ich stockte. Was war das denn? Es würde mir nicht guttun? Machte sich Warrin gerade tatsächlich Sorgen über mein Wohl?

Er erhob sich von seinem Platz und nahm den Aquamarin in seine Hand. Im Licht gab er einen schönen Schimmer von sich und tauchte den Raum in ein schönes Blau. Warrin kam auf mich zu und stellte sich hinter mich. Dann legte er mit den Edelstein um den Hals. Mich durchfuhr ein Schauder, als er die Kette in meinem Nacken zusammenschloss. »Was soll das?«, fragte ich unsicher, »Wieso gibst du mir den Edelstein?« Ich drehte den Kopf zu Warrin hoch und fühlte mich bei dem Gedanken Diebesgut an meinem Hals zu tragen schlecht.

Warrins Blick war eindringlich. »Weil ich weiß, dass du gut auf ihn aufpassen wirst. Genauso wie auf deine kleine Münze.«

Ich schluckte schwer.

Blazing HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt