o31. Tiefe Gefühle auf hoher See

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»Wann kommt eigentlich deine Großmutter zurück?«, fragte ich in die Stille hinein, während wir auf das Meer hinausschauten. Es war ganz ruhig, die Musik vom Saal nahm man kaum wahr und wenn doch, dann nur ganz leise im Hintergrund.

»In zehn Tagen...«, murmelte Hanson.

»Bleibst du bei ihr oder suchst du dir eine eigene Wohnung?«, fragte ich und lehnte mich weiter nach vorne.

»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte Hanson und fuhr sich durchs Haar und sah mich an, »Vielleicht breche ich mein Praktikum samt Studium ab und gehe wieder zu meinen Eltern.«

Entsetzt schreckte ich hoch und starrte ihn ungläubig an. »Was?«, fragte ich mit großen Augen, »Du gehst wieder zurück?« Ich konnte nicht glauben, was er da von sich gab! Hanson lebte erst seit wenigen Wochen hier in Chicago und schon sollte er wieder verschwinden?

Hanson zuckte mit den Schultern und legte die Arme über die Reling. »Keine Ahnung... ich weiß einfach nicht, wie es mit meiner Zukunft weitergehen soll.«

Bei dem Gedanken, dass er so schnell wieder verschwinden konnte, wie er gekommen war, wurde mir schlecht. »Du darfst nicht gehen!«, sagte ich entsetzt, »Du bist doch erst gerade gekommen. I-ich konnte dich nicht einmal richtig kennenlernen!«

Erst als Hanson mich überrascht ansah, wusste ich, was ich soeben von mir gegeben hatte. Sofort senkte ich den Blick und starrte beschämt zu Boden. »I-ch meine, du bist doch gerade erst nebenan eingezogen...«, erwiderte ich leise und verstummte schließlich ganz.

»Verena, meine Pläne sind doch noch nicht fest«, aufmunternd grinste Hanson mich an, wenn auch schwach, »Ich warte erst einmal ab. Vielleicht bringt die Praxisphase doch noch Überraschungen mit sich.«

»Wirklich?«, fragte ich, da ich mir nicht so sicher war, ob er das ernst meinte oder nur so sagte. Sie verschwanden immer viel zu schnell. Die Leute, aus denen sich eigentlich Freundschaften entwickeln sollten. Selten war jemand wie Hanson noch da und hatte mich bei den ersten Merkwürdigkeiten nicht schon im Stich gelassen. Mich wieder alleine gelassen. 

»Wirklich!«, beteuerte Hanson und stellte sich dicht zu mir. »So schnell wirst du mich nicht los«, grinste er mit einem verschmitzten Lächeln an, das in mir eine angenehme Wärme auslöste.

Moment, mal! Wärme?

Sofort hielt ich inne und spürte, wie sie meinen ganzen Körper ganz langsam einnahm. Anstatt Kälte war da plötzlich diese unheimliche Hitze.

Verdammt! Noch einen ungünstigeren Moment hätten sich Thane und die Schwertdame wohl nicht überlegen können!

Ich wollte mir eine Ausrede einfallen lassen und schnell zu Warrin laufen, aber plötzlich sah ich etwas, das mich zum Stocken brachte.

Hinter Hanson bewegte sich jemand mit langsamen Schritten in unsere Richtung und sein Gesicht zu sehen erfüllte mich mit Schaudern. Es war nicht Thane, sondern der Mann, der mich schon zwei Mal verfolgt hatte!

Da ich auf keinen Fall wollte, dass er mich sah, blickte ich in alle Richtungen, um den schnellsten Fluchtweg auszumachen. Aber es hatte keinen Sinn! Er würde mich sehen, wenn er das nicht schon getan hatte!

»Ist was?«, fragte Hanson sichtlich irritiert und griff nach meiner Hand.

Ich verkrampfte dadurch nur noch mehr. »Ich...«, brachte ich stockend hervor und rückte dann mit der Wahrheit heraus, »Weißt du noch der Mann, der mich verfolgt hat? Er ist hier!«

Hanson wollte sich umdrehen, aber ich hinderte ihn daran, indem ich meine Hände auf seine Schultern legte. »Nicht umdrehen! Das ist zu auffällig!«

Blazing HeartWhere stories live. Discover now