o17. Neue Heimat, alte Probleme

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Sofort schreckte ich zurück. »T-tut mir leid!«, stotterte ich und spürte, wie mir augenblicklich das Blut in die Wangen stieg.

Hanson kratzte sich am Hinterkopf. »Also gestern hast du mich versetzt und heute umarmst du mich?«, fragte er und verzog das Gesicht, »Ich dachte wirklich, ich würde Frauen verstehen, aber anscheinend ist das doch nicht der Fall.«

Nervös lachte ich auf. Ich war eben kompliziert - sehr kompliziert, um genau zu sein.

Ob er bemerkt hatte, dass mein Körper eiskalt war? Wahrscheinlich nicht, ich trug Jacke und Handschuhe. Noch dazu hatten wir Herbst.

»Es tut mir so leid, dass ich gestern nicht erschienen bin...«, murmelte ich, um die peinliche Stille, die entstanden war, zu beenden, »...aber anscheinend hattest du ja sowieso schnell Ersatz gefunden.« Ich blickte zu Boden. Ich schämte mich dafür, dass ich aller Ernstes gedacht hatte, Hanson wolle mit mir ausgehen.

»Ersatz?«, fragte Hanson verwirrt, »Meinst du meine Cousine?«

Überrascht blickte ich in seine blauen Augen. »D-deine Cousine?«

»Ja, meine Cousine. Sie ist extra aus Northbrook hergekommen, weil du mich... naja, versetzt hast«, erwiderte Hanson und neigte den Kopf zur Seite, »Du hast doch nicht etwa gedacht, ich gehe mit einer Anderen aus?«

Ich presste die Lippen zusammen und musste mich beherrschen nicht vor Scham im Boden zu versinken. Seine Cousine! Die Frau, die gestern bei ihm gewesen war, war seine Cousine! Konnte ich eigentlich überhaupt etwas?!

»Wieso hast du mich sitzengelassen?«, wollte Hanson nun wissen. Seine blauen Augen trugen einen Hauch von Enttäuschung in sich.

Ich seufzte auf. Genauso war es immer, wenn ich neue Leute kennenlernte. Aus mysteriösen Gründen verschwand ich und dann musste ich immer Lügen auftischen, die irgendwann nur noch aussahen wie miese Ausreden, jemanden aus dem Weg zu gehen.

»Sei nicht sauer...«, ich fuhr mir nervös durchs Haar, »...aber... eine Freundin hatte Liebeskummer. Ich musste eben... für sie da sein.«

Ich hasste es jedes Mal aufs Neue zu lügen, aber was sollte ich sagen? Dass ich die ganze Nacht vor dem Museum verbracht hatte, um einen Dieb mit meinen übermenschlichen Fähigkeiten ausfindig zu machen?

»Das nächste Mal kannst du mir das vorher sagen«, erwiderte er seufzend und gab mir plötzlich sein Handy.

Überfordert nahm ich es an. Er wollte, dass ich meine Nummer einspeicherte? Also war er gar nicht sauer? Und viel wichtiger: Er glaubte meine Lüge?

Seine nächste Frage warf mich so dermaßen aus der Bahn, dass ich beinahe sein Handy fallen ließ. »Und warum genau hast du mich umarmt?«, wollte er mit einem Lächeln auf den Lippen wissen, »Also nicht, dass es mich stören würde. Es kam nur ziemlich überraschend.«

Nervös lachte ich auf. »Weil ich glücklich war dich zu sehen und dir endlich alles erklären zu können«, grinste ich so dermaßen übertrieben, dass meine Mundwinkel bereits anfingen zu schmerzen. Ich log ihm eiskalt ins Gesicht. Und mit jeder Sekunde schienen es noch mehr Lügen zu werden. Ich musste aufpassen, dass ich mich in meinem Netz aus Lügen nicht verstrickte.

»Aber du-«, wollte Hanson ansetzten, doch ich schnitt ihm sofort das Wort ab, »Ja, ich weiß. Ich hatte es ein bisschen eilig! Deshalb bin ich in dich reingelaufen«, sagte ich schnell, »Was machst du eigentlich hier?«

Ablenken. Immer schön vom eigentlichen Thema ablenken.

Hanson fuhr sich durch das blonde Haar. »Ich komme gerade von der Praxisphase...«, seufzte er unzufrieden, »...ich glaube, meine Ansprüche sind zu hoch.«

Blazing HeartWhere stories live. Discover now