o28. Glitzer, Geld und alte Gefühle

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»Wir müssen um jeden Preis versuchen nicht aufzufallen. Wenn du merkst, dass Thane und seine Komplizin zuschlagen wollen, dann machst du mich darauf aufmerksam. Du bringst dich nicht selbst in Schwierigkeiten, verstanden?« Warrins Blick war auf die Straße fokussiert.

Die Nacht war noch jung. In zehn Minuten war Empfang. Ich war mir sicher, dass dieser Abend ein sehr langer werden würde.

»Und was ist, wenn sie die Fürstin einfach angreifen?«, fragte ich unsicher. Ich konnte es ja schlecht einfach geschehen lassen.

Warrin seufzte auf. »Dann machst du trotzdem nichts Unüberlegtes. Ich bin doch da.«

Ich hatte immer noch Bedenken wegen unseres Plans. Im Prinzip konnten wir nichts tun, solange nichts geschah. Wir wussten nicht, wie die Schwertdame aussah oder wann sie wieder zuschlagen wollte.

»Unser einziger Anhaltspunkt ist Thane«, sagte ich in unzufriedenem Ton und hatte gar keine Lust, ihm heute Abend womöglich erneut zu begegnen. Er konnte mir wirklich erspart bleiben.

»Wenn ich ihn nur wahrnehmen könnte!«, beschwerte ich mich. Er könnte jede Sekunde wie aus dem Nichts auftauchen! Genauso wie letztes Mal. Ich schätzte, so fühlten sich normale Menschen, wenn urplötzlich ein Dieb oder Mörder aufkreuzte - überrumpelt und entsetzt.

Warrin bog ab, als das Schild Burnham Harbor zu sehen war. Er parkte relativ weit außen, sodass wir die paar Meter zum Schiff gehen mussten.

Es war eine ruhige Nacht. Kein Wind wehte. Es war kühl. Aber wie bekanntlich war das die Ruhe vor dem Sturm.

»Wenn jemand mit dir spricht, stellst du dich ihnen vor«, sagte Warrin in ernstem Ton, »Und dann nennst du meinen Namen. Die Leute hier aus Chicago werden mich kennen.« Das würden sie in der Tat. Warrins Anwaltskanzlei war nicht gerade unbekannt. Man konnte sagen, dass Warrin sowohl als Anwalt als auch als Held bekannt war.

»Gut...«, erwiderte ich und seufzte auf. Ich wusste ja, dass das mit dieser Versteigerung nicht unbedingt einfach werden würde, aber dass es dann doch so kompliziert war, hätte ich nicht gedacht. Ich musste auf alles Mögliche achten. Der kleinste Fehler konnte mir zum Verhängnis werden. Wir wussten ja nicht wie die Schwertdame vorgehen wollte. Vielleicht stürmte sie ja sogar sofort die Veranstaltung mit ihren Messerschneiden? Wie der Abend heute enden würde, stand wahrhaftig in den Sternen. Da konnte mir nicht einmal meine kleine Münze helfen. 

Das Kreuzfahrtschiff erstreckte sich in voller Größe vor uns, als wir näher heranschritten. Astoria stand quer über dem zehndeckigen Schiff. Ich war schon einmal auf einem Schiff gewesen, aber dieses hier war gleich mehrere Nummern größer. Zu dieser Versteigerung kamen sicherlich nur Leute, die auch über unheimlich viel Geld verfügten. Dagegen wäre selbst Warrins Vermögen ein Witz. Ich meine, der Diamant von Sierra Marié wurde versteigert! Ich hatte mir gestern noch mehr Bilder im Internet angeschaut und der Wert kam über die Millionen. Da wurde mir ganz schwindelig bei dem Gedanken, gleich inmitten der Superreichen zu stehen.

Warrin legte seine Hand um meine Taille und zog mich näher an sich heran, als wir das Schiff über die große Treppe betraten. Obwohl ich es gewöhnt war seine Begleitung zuspielen, war es immer wieder merkwürdig.

»Stell dir vor, Thane und die Hexe kreuzen doch nicht auf...«, murmelte ich, »...was machen wir dann? Vielleicht haben sie ja schon genug Edelsteine.«

Warrin schüttelte den Kopf. »Wir können nur hoffen, dass das nicht der Fall ist. Sonst werden wir nie herausfinden, was sie eigentlich wollen.«

Ich lief still neben Warrin Richtung Schiffsbug. Er hatte Recht. Wenn sie heute nicht kamen, dann wüssten wir nie, was genau hinter den Diebstählen steckte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Thane und seine Komplizin sie verhökerten. Da würde ja sofort auffallen, dass die Edelsteine in Wahrheit geklaut waren.

Warrin und ich gingen in das Innere des Schiffes, vorbei an allen möglichen Geschäften, Cafés und Möglichkeiten zur Beschäftigung. Wow, dieses Schiff hatte ja so Einiges zu bieten. Dann sah ich endlich das Schild. »Einzigartige Versteigerung mit Schätzen aus aller Welt mit Blick auf das Meer«, stand dort genauso wie auf dem Plakat, das Warrin mir vor einigen Tagen gezeigt hatte. Am Eingang standen direkt zwei Securitymänner. Gut, dass darauf geachtet wurde, wer rein durfte und wer nicht. Wenn das aber für mich und Warrin kein großes Hindernis war, dann würde es auch keins für Thane und die Schwertlady sein.

Als wir den großen Saal betraten, wurden wir direkt mit Sekt empfangen. Ich musste sagen, dass das Schiff von innen noch viel schöner aussah als von außen. Der Saal war in ein festliches Ambiente getaucht. Die Fenster, die von der Decke bis zum Boden gingen, waren mit bordeauxfarbenen Vorhängen umrahmt. Goldene Schnüre zogen sich in den Mitten und bildeten ein schönen Kontrast. Der Blick aufs Meer war unbezahlbar. Man konnte sogar raus und es direkt bestaunen. Am liebsten hätte ich Warrin sofort dahingezerrt, aber es ging bei dieser ganzen Sache ja nicht um unser eigenes Vergnügen, sondern um die geheime Mission.

Ich blickte zu den mit weißen Hussen überzogenen Stühlen, die in mehreren Reihen zur kleinen Bühne und den Vitrinen mit den Schätzen standen. Noch saß niemand. Die Gäste kamen nach und nach herein und begnügten sich am Sektempfang. Leise klang klassische Musik im Hintergrund und erfüllte den weiten Saal mit einer lieblichen Atmosphäre. Ein Herr saß am Klavier und wurde von zwei Frauen an der Violine begleitet. Ich sah zum großen freien Bereich, der offensichtlich als Tanzfläche dienen sollte. Für die Zeit nach der Versteigerung war eine elegante Feier vorgesehen.

Apropos elegant: Die Kleider, die einige Frauen hier trugen, waren der Traum! Manche sahen aus wie wahre Designerstücke und waren mit Glitzer und Edelsteinen verziert. Ich sah zu Warrin hoch und war ein bisschen überwältigt von dieser Exklusivität. Ich fühlte mich in diesem ganzen Getümmel von teurem Schnickschnack ein wenig Fehl am Platz.

Warrin dagegen schien nur Augen für die Gäste zu haben. »Ich glaube, wir sollten uns ein wenig unter das Volk mischen«, sagte er mit einem Glänzen in den Augen und nahm zwei Gläser Sekt entgegen. Eins drückte er mir in die Hand, vom anderen nahm er einen Schluck und führte mich dann zu einer Frau und ihrem Ehemann. Er schien offensichtlich zu wissen, um wen es sich bei den beiden handelte, aber ich hatte keine Ahnung. Ich für meinen Teil hoffte nur, dass ich mich nicht durch irgendwelche blöden Missgeschicke total blamierte. 

* * *

»Entzückendes Kleid, was Sie da anhaben«, grinste mich die Dame in rotem Satinkleid an und hielt die Hand ihres Mannes, »Nicht wahr, Jeffrey?« Dieser nickte.

Verlegen strich ich mir eine Locke aus dem Gesicht. »Dankeschön«, grinste ich die beiden an und blickte zu Warrin, der ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen trug. Oh, das war ja mal was ganz Neues. Vielleicht hatte ich mich ja mit diesem Kleid heute Abend wirklich selbst übertroffen?

Die Frau, mit der wir uns unterhielten, hatte sich als eine von Warrins ehemaligen Mandantinnen, Mrs. Adair, herausgestellt. Gemeinsam war sie mit ihrem Mann zu dieser Veranstaltung gekommen, weil sie Interesse an einer antiken Krone hatte und natürlich – wie sollte es denn auch anders sein? – eine Menge Geld besaß.

Ich warf schnell einen flüchtigen Blick zum Eingang, wo noch mehr Gäste den Saal betraten. Kein Thane. Während Warrin es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Schwertdame ausfindig zu machen, durfte ich nach Thane Ausblick halten. Schließlich wussten wir ja jeweils nicht, wie die andere Person aussah.

»Mr. Chalmers, wieso haben Sie mir nicht erzählt, dass Sie eine so bezaubernde Freundin haben«, fragte Mrs. Adair plötzlich mit einem strahlendem Grinsen und sah zwischen uns beiden her.

Im ersten Moment wollte ich loslachen, aber dann schaute ich zu Warrin hoch und wartete seine Reaktion ab. Nicht, dass er mir am Ende den Kopf dafür abhakte, dass ich seine Pläne ruinierte!

Warrin verstärkte den Griff um meine Taille und zog mich näher zu sich heran. »Es ist noch frisch«, erwiderte er, »Wir wollten damit nicht sofort an die Öffentlichkeit.«

Ich spürte, wie ich leicht errötete. Diese Worte hatten wirklich leicht seine Lippen verlassen. Wir spielten nicht selten Freund und Freundin, wenn es darum eine Mission zu erledigen, aber es war mir immer wieder ein wenig unangenehm. Es erinnerte mich an Zeiten, in denen ich wirklich Gefühle für diesen Mann gehabt hatte. An Zeiten, in denen ich ihn aus tiefstem Herzen geliebt hatte. Ich mochte ihn heute zwar immer noch, wie man das eben mit Leuten tat, mit denen man viel Zeit verbrachte, aber mittlerweile konnte er mich nur noch zur Weißglut bringen.

Blazing HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt