o21. Lügen, Lügen und noch mehr Lügen

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Ein Summen brachte mich am nächsten Morgen aus meinen unschönen Träumen. Blind tastete ich nach meinem Handy und versuchte den Namen auf dem Display zu erkennen.

Maisie.

Wieso rief sie mich an? Und noch dazu so früh? Ich rieb mir die Augen und schlüpfte in meine Hausschuhe. Wie viel Uhr hatten wir eigentlich?

Als ich auf die Uhr starrte, ließ ich vor Schock mein Handy fallen. Mit offenem Mund blickte ich auf den dicken Zeiger, der bei der vier stand. Es war bereits 16 Uhr? Ich hatte fast zwölf Stunden geschlafen?! Panisch stand ich auf und raste ins Badezimmer.

Das Date! Das Date mit Hanson!

Er würde mich um... 22 Uhr abholen. Ich verlangsamte mein Tempo wieder. Stimmt, erst um zehn. Ich hatte also doch noch genug Zeit. Erleichtert ging ich in die Küche und machte mir erst einmal einen Tee. Dann ging ich in mein Zimmer und hob mein Handy wieder auf, um Maisie zurückzurufen. Dass sie nach allem immer noch mir mir sprechen wollte, war doch ein gutes Zeichen, oder? 

»Ach, das Date fand also gar nicht statt?«, fragte Maisie verwundert, nachdem ich ihr erklärt hatte, dass kurzfristig etwas dazwischen gekommen war.

Ich presste die Lippen zusammen. »Nein, das war auch der Grund, wieso ich plötzlich so schnell weg musste«, brachte ich unsicher hervor. Hoffentlich glaubte sie mir.

»Oh, ach so ist das«, erwiderte die Brünette am anderen Ende der Leitung, »Ich hatte schon Angst, dass ich dich irgendwie verschreckt habe.«

Ich lachte auf. Denn genau diese Angst hatte ich gehabt. »Alles in Ordnung«, grinste ich, »Du warst nicht das Problem. Es war lustig mit dir Shoppen zu gehen. Dein Geschmack gefällt mir.« Ich setzte mich aufs Sofa und legte eine Decke über meine Beine.

»Danke«, kicherte Maisie, stockte dann jedoch, »Aber was ist jetzt mit dem Date?!«

Mein Grinsen wurde breiter. »Hanson hat mich gefragt, ob wir es nicht nochmal versuchen wollen!«, erzählte ich aufgeregt, »Er holt mich um zehn ab.«

Maisie freute sich unheimlich für mich. »Das ist ja super!«, rief sie aufgeregt, »Und wohin geht's?«

Ich biss mir auf die Lippe. »Ins Green Mill.«

Ich war zwar immer noch nicht begeistert, dass es in einen Club ging, aber solange es ein Date war, war mir das egal.

»Uuuh!«, sagte Maisie in einem freudigem Ton, »Dann sieht man sich ja heute Abend vielleicht!«

Mir klappte der Mund auf. »Was? Wirklich?«, fragte ich überrascht, »Du wirst heute Abend auch dort sein?«

Maisie lachte auf. »Ja. Partys sind eigentlich nicht so mein Ding, aber Caitlyn will unbedingt hin und Männer aufreißen.«

So war das also. Ich verabschiedete mich von Maisie und stand wieder von der Coach auf. Hoffentlich klappte heute Abend alles und ich machte mich vor Hanson, Maisie und Caitlyn nicht zur Schnecke. 

* * *

Zum zehnten Mal diesen Abend strich ich meine Haare glatt. Wie ich es hasste, wenn mein von Natur aus lockiges Haar nicht auf mich hören wollte! Das Glätteisen war mittlerweile eine geschlagene Stunde in Benutzung und machte seinen Job mehr oder weniger gut. Ich gab die Hoffnung auf und steckte die zwei vorderen Strähnen mit einer Spange auf meinem Hinterkopf fest. So hielt das jetzt hoffentlich.

Ich machte zwei Schritte zurück und betrachtete mich im Spiegel. Meine braunen Augen umrahmte jeweils nur ein feiner Eyelinerstrich, ich wollte es nicht übertreiben. Der eng anliegende graue Pullover betonte meine Figur und beschützte mich in Kombination mit der dicken schwarzen Strumpfhose vor noch mehr Kälte. Die schwarzen Stiefel mit dem Absatz rundeten das Outfit perfekt ab.

Ich fuhr mir einmal durch die Längen. Das musste jetzt passen. Mehr Zeit hatte ich sowieso nicht. Es war fast zehn Uhr.

Schnell packte ich meine kleine Handtasche und warf einen letzten Blick auf meine Armbanduhr. Keine Nachricht von Warrin. Ob es ihm gut ging oder nicht, stand also noch infrage. Nicht zu wissen, was mit ihm war, beruhigte mich nicht gerade. Hastig zog ich meine Jacke an. Aber damit musste ich mich jetzt wohl abfinden.

Ehe ich meine Handschuhe anziehen konnte, klopfte es an der Tür. Mein Herz machte für einen Moment einen Aussetzer. Ich war nicht nur nervös, sondern richtig nervös! Ich war lange nicht mehr auf einem Date gewesen. Hoffentlich klappte alles. Ich mochte Hanson nämlich wirklich sehr.

Ich atmete einmal tief ein und aus, dann machte ich die Tür auf. Mein Herz rutschte mir in die Hose, als ich in Hansons wunderschönen blauen Augen blickte.

»Hey«, grinste er mich an.

»Hey...«, erwiderte ich eine Spur zu verträumt. Sofort räusperte ich mich. »Ich meine, hallo! Toll, dass wir... eh... dieses Mal wirklich ausgehen! Du weisst schon, weil ich letztes Mal-« Ich hörte auf zu reden und wollte mir am liebsten auf die Stirn hauen. Wieso warf ich immer nur so merkwürdig?

Hanson lachte auf. »Schon gut. Du siehst übrigens toll aus.« Als sein Blick an mir herunter wanderte, stieg mir das Blut in die Wangen. 

»D-danke!«, brachte ich stotternd hervor, »Du auch!«

Hanson schenkte mir ein unwiderstehliches Grinsen. »Danke.«

Ich hielt die Luft an und spürte, wie meine Haut anfing zu prickeln. War es möglich, dass ich einfach wegschmolz, wenn er nicht aufhörte, so perfekt auszusehen?

Zu meiner Überraschung gingen wir nicht zu Fuß zum Green Mill, sondern fuhren hin. Es war ein merkwürdiges Gefühl in Hansons schicken Wagen zu steigen. Ich fühlte mich nicht unwohl, aber ich wollte nichts falsch machen und genau das blockierte mich. Meistens musste ich auf ein Date hoffen. Dass jemand mich fragte, war eine Seltenheit.

Ich schnallte mich an und sah Hanson dabei zu, wie er den Motor startete. »Wie läuft die Praxisphase?«, fragte ich, um mich mal ein bisschen lockerer zu machen.

Hanson seufzte auf. »Frag lieber nicht«, erwiderte er mit Enttäuschung in den Augen und setzte zurück.

»Ist es so schlimm?«, hakte ich nach.

Hanson fuhr los. »Schlimm ist gar kein Begriff! Ich finde es grausam. Das Schlimmste ist, dass ich es erst jetzt bemerke.«

Ich verzog das Gesicht. »Das hört sich wirklich nicht gut an. Willst du mir erzählen, was dir nicht gefällt?« Wenn es jemanden gab, der unzufrieden war, mit dem, was er machte, dann war ich das. Ich wollte auch studieren oder eine Ausbildung machen, aber Warrin raubte mir jegliche Zeit. Nein, er ließ es nicht einmal zu!

Hanson sah fokussiert auf die Straße. »Nein, lieber nicht. Ich will jetzt wirklich nicht daran denken. Wie geht es deiner Freundin mit ihrem Liebeskummer?«

Ich runzelte die Stirn. »Was für eine Freundin?«

Im selben Moment fiel mir wieder ein, dass ich ihm letztes Mal ja eine Lüge aufgetischt hatte. Verlegen lachte ich auf. »Ach, der Freundin! Ihr geht's besser!«

Ich verkrampfte am ganzen Körper. Gott, ich sollte mir echt aufschreiben, wenn ich mal wieder jemandem eine Lüge auftischte. Zumal erzählte ich jeder Person eine andere.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Hanson bei der nächsten roten Ampel.

Hastig nickte ich. »Alles super.«

Unzufrieden wandte ich den Blick aus dem Fenster. Ich wollte nicht lügen! Ich wollte ehrlich sein! Am liebsten wollte ich zur ganzen Welt herausschreien, wer ich war. Aber ich hatte wirklich keine Lust auf Stress mit dem Staat, dem FBI, anderen Geheimorganisationen und verrückten Ärzten.

Oh, ja, besonders Letztere konnten mir gestohlen bleiben.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now