o70. Helden töten nicht, oder etwa doch?

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Warrins Worte waren wie ein Schlag in die Magengrube. Ich wollte ihm kein Wort glauben, aber allein sein Auftreten sprach Bände. Er würde niemals so ungepflegt herumlaufen, niemals sein Hemd nicht richtig zuknöpfen, niemals die Haare ungekämmt lassen.

Ich verfiel in einen Moment der Fassungslosigkeit. Das durfte nicht sein. Nicht jetzt. Wie sollte ich ihm den jetzt mit meinem Problem unter die Augen treten? Seins war viel schlimmer! Ohne das Fliegen war Mr. Ronnoc nicht mehr Mr. Ronnoc. Ohne seine Kraft konnte er nicht mehr der Held der Stadt sein. Ohne ihn konnten wir Reva und Thane nicht aufhalten. Wir hatten so gut wie verloren.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stöhnte ich und spürte, wie auch die letzte Erinnerung an Freude verstrich. Ich hatte nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte. Ich konnte nur noch in die Schneide von Revas Messer laufen.

»Tagelang habe ich die Schuld auf dein Nähen geschoben«, gab Warrin verzweifelt zu, »Aber die Wunde ist am Verheilen. Du hast alles richtig gemacht. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«

Ich presste die Lippen zusammen. Das beschrieb auch meine Gefühlslage perfekt. Ich hatte tagelang nichts als Eiseskälte gespürt. Fast schon hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr in der Lage war das Böse wahrzunehmen. Tag für Tag hatte ich mir nämlich ein Verbrechen gewünscht. Eins, das so schlimm war, dass es mich in Brand setzen würde. Und immer wieder hatte ich mich dabei ertappt und mich furchtbar gefühlt. Ich wollte nicht, dass jemanden etwas Furchtbares zustieß. Das war das Letzte, was ich wollte. Aber mein Körper durstete danach. Und dafür verfluchte ich ihn.

Plötzlich erklang ein schriller Schrei. Er war so laut, dass er mich bis ins äußerste Mark erschütterte. Ja, nach genau sowas durstete mein Körper! Menschen in Gefahr.

Meine Mundwinkel zuckten nach unten. Entsetzt blickte ich in Warrins Augen, was er ebenso erwiderte.

Dann rannte ich los. In Sekundenschnelle riss ich die Tür auf und rannte die Treppen hoch. Erneut hörte ich Elianas angsterfüllten Schrei. 

Nein. Nein. Nein. So hatte ich das doch nicht gemeint!

Sofort überflutete mich wieder das schlechte Gewissen. Ich nahm zwei Stufen gleichzeitig und gelangte oben an. Doch was mich erwartete, war alles andere als erfreulich.

Thane stand mit über den Kopf gezogener Kapuze am Ende des Treppenansatzes und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Beim Blick in seine dunklen Augen erschauderte ich. »Das nächste Mal achtest du lieber besser darauf, wer dir folgt«, sagte er trocken.

Mein Herz begann vor Panik zu rasen. »Was hast du mit Eliana gemacht?«, fragte ich atemlos.

Thane blickte auf mich herab. »Ich?«, fragte er unbeeindruckt. »Nichts.«

Plötzlich trat Reva in mein Blickfeld. In den Händen hielt sie Eliana. Ihr Gesicht war gerötet vor lauter Tränen. Mit Bedauern musste ich feststellen, dass ihren Hals keine Kette zierte, sondern Revas scharfen Schwertklingen.

»Wenn du willst, dass die Kleine nicht den Kopf verliert, dann geh schön wieder runter«, zischte Reva hinter dem schwarz verschleiertem Aufzug, »Mr. Ronnocs Heldenzeit endet hier und heute.«

Elianas Augen trugen die pure Angst in sich. Ich dachte nicht einmal daran, es darauf anzulegen. Rücklings ging ich die Stufen wieder herunter. Mein Herz pochte so schnell, dass ich dachte, es würde mir jeden Moment aus der Brust springen.

Mehrere Schauder liefen mir über den Rücken, als mir auffiel, dass ich Revas Bösartigkeit nicht gespürt hatte. Ich hatte kein bisschen von der Grausamkeit wahrgenommen, die sie in sich trug. Meine Kräfte schienen mich zu verlassen. Genauso wie Warrin jetzt ohne dastand.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now