o63. Wer hätte das gedacht?

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Lange saßen Hanson und ich einfach nur auf dem Boden. Ich wusste nicht, wie lange ich weinte, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Hanson hatte keine Fragen gestellt, sondern lediglich über einen Rücken gestrichen und mich fest im Arm gehalten. Aber genau das brauchte ich. 

Irgendwann war ich wieder in seinen Armen eingeschlafen. Aber als ich aufwachte, war Hanson immer noch da. Ich lag auf der Couch und er saß neben mir, hatte den Blick nachdenklich nach vorne gerichtet, die Stirn gerunzelt. Ich sah ganz genau, wie er sich den Kopf über diese ganze Sache zerbrach. Aber ich konnte ihm die Wahrheit nicht sagen.

Hanson schien bemerkt zu haben, dass ich aufgewacht war, denn er streckte die Hand nach mir aus und ließ seine Finger durch mein Haar gleiten. »Wie geht es dir?«, war das Erste, was er zu mir sagte.

Im ersten Moment fiel mir ein Stein vom Herzen, dann überströmten mich die Schuldgefühle. Ich setzte mich auf und zog die Knie dicht an mich. »Schlecht«, erwiderte ich heiser und traute mich nicht, mehr zu sagen. Ich wusste nicht, wie ich in Worte fassen sollte, wie ich mich in Wahrheit fühlte. Schlecht traf es nicht einmal annähernd. Meine Hände und Beine zitterten. Ich hatte das Gefühl von Kälte eingeschlossen zu sein.

Hanson sah mich besorgt an. Ich konnte Verzweiflung in seinen blauen Augen ablesen. Traurig wandte ich den Blick ab. Ich mochte es nicht, ihn so zu sehen. Ich wollte, dass er wieder lächelte. Dass wir so taten, als wäre nie etwas passiert. Aber die Sache mit Thane war passiert und ich konnte sie nicht mehr rückgängig machen. Für immer würden mir seine Worte im Kopf bleiben... fahr in die Hölle... ja, für immer.

Hanson rückte näher an mich heran. »Verena...«, flüsterte er.

Erst als er meinen Kopf in seine Richtung zog, merkte ich, dass er seine Hand auf meine Wange gelegt hatte. Ich weitete die Augen. Denn ich spürte nichts. Es war, als wäre seine Hand nicht da. Das war nur noch diese unheimliche Taubheit.

Hanson schien dies zu bemerken. Denn im selben Moment zog er seine Hand wieder zurück und sah mich mit einem leicht erschrockenen Gesichtsausdruck an. »Du bist ja eiskalt«, sagte er und erhob sich von der Couch, »Ich mache dir einen Tee.« Ehe ich mich versah, war er in die Küche geeilt.

Ich legte meine Hände auf meine Wangen, die sich wie die Außenseiten eines großen Eiswürfels anfühlten. Ich hatte das Gefühl, dass die Temperatur gesunken war. Nicht um zehn, nicht um zwanzig, sondern um dreißig Grad. Ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich meine Fingernägel betrachtete, die von einem ungesunden grau-lila Ton geprägt waren. Was passierte mit mir? Warum war es plötzlich so eiskalt?

Hanson kam mit einer Tasse Tee zurück. Er wollte sie mir in die Hand drücken, aber ich versteckte meine Finger unter meinen Beinen. Panik durchströmte meinen Körper. Wenn er meine Hände sah, würde er mich zwingen, ins Krankenhaus zu gehen.

Hanson stellte die Tasse vor mir auf dem Glastisch ab. Lange starrte ich sie einfach nur an.

»Ist was?«, fragte Hanson in irritieren Ton.

Ich schüttelte langsam den Kopf. Dann nahm ich meinen Mut zusammen und streckte meine Hand nach dem Glas aus. Ich erwartete zumindest für den kleinsten Moment ein bisschen Wärme zu spüren. Stattdessen war da nichts.

Ich schluckte schwer. Was war hier los? Genau das wollte ich am liebsten Hanson fragen. Denn ich verstand die Welt nicht mehr. Ich versuchte die Tasse an mich heranzuführen ohne etwas zu verschütten. Aber als ich sie an meinen Mund anlegte, kam nichts aus der Tasse. Denn der Inhalt war zu Eis gefroren.

Diese Erkenntnis schlug ein wie eine Bombe.

Entsetzt ließ ich die Tasse fallen. Sie fiel mit einem dumpfen Knall auf den Teppich. Ich schlug die Hand vor den Mund und konnte nicht glauben, was ich das sah. Der Tee war einfach eingefroren!

Blazing HeartWhere stories live. Discover now