o19. Wenn Feuer und Eis aufeinander treffen

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Der Fremde nahm langsam seine Hand von mir. Als seine Finger meine Haut nicht mehr berührten, verschwand das kurzzeitige Gefühl von wunderbarer Wärme und Energie. Plötzlich war da nur noch diese langweilige, öde Kälte, die ich schon mein ganzes Leben lang begleitete.

Noch immer vollkommen fasziniert blickte ich in seine Augen und sehnte mich nach nichts mehr als dieser einmaligen Hitze. Meine Finger berührten wie automatisch sein Gesicht. Die kleinste Berührung war wie ein kleiner Stromschlag, der tausend Blitze durch meinen Körper jagte

»Wow, du bist so schön... warm«, hauchte ich.

Für einen normalen Sterblichen hörten sich diese Worte wahrscheinlich schwachsinnig an, aber es stimmte. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich Derartiges gespürt.

»Und du bist unglaublich kühl!«, grinste er und schien offensichtlich auch die Merkwürdigkeit dieser Situation zu bemerken.

Langsam rutschte von mir herunter und stellte sich auf. Sofort war auch ich auf beiden Beinen. »Wie ist das möglich?«, fragte ich, »Ich dachte... ich wäre die Einzige.«

Ich war so erstaunt, dass ich ihn einen Moment lang einfach nur anstarrte. Im Schein des Mondes gaben seine braunen Augen einen besonderen Schimmer von sich. Mysteriös lag eine Haarsträhne über seiner Stirn und bedeckte den silbernen Ring an seiner Augenbraue. Durch das enganliegende weiße T-Shirt, das er zu verwaschenen Jeans trug, waren die Konturen eines durchtrainierten Oberkörpers zu erkennen. Wenn für mich Winter war, musste wohl für ihn Sommer sein, oder? Konnte er genauso wie ich ebenfalls das Böse ausfindig machen? War seine Andersartigkeit der Grund, warum ich ihn nicht wahrnehmen konnte? Ich hatte ja so viele Fragen!

»Ich hätte niemals gedacht, jemanden zu treffen, der auch anders ist...«, stellte er schwer nickend fest. Seine Stimme war ganz tief.

Kurz blickte er zum Museum rüber. »Wir machen es so. Du hörst auf, Ronnoc zu helfen und ich bringe dich nicht um. Deal?«, fragte er locker.

Mir klappte der Mund auf. »Was?!«

Plötzlich fiel mir wieder ein, dass er gerade noch versucht hat, mich vom Dach zu schmeißen. »Oh, mein Gott!«, stöhnte ich, »Was zum Teufel fällt dir ein, mich fast umzubringen?«

Der Kerl musterte mich von unten bis oben. »Was mir einfällt?«, fragte er, »Ich tue, was ich tun muss.« Er ging einmal um mich herum.

»Und was musst du tun?«, fragte ich unsicher.

Der Fremde fuhr sich durch das dichte dunkle Haar. »Jegliche Gehilfen von Ronnoc aus dem Weg räumen«, erwiderte er kalt, »Ganz einfach.«

Ich konnte immer noch nicht glauben, was er da gerade von sich gab. »Aber fühlst du denn nicht Kälte, wenn du jemand Böses plant?«

Der Kerl grinste. »Doch und es fühlt sich einfach berauschend an.«

Ich öffnete den Mund, wusste aber nicht, was ich erwidern sollte. Seine Aussage schockierte mich so dermaßen, dass ich keine Worte dafür fand. Dad hatte mir immer erzählt, dass ich mich von der Wärme - auch wenn sie sich gut anfühlte - auf keinen Fall zu bösen Taten verleiten lassen durfte. Und jetzt kreuzte ein Kerl auf, der genau das tat! Ihm war immer zu heiß und er tat Böses, um die Kälte in sich zu genießen. Das war furchtbar!

»Ich verstehe nicht, wie du sowas tun kannst!«, brachte ich enttäuscht hervor.

Er kam auf mich zu und musterte mich eingehend. »Sag mir nicht, dass du nicht einmal daran gedacht hast, auch etwas zu klauen oder anderen Menschen zu schaden?« Die Worte, die aus seinem Mund kamen wurden immer hässlicher.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now