o77. Schlimmer geht immer

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Lange saß ich einfach nur da und starrte an die Wand. Ich fühlte mich so leer. Meine Haut war taub. Wenn ich mich versuchte zu bewegen, war da nur Kälte. Meine Haut war nicht mehr hellblau, sondern lila. Ich wusste, was das bedeutete. Ich war dabei zu erfrieren.

Pfarrer Larry hatte mich gewarnt. Jedoch brachten seine Ratschläge nun nichts mehr. Ich hatte nichts Positives mehr, an dem ich festhalten konnte. Mein Leben war eine einzige Qual gewesen. Und nun hatte sich herausgestellt, dass ich wochenlang jemanden geliebt hatte, der gar nicht existierte. Hanson... Hadrian war die größte Enttäuschung in meinem Leben gewesen. 

Ich war mir sicher, dass ich niemals mehr jemanden lieben könnte. Mir war so kalt, dass ich befürchtete, dass ich sowieso nie wieder etwas fühlen könnte. Nie wieder.

Nie wieder war wahrscheinlich eh nicht mehr so lang. Mir blieben höchstens zwei, drei Tage, wenn Dr. Gifford es nicht schon vorher beendete. Wenn nicht sogar, weniger.

Die Schmerzen in meiner Brust brachten mich um. Ich wollte mein Herz wieder zusammenflicken, aber ich wusste nicht wie. Es war so zerbrochen, dass ich nicht mehr wusste, an welche Stelle, welches Stück kam. So kaputt, dass ich zehntausend kleine Splitter in den Händen hielt. Zehntausend kleine Splitter, die sich jetzt gegen mich drangen quälend in meine Haut bohrten.

Ich fing an, mich zu fragen, ob das der Tod war, der sich langsam, aber sicher ankündigte? Hieß es nicht immer er kam langsam und griff dann plötzlich zu? Wenn das so war, wieso hatte ich dann das Gefühl, dass er sich bei mir absichtlich mehr Zeit ließ? Dass er wartete, bis ich vollkommen am Ende war, bis sich kaum mehr Leben in mir befand und nichts als unheimliche Schmerzen. Dass er sich so lange geduldete, bis ich selbst darum flehte. So sehr, dass er mich einen unerträglicheren Moment länger am Leben ließ, um dann so schmerzhaft und brutal wie nur möglich zuzustechen.

* * *

»Aufwachen, Hexe«, eine widerspenstige Stimme drang durch meinen Kopf. Ich zuckte zusammen und wich an die Ecke des Bettes, als Simon plötzlich den Raum betrat. In seiner Hand hielt er ein Tablett, welches mit Essen beladen war. Lieblos schmiss er es auf den Boden, sodass ein Apfel unters Bett rollte.

Ängstlich blieb ich sitzen und traute mich, keine Bewegung zu machen.

Simons Blick war stechend. Mit verschränkten Armen stand er vor meinem Bett. »Dr. Gifford will, dass du was isst. Also friss, Monster.«

Ich starrte auf das Obst und spürte nichts in meinem Magen. Nicht einmal das kleinste Hungergefühl. Ich wusste nicht, wie lange ich bereits hier war, aber mein Körper verlangte nichts. Es war, als wären meine Gliedmaßen bereits tot. Jede Bewegung fiel mir unheimlich schwer, genauso wie jeder Atemzug. Die Kälte war dabei mich zu verzehren.

Simon verengte die Augen zu Schlitzen. Wütend hob er das Obst auf und schmiss es auf die Bettdecke. Ich sah, wie er die Bewegung im nächsten Moment bereute, denn er verzog das Gesicht. Ich starrte stumm auf seinen Rippenschoner und wünschte mir, er wäre doch ertrunken.

»Verdammt nochmal!«, schnaubte er jetzt, »Iss oder ich stopfe dir das Maul.«

Regungslos blieb ich auf der Stelle sitzen und machte keinerlei Anstalten mich zu bewegen. Sollte er mir doch das Maul stopfen. Vielleicht starb ich dann schneller. Vielleicht war ich diesen unheimlichen Schmerz in meiner Brust dann endlich los.

Simon ballte die Hände zu Fäusten. Den Mann schien es richtig wütend zu machen, dass ich ihn ignorierte. »Ich breche dir alle Knochen, wenn du jetzt nicht endlich-«

»Tu es«, unterbrach ich ihn mit schwacher Stimme, »Brich mir alle Knochen.«

Simon gab ein Knurren von sich. Ehe ich mich versah, packte er mich an den Schultern und drückte mich in die Matratze. Er drückte wahrscheinlich seine Fingernägel in meine Haut, aber ich spürte sie nicht. Meine Haut war taub. Ich nahm kaum mehr etwas wahr.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now