o68. Zu was bin ich noch in der Lage?

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Eine geschlagene Stunde hockte ich auf dem Boden und starrte auf das matte Schwarz der Pistole, die unter der Couch hervorguckte. Die ganze Zeit hatte sie da gelegen. Nachdem Thane mich mit seinen furchtbaren Worten verletzt hatte, hatte ich sie nicht mehr angerührt. Ich dachte daran, was für ein Gefühl es wäre, nicht mehr da zu sein. Ob ich in den Himmel kommen würde oder genauso, wie Thane gesagt hatte, in die Hölle fahren würde. Bestimmt das. Schließlich hatte ich eine verdammte Katze umgebracht.

Das Aufleuchten meiner Armbanduhr brachte mich in die Realität zurück. Sofort starrte ich auf den kleinen Bildschirm. Nach Tagen gab es endlich eine Nachricht von Warrin. Fast hatte ich befürchtet, dass ich ihn mit meiner Näherei auch noch umgebracht hatte. »Morgen um Zehn in der Kanzlei. Wir haben ein Problem.«

Ich kniff die Augen zusammen. Noch ein Problem? Davon hatte ich doch momentan bereits genug. Wehleidig erhob ich mich von meinem Platz und streckte die Glieder. Mein Körper fühlte sich an wie ein einziger Eisblock. Jede Bewegung fiel mir schwer und kostete mich unheimlich viel an Kraft.

Schwermütig holte ich den Stoff eines meiner Designs aus der Mülltonne und zwang mich Mina darin einzuwickeln. Ich musste würgen. Ich ertrug den Gedanken, Hansons Katze umgebracht zu haben, einfach nicht.

Es kostete mich an unheimlich viel Überwindung das arme Tier in die Mülltonne zu stecken. Mit zitternden Fingern band ich den Müllsack zusammen und stieß die Tür auf. Ich konnte sie nicht hierbehalten. Allein der Gedanke machte mich krank.

Hastig schlich ich die Treppen herunter und fühlte mich wie eine Verbrecherin. Es fehlte nicht mehr viel und ich war wirklich eine. Den Müllsack entsorgte ich draußen im großen Container, aber nicht, ohne mich noch zehntausend Mal umzudrehen und wirklich sicher zu gehen, dass niemand mich sah.

Als ich zurück zur Eingangstür wollte, erblickte ich Maisie und Caitlyn. Beide waren soeben aus der Seitenstraße gekommen und offensichtlich auf den Weg zu mir gewesen. Wir machten alle drei Halt und starrten uns gegenseitig an. 

Sofort hämmerte mein Herz lautstark gegen meine Brust. Ich konnte nicht mit den beiden reden. Es ging einfach nicht. Meine Füße rannten wie automatisch los.

Aber meine beiden Freundinnen taten es mir gleich. Ich wollte schneller als sie an der Tür sein, aber ich hatte kaum Kraft. Kurz vor meinem Ziel stellte sich Caitlyn mit verschränkten Armen vor die Tür. »Verena, du kannst nicht mehr vor uns weglaufen«, sagte sie in strengen Ton.

Mein Herz fing vor lauter Panik an zu rasen. Maisie stellte sich neben Caitlyn. »Genau«, fügte sie hinzu, »Wir wollen dir nur helfen.«

Die beiden konnten mir nicht helfen. Niemand konnte mir helfen. Ich wusste nicht einmal, wie ich mir selbst helfen sollte. »I-ich brauche eure Hilfe nicht«, gab ich stammelnd vor mir und war hoffnungslos damit überfordert, dass mich die beiden direkt konfrontierten.

Caitlyn schnaubte auf. Sie sah richtig wütend aus. »Mein Gott, du kannst uns nicht anlügen! Wir sehen doch, wie fertig du bist!«

Das Zittern meiner Finger wurde heftiger. »Bitte, Verena. Wir wollen nur das Beste für dich«, sagte Maisie in leidendem Ton, »Dich so zu sehen, macht traurig.«

Sie wollte einen Schritt auf mich zu machen. Sofort wich ich nach hinten. Hansons Katze war nur der Anfang. Was war, wenn nicht mehr viel fehlte und ich bei Kontakt einen Menschen umbrachte?

»Lasst mich in Ruhe«, brachte ich gepresst von mir. Meine einzige Möglichkeit die Menschen um mich herum zu beschützen, bestand darin, sie von mir wegzudrängen. Nur so konnte ich sicher sein, dass Maisie und Caitlyn nichts passierte.

»Wir lassen dich nicht in Ruhe, verdammt!«, Caitlyns Stimme wurde lauter, »Wir sind deine Freunde und Freunde lassen einem nicht im Stich.«

Tränen stiegen in meine Augen. Ich wollte diese Worte nicht hören. Denn sie zu hören machte mich nur schwächer, als ich ohnehin schon war.

Blazing HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt