o92. Smaragd, Saphir, Rubin...

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Leise folgte ich Warrin durch die Öffnung im Maschendraht, für die Jeffrey und Larry gesorgt hatten. Die zwei Männer machten uns Platz, dann wünschten sie uns Glück. Die beiden waren älter und dementsprechend nicht mehr so fit. Deshalb sorgten sie dafür, dass der Ausgang immer frei blieb und wir zu jeder Zeit fliehen könnten.

Warrin und ich gingen zu Caitlyn, die bereits am Hintereingang wartete. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und wirkte mehr als bereit, Reva die Kehle durchzuschlitzen. Oder sie zu erschießen. Sie hatte die Pistole von einem der Polizisten erhalten. Sie war kaum eine Woche dabei und zeigte schon mehr Entschlossenheit als ich in meinem ersten Jahr als Warrins Helferin. Ich bewunderte sie genauso wie alle anderen, die dabei waren. Sie waren alle so unheimlich mutig.

Linden hantierte an der Tür herum. Es hatte sich herausgestellt, dass er ein Talent darin hatte, Schlösser aufzuknacken. Wahrscheinlich war es dasselbe motorische Geschick, das er beim Zeichnen seiner architektonischen Meisterwerke aufbrachte. Innerhalb weniger Sekunden hatte er mit Hilfe von Caitlyns Haarklammern das Schloss geöffnet und die Tür stand offen. Fast hatte ich das Gefühl ich war hier der Neuling inmitten dieser versteckten Talente und Fähigkeiten.

Warrin drückte Linden die zweite Pistole in die Hand, dann ging er voraus. Mit einem nervösen Kribbeln in den Gliedern folgte ich ihn und den anderen. Ich hätte eigentlich Lindens Pistole bekommen sollen, hatte mich aber dagegen gewehrt. Dafür hatte ich viel zu viel Angst vor dem Ding. Fast hätte ich mich damit in meiner Wohnung vor noch wenigen Wochen selbst umgebracht. Deshalb blieb es bei einem Messer.

Wir schritten in bedachten Bewegungen durch den kargen Flur und versuchten möglichst keinen Laut von uns zu geben. Dabei hatte ich jedoch das Gefühl, dass meine Schritte am lautesten waren. Jetzt so kurz vor dem Ziel stieg die Nervosität ins Unermessliche.

Ich war so aufgeregt, dass meine Beine zitterten. Vielleicht lag das auch an meinem schlechten Zustand, aber daran wollte ich nicht denken. Ich wollte nur daran denken, dass wir Maisie und die anderen Menschen da drin retteten.

Der Weg machte eine Gabelung. Warrins Schritte wurden fester, als wir eine weitere Tür erblickten. Caitlyn und Linden dagegen wurden langsamer. Leise zog Warrin die Tür auf und ich erhaschte einen Blick auf einen Stapel Kisten. Wir hatten uns erkundigt und hier hinten wurde das Meiste an Lagerung deponiert. Von hier konnten wir uns unbemerkt anschleichen.

Caitlyns Gesichtszüge spannten sich an, denn sie trat als Erste durch den Türrahmen und ging nach rechts. Linden lief in geduckter Haltung direkt hinterher. Warrin und ich dagegen folgten dem Weg hinter den Kisten nach rechts. Als wir am Ende des Stapels standen, nickte Warrin mir zu. Ich presste den Rücken eng an die Kiste, die mich einen Kopf überragte und wagte es einen Blick zu Seite zu werfen. Er war nur kurz, dennoch zog ich scharf die Luft ein.

Ich sah eine große Fläche, die nur von weiteren Kisten und Stapeln überwuchert war. Es gab eine höhere Ebene, die man über zwei Treppen jeweils rechts und links erreichen konnte. Unterhalb dieser befanden sich vier Geiseln. Gefesselt und geknebelt lagen sie am Boden.

Vier andere waren praktisch am Gitter der Treppe befestigt und trugen durch das Metall, welches sich in ihre Haut bohrte, einen besonders schmerzhaften Gesichtsausdruck. Ich versuchte Maisie auszumachen, aber ich sah sie nicht.

Mein Blick wanderte weiter. Mein Herz rutschte in meine Hose. Reva.

Die in schwarzgehüllte Frau war mit den am Rücken befestigten Schwertern kaum zu übersehen. Aber das war nicht das Schockierende, sondern die Maschine. Die ganze Zeit hatte ich gedacht, wir würden über eine relativ kleine Maschine sprechen, aber sie war gigantisch. Ein riesiger Metallblock stand in der Mitte der zweiten Ebene und ragte in die Höhe bis zu den Decken. Unzählige Kabel führten bis hoch in die Decke, die aus Glas bestand. Dort befand sich auch eine Öffnung mit einem Ding, das einer Satellitenschüssel ähnelte. Was auch immer diese Frau da erschaffen hatte, ich fürchtete mich.

Mein Blick wanderte zu den leuchtenden Juwelen, die mich nahezu anzogen. Smaragd, Saphir, Rubin, Aquamarin und zuletzt der Diamant. Zwei lagen auf einem kleinen Tisch neben der Maschine. An der Maschine selbst gab es genau fünf Einlassungen. Für jeden der Steine eine. Bis auf den Aquamarin und den Diamanten waren bereits alle drin. Die Maschine war so gut wie fertig. Wir hatten nicht mehr viel Zeit.

Mir stockte der Atem, als ich ein bisschen weiter den Kopf zu Seite drehte. Maisie!

Die Erleichterung, dass sie lebte, war jedoch nicht einmal annähernd so beruhigend, wie ich mir erhofft hatte. Ich atmete tief ein uns aus. Maise war an einer Säule direkt neben der Maschine gefesselt. Sie war direkt bei Reva.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange mich diese Frau beobachtet hatte, aber sie wusste, dass Maisie mir von all den unschuldigen Menschen, die sich hier befanden, am meisten bedeutete. Sie war uns einen Schritt voraus. Und das war nicht das erste Mal. Diese Frau war unberechenbar.

Ich spürte Warrins Arme an meinen Schultern, als er mich leicht zurückschob, um selbst einen Blick auf das Geschehnis zu erhaschen. Ich starrte kurz zu Caitlyn, die wütend die Hände zu Fäusten geballt hatte. Ihr gefiel es genauso wenig, dass ihre beste Freundin an diesem Pfahl befestigt war.

Das Problem war, dass sie und Linden schlecht schießen konnten mit Maisies gezwungener Anwesenheit. Außerdem waren da noch die Geiseln am Treppengeländer. Wenn wir Reva wirklich erschießen wollten, müssten wir hoch auf die zweite Ebene.

Warrin blickte mich einen Moment mit einem ernsten Gesichtsausdruck an, dann gab er Caitlyn und Linden ein Handzeichen. Ehe ich mich versah, verschwanden die beiden hinter den Kartons.

Augenblicklich wurde mir zehn Grad kühler. Sie machten den ersten Schritt und obwohl mir dieser Plan überhaupt nicht gefiel, wollten sie es so. Sie hatten es sich zum Ziel gemacht, die Geiseln und Maisie zu befreien. Warrin und ich dagegen wollten uns Reva und die Maschine vorknöpfen.

Ich nahm kurz mein Funkgerät in die Hand und übermittelte Larry und Jeffrey ein Signal, um ihnen deutlich zu machen, dass wir jetzt loslegten. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Ich bückte mich und folgte mit dem Blick Linden und Caitlyn, die sich hinter den Kartons langsam in Richtung Geiseln brachten.

Dann blickte ich in Warrins dunklen Augen, als er an der Reihe war. »Du schaffst das«, flüsterte ich und umarmte ihn noch einmal flüchtig, bevor er dann hinter der Kiste verschwand.

Anspannung machte sich in mir breit. Er tat es. Er ging zu Reva, obwohl er immer noch nicht ausprobiert hatte, ob er fliegen konnte oder nicht. Zweifel stiegen in mir auf. Vielleicht hätte er es doch einmal austesten müssen. Was war, wenn das, was Thane mir erzählt hatte, nicht auf ihn zutraf? Schließlich war er anders. Er war nicht so wie wir.

Ich schüttelte den Kopf. Nein. Nicht jetzt negativ denken. Dafür war es schon zu spät.

Ich traute mich den Kopf hinter dem Karton hervorzustecken und beobachtete Warrin dabei, wie er sich geschickt zur nächsten Seitentür vorarbeitete. Bei ihm funktionierte das deutlich schneller und reibungsloser als bei Caitlyn und Linden. Schließlich hatte er ja schon Erfahrung.

Er war so schnell an der besagten Tür, dass ich das Gefühl hatte, er würde über den Boden schweben. Aber das tat er nicht. Dennoch erfüllte mich das mit Hoffnung. Ja, wir mussten das schaffen. Trotzdem schlug mein Herz immer schneller gegen meine Brust.

Als er an der Tür stand, hörte ich nur noch das laute Klopfen in meinem Körper, das jeden Ton überspielte. Ein Schauder der Aufregung durchfuhr mich, als er die Tür einmal aufdrückte und dann in einem lauten Knall wieder schloss.

Innerhalb eines Wimpernschlags zuckte Reva um ihre eigene Achse und blickte von der zweiten Ebene auf den Helden hinab. Ihre Augen verzogen sich zu Schlitzen. Das Gesicht war noch immer durch den Schleier verborgen. Besonders froh Warrin zu sehen, war sie nicht. 

Dieser ließ sich davon jedoch nicht beirren. »Hallo, Reva«, begrüßte er die Bösewichtin in kühlem Ton.

Blazing HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt