o34. Verloren in den Tiefen des Meeres

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Alles war dunkel.

Ganz dunkel.

Ich sah nichts und schluckte Wasser, fühlte mich für einen Moment vollkommen verloren in den Tiefen des Meeres.

Doch meine Beine trugen mich automatisch nach oben. Im nächsten Moment war ich wieder an der Oberfläche und spukte Wasser. Hustend versuchte ich nach Luft zu schnappen. Gleichzeitig zitterte ich am ganzen Leib.

Mir wurde klar: Wenn ich ein normaler Mensch wäre, hätte ich den Sturz garantiert nicht überlebt.

Mein Körper war resistenter als der eines gewöhnlichen Menschen. Das war mir schon im Kindesalter aufgefallen. Meine Haut war nicht sofort aufgeschürt, wenn ich zu Boden fiel. Da brauchte es schon mehr Druck.

Ich versuchte wieder eine regelmäßige Atmung zu kriegen. Erst als ich mir mit den Fingern die nassen Strähnen aus dem Gesicht strich, wurde mir klar, dass ich das Collier nicht mehr in den Händen hielt. Oh, verdammt!

Sofort tauchte ich wieder unter und versuchte irgendetwas zu erkennen, aber es war zu dunkel. Ich sah nichts als Finsternis.

Es war weg. Wahrscheinlich am Grund des Ozeans, wo man es niemals wieder finden würde.

Ich tauchte wieder auf und blickte hoch. Thane war über die Reling gebeugt und schüttelte den Kopf. »Sag mir nicht, du hast ihn verloren?«, rief er mir zu.

Ich rollte mit den Augen. Vielleicht war es doch gut, wenn er da auf dem Meeresboden lag.

»Er ist für immer weg!«, schrie ich zurück, »Ich habe eure Pläne durchkreuzt!«

Hastig schwamm ich zum Yachtboot, das sich nur wenige Meter von mir entfernt befand.

»Hey!«, schrie Thane wütend, »So leicht kommst du nicht davon!«

Oh und wie ich das tat! Hastig kletterte ich in pitschnassem Zustand die Leiter ins Boot hoch und ging dann zum Steuer. Sogar der Schlüssel steckte noch. Also besonders klug war das nicht.

»Reva...«, las ich einen Namen auf einem der Schlüsselanhänger. Das musste dann wohl die Schwertdame sein, wenn das Boot wirklich ihnen gehörte.

Ich startete den Motor und winkte Thane provokant zu. Er stand mit offenem Mund da und wollte mich seinem Gesichtsausdruck zufolge am liebsten erwürgen. Gut, dass ich jetzt ganz schnell die Fliege machen konnte.

Ich fuhr mit dem Boot ans Schiffbug, wo ich Warrin in der Luft entdeckte. Er war also noch bei der Sache.

Dann erblickte ich zum ersten Mal die berüchtigte Schwertdame. Reva. Sie war komplett in Schwarz gehüllt und trug eine Maske. Ihre Schwerter blitzten im Mondlicht.

»Ronnoc!«, rief ich. Warrin blickte in meine Richtung, wich aber weiter den Bewegungen der Hexe aus. 

»Der Diamant ist weg!«, schrie ich jetzt, was beide zum Erstarren brachte. Einen kleinen Moment regte sich niemand und ich wusste nicht, ob das jetzt gut oder schlecht war. Doch Zeit zum Nachdenken, wie es jetzt weitergehen sollte, gab es nicht. Rettungshubschrauber und Boote der Polizei näherten sich uns und gaben ein viel zu lautes Dröhnen von sich.

Diesen Moment der Ablenkung nutze Reva geschickt. Denn als ich wieder zum Schiff blickte, war sie weg.

* *

In pitschnassem Zustand betraten Warrin und ich seine Wohnung. Die ganze Fahrt über hatte niemand auch nur ein Wort über die heutige Nacht verloren. Ich schätzte, das lag daran, dass ich bis auf die Knochen zitterte und Warrin vom Kampf mit der Schwertdame vollkommen durchgeschwitzt war. Ich war mir eigentlich zu hundert Prozent sicher, dass seine Narbe wieder aufgegangen war. Im merkte es daran, wie er nur versuchte, seinen rechten Arm zu benutzen.

»Reva...«, brachte ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor, »...ihr Name ist Reva.«

Warrin sah mich einen Moment still schweigend an, dann nickte er. Seine Miene war vollkommen ausdruckslos. Ich wusste nicht, ob es ihm gut oder schlecht ging. Aber vor allem wusste ich nicht, wie ich es bis jetzt in diesem nassen Kleid ausgehalten hatte. Warrins Jacket hatte nichts gebracht und war jetzt mindestens genauso nass.

Ich warf meinem Chef erneut einen Blick zu. »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich, weil mir sein Schweigen langsam wirklich Angst machte. Frierend legte ich die Arme um mich.

Der Held schwieg weiterhin, ging aber zu seinem Schrank und drückte mir dann Kleidung und ein Handtuch in die Hand. Zögernd nahm ich die Sachen an und wartete vergeblich auf Worte, aber Warrins Lippen waren wie versiegelt. Damit musste ich wohl vorerst leben.

Ich verschwand in einem von Warrins überdimensional großen Badezimmern. Ich schloss die Tür ab und schlüpfte in Windeseile aus den feuchten Sachen. Platschend landete das Kleid auf dem Boden. Wenn ich Pech hatte, war es dahin. Scheiß Thane. Scheiß Reva. Scheiß Diamant. Das Collier war jetzt sowieso im Meer verschwunden.

Frierend hüpfte ich unter die Dusche und konnte mich erst wieder beruhigen, als siedend heißes Wasser auf meinen nackten Körper prasselte. Wenn es nach mir ging, könnte es ruhig noch heißer sein, selbst wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde anhielt.

Ich schloss die Augen und versuchte nicht daran zu denken, was heute alles passiert war, aber ich konnte nicht anders. Die Ereignisse waren in meinen Schädel gebrannt und würden bestimmt nie wieder in Vergessenheit geraten. 

Noch immer fragte ich mich, wozu Reva und Thane diese Edelsteine brauchten. Ob das wohl der letzte gewesen war, den sie vorhatten zu klauen? Oder benötigten die beiden noch mehr? Was sie da taten, schien mir immer noch so rätselhaft. 

Nachdem ich mich nur widerwillig aus der mittlerweile kalten Dusche gezwungen hatte und in Warrins Schlafsachen geschlüpft war, verließ ich das Bad. Ich trat in die Küche und musste mit Verwunderung feststellen, dass Warrin sich dort nicht befand.

Ich musste fast durch das ganze Haus laufen, um ihn dann endlich in seinem Schlafzimmer zu finden, wo er ganz im Dunkeln auf seinem Bett saß und vor sich hin starrte.

Ich knipste das Licht an, aber er regte sich weiterhin nicht. Also jetzt machte er mir wirklich Angst. »Sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte ich beunruhigt und setzte mich neben ihn aufs Bett.

Auch er hatte geduscht und trug jetzt frische Sachen. Einen weiteren unerträglichen Moment sagte er nichts, dann fuhr er sich durchs Haar. »Ja«, erwiderte er knapp.

Ich kniff misstrauisch die Augen zusammen. Und das sollte ich ihm jetzt glauben?! Eigentlich müsste er mich anschreien, mich anmeckern und sagen, dass ich die Mission ruiniert hatte. Dass es mal wieder meine Schuld war, dass wir verloren hatten. Dass ich gefälligst besser aufpassen sollte. Schließlich hatte ich doch dieses verdammte Diamantcollier einfach im Ozean verloren. Gott wusste, wo es war. Es war genauso, wie der Fremde im Meer ertrunken.

Ich schluckte schwer. »Ich habe ihn umgebracht...«, brachte ich dann gepresst hervor, »...ich wollte meine Hand nach ihm ausstrecken, aber dann ist er ins Meer gestürzt.«

Warrin blickte mich an. »Wer?«, fragte er schließlich, »Thane?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, dieser Mann, der mich schon einmal verfolgt hat. Er war auch auf dem Schiff. Er hatte mich sogar dieses Mal wirklich geschnappt... aber dann ist er gefallen.«

Wir saßen still nebeneinander und schwiegen, dann sagte Warrin. »Vielleicht ist es besser so.«

»Vielleicht ist es besser so...«, erwiderte ich gequält und fühlte mich dennoch für den Tod des Mannes schuldig.

»Willst du mir jetzt sagen, was da passiert ist?«, fragte ich Warrin, »Es muss was Schlimmes gewesen sein. Sonst würdest du nicht so still sein.«

Ich sah Warrin an, aber er stand nur auf, ging zur Tür und sagte, ohne mich anzusehen. »Gute Nacht, Verena.«

Dann knipste er das Licht aus und verschwand im Dunkeln.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now