o20. Neue und alte Narben des Schmerzes

2.2K 184 33
                                    

»Was wollt ihr überhaupt?«, fragte ich atemlos, »Wozu die Edelsteine?«

Der Fremde verengte die Augen zu Schlitzen. »Das wüsstest du wohl gerne«, fauchte er mich an und packte mich wieder am Arm. Grob zog er mich mit sich mit.

Halb stolperte ich, halb torkelte ich ihm nach. »Woher wusstest du, dass Ronnoc Hilfe hat?«, fragte ich verbittert, »Und dass ich auf dem Dach war?«

»Du hast aber viele Fragen«, stöhnte er, »Nur schade, dass ich sie dir niemals beantworten werde.«

Ich biss mir auf die Lippe. Dieser Kerl machte es mir nicht gerade leicht. »Wir können doch noch einmal in Ruhe über alles reden«, versuchte ich ihn zu überzeugen, »Du musst nicht böse sein. Wir finden bestimmt einen anderen Weg, den Zustand unserer Körper zu ändern.«

Er drückte mich vom Museum weg in eine dunkle Gasse. »Es gibt keinen anderen Weg«, sagte er gefühlslos, »Wir sind für immer das, was wir eben sind.«

Abrupt blieb ich stehen. »Was?«, fragte ich erschrocken und drehte mein Gesicht zu ihm, »Wir müssen den Rest unseres Lebens so bleiben?«

Ich hatte immer gedacht, dass es einen Weg geben musste, meinen Zustand zu ändern. Dass mich eines Tages irgendetwas verändern würde. Dass ich nicht für immer die eiskalte Verena bleiben musste. Aber jetzt sagte mir dieser Kerl, dass es genauso war.

Ich ließ den Kopf sinken. Das durfte nicht sein. Ich wollte nicht kalt sein! Ich wollte ein normaler Mensch sein. Oder so wie Warrin. Warum wurde er mit dem Talent fliegen zu können geboren und ich nicht? Warum musste ich diejenige sein, die Tag für Tag diese Kälte über sich ergehen lassen musste?

»Oh, habe ich jetzt etwa all deine Hoffnungen und Träume zerstört?«, fragte der Kerl mit gespielten Mitleid, »Wach auf! Das ist die Realität! Und jetzt geh weiter!« Er verpasste mir einen Ruck und zwang mich weiterzulaufen.

»Das darf nicht sein...«, flüsterte ich fast lautlos und stolperte weiter.

Hoffnung.

Mein ganzes Leben lang hatte ich die Hoffnung gehabt, eines Tages ein normaler Mensch zu sein. Dieses Spiel der Lügen war eine zu große Last auf meinen Schultern. Der Druck, immer wieder helfen zu müssen, ermüdete mich.

Ich presste die Lippen zusammen und musste mich beherrschen nicht in Tränen auszubrechen.

»Schneller!«, stachelte der Kerl mich an und gab mir einen weiteren Ruck, »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«

Ich schmeckte Blut, so fest biss ich mir auf die Lippe.

Warrin.

Ich musste ihn irgendwie erreichen.

Hilfesuchend blickte ich mich in der Gasse um. Die Wände waren bedeckt mit Moos. Ein merkwürdiger Geruch erfüllte die dreckige Luft. Müllcontainer waren umgefallen, verschimmelte Essensreste quirlten aus den Öffnungen.

Ich musste improvisieren. Sofort. Die Hitze, die in mir aufgestiegen war, war nämlich ein Anzeichen dafür, dass der Täter Schlimmes vorhatte. Wenn ich mich nicht beeilte, würde er mit dem Rubin entwischen. Hoffentlich war Warrin stark genug.

Weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, stieß ich absichtlich mit meinem ganzen Gewicht gegen eine der Mülltonnen. Schnell verzog ich das Gesicht und ließ mich neben das Teil auf den Boden fallen.

Der Griff um mich löste sich.

»Autsch«, stöhnte ich und bediente mich meiner schauspielerischen Talente, um Schmerzen zu simulieren. Hastig krümmte ich den Rücken und zog im Verdeckten meinen Ärmel zur Seite, um Warrin ein schnelles »SOS« zu tippen. Hoffentlich hatte er sein GPS an, um mich ganz schnell zu orten.

Blazing HeartΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα