o88. Ein neues Erwachen

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Fassungslos starrte ich in eine tiefe Dunkelheit vor mir und konnte nicht glauben, was Thane gerade getan hatte. Er hatte mich gehen lassen und sich selbst an diesem furchtbaren Ort zurückgelassen...

Was sollten diese Worte, er wäre kein guter Mensch? Soeben hatte er mir bei der Flucht geholfen und seine einzige Chance auf eine verspielt. Was war bloß los mit ihm? Wieso verhielt er sich so... widersprüchlich.

Plötzlich sah ich wieder den Jungen von der Brücke, der mir damals das Leben gerettet hatte. Ich sah ihn zum ersten Mal wieder. Heute hatte Thane so viel Gutes getan, ich konnte es nicht an einer Hand abzählen. Warum behauptete er, er wäre kein guter Mensch, wenn die Taten von heute etwas Anderes zeigten?

Plötzlich ging der Schacht auf und ich musste mehrere Male blinzeln. Eine unheimliche Helligkeit strahlte mir entgegen. Erst dachte ich, ich wäre wieder zurück in Dr. Giffords angsteinflößendem Versteck, doch dann sah ich Fenster, durch die Licht strömte.

Ich befand mich in einer Küche. Wie die eines Hotels. Ein Mann mit Kochmütze und Schürze musterte mich erschrocken. Weitere Köche und Köchinnen kamen hinzu und blickten mich an, als könnten sie nicht fassen, was sie da sahen. Ich konnte es genauso wenig glauben.

Kraftlos drückte ich mich aus dem Aufzug und rutschte an der Wand zum Boden hinab. »Oh, Gott! Was ist passiert?«, fragte eine Köchin entsetzt und kniete sich sofort zu mir herunter, um meine mit blutbefleckten Finger in den Blick zu nehmen. 

Sie wollte mir ein Geschirrtuch geben, aber ich wehrte ab. Niemand sollte mich berühren. Ich wollte niemanden schaden, der offensichtlich nicht zu Gifford und zu meiner Gruppe verrückter Wissenschaftler gehörte.

»Polizei...«, flüsterte ich und spürte, wie mich allmählich alle Kräfte verließen. »Krankenwagen... Hilfe.«

Die ganze Zeit über hatte ich unheimliche Stärke bewiesen, aber jetzt konnte ich nicht mehr. Ich war fertig. Am Ende.

Ich verharrte am Boden, bis man die Polizei rief. Und dann erzählte ich ihnen alles. Jedes einzelne Detail seit meiner Ankunft. Einfach alles. Man wusste, dass ich Verena war und es stellte sich heraus, dass ich ganze zwei Wochen da unter eingesperrt gewesen war. Dass ich längst von Maisie und Caitlyn als vermisst gemeldet worden war. Dass mittlerweile wirklich jeder wusste, dass Warrin Mr. Ronnoc war... und ich sein Sidekick. Die ganze Welt wusste es. Das Geheimnis, das ich so lange behütet hatte, war keins mehr.

Ich musste mich nicht mehr verstecken. Ich war frei.

Endlich frei.

Eine unheimliche Last war von meinen Schultern gefallen und ich wusste nicht, wie ich dieses Gefühl in Worte fassen sollte.

Doch es verging, als man mich fragte, ob ich mich traute, wieder nach unten in die letzte Etage zu gehen, um es ihnen zu zeigen. Um Dr. Gifford Versteck zu offenbaren.

Ich schüttelte den Kopf und verlor augenblicklich das Bewusstsein. 

* * *

Immer wieder spürte ich eine leichte Bewegung an meinem Arm. Es war ein sanftes Kreisen, das sich wiederholte und nicht aufhören wollte.

Vorsichtig öffnete ich meine schwachen Lider und blickte in eine Sonne. Die Glühbirne an der Decke wurde in meinem Sichtfeld klarer. Wo war ich?

Ich blinzelte mehrmals, dann zog ich die Augenbrauen zusammen und blickte zur Seite.

Die sanfte Bewegung stoppte. Ein vertrautes Paar Augen fand meine.

Ich hielt die Luft an, blinzelte erneut, fast dachte ich, ich würde träumen.

»Verena...«, flüsterte Warrin mit aufgelöster Miene und mir wurde augenblicklich bewusst, dass ich nicht träumte.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now