o64. Wenn Dinge auseinanderbrechen

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»Was?«, fragte ich und glaubte nicht, was ich da hörte.

Pfarrer Larry fuhr sich durchs Gesicht. »Dein Vater hat es mir früh anvertraut. Euer Geheimnis. Dein Geheimnis.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

»Er hat es mir gebeichtet, nachdem er gehört hat, wie du dir das Leben nehmen wolltest. Er war verzweifelt. Am Ende. Er hatte Angst, dich darauf anzusprechen. Deshalb hat er sich an mich gewandt und dabei unweigerlich dein Geheimnis an die Oberfläche gebracht.«

Alles drehte sich. Mein Vater hatte von meinem Selbstmordversuch gewusst? Er hatte mich jeden Tag ansehen und hoffen müssen, dass ich nicht wieder eine Dummheit begann? Ich stützte mich an der nächstgelegenen Bank ab. Und er hatte Pfarrer Larry von meiner Andersartigkeit erzählt, aber mich nie eingeweiht?

»Er hatte große Angst dich zu verlieren...«, flüsterte Larry, »Ich versprach ihm, dich niemals darauf anzusprechen, aber immer ein Auge auf dich zu haben.«

Ich presste die Lippen zusammen. Dass Dad es Pfarrer Larry gesagt hatte, machte mich nicht wütend. Viel eher machte es mich traurig, dass ich erst jetzt davon erfuhr. Jetzt machten alle Dinge, die Larry jemals zu mir gesagt hatte, Sinn. Jedes einzelne Wort. Wenn ich gewusst hätte, dass es so war, hätte ich ehrlicher sein können. Ich hätte mir mehr Rat holen können.

»Wieso kommst du ausgerechnet jetzt mit der Wahrheit heraus?«, fragte ich ihn angespannt und konnte immer noch nicht glauben, dass es außer Warrin noch einen bedeutenden Menschen in meinem Leben gab, der von meinem Geheimnis wusste.

Pfarrer Larry sah besorgt an. »Weil ich sehe, dass es dir schlecht geht. Verena, zeig mir bitte deine Finger«, forderte er mich plötzlich auf.

Was? Ich machte einen Schritt zurück. »W-wieso?« 

Larry streckte die Hand nach meiner aus und zog mir die Handschuhe von den Fingern. Unsicher streckte ich ihm die zitternden Finger entgegen.

»Es passiert«, flüsterte er.

»Was passiert?«, fragte ich hysterisch.

Wusste er etwa vom der Sache mit dem zu Eis gefrierenden Wasser?

Pfarrer Larry sah mich mit alarmierten Blick an. »Du trägt so viel Leid in dir, dass dir dasselbe Schicksal wie deine Mutter droht.«

Innerlich hatte ich gewusst, was mich erwartete. Aber ich wollte es nicht wahrhaben, also hatte ich es verdrängt. Dennoch trafen mich Pfarrer Larrys Wort zutiefst.

»Ich will nicht zu Eis erfrieren!«, brachte ich entsetzt hervor und legte meine Hände um meinen Körper, den nichts als Eiseskälte umgab. Ich wollte nicht sterben.

»Hör mir zu, Verena«, Larry war im Gegensatz zu mir ruhig, »Du musst versuchen, dich mit so viel Positivität wie nur möglich zu umgeben. Wer oder was auch immer dein Herz gebrochen hat, darf ab nun keinen Platz mehr in deinem Leben haben.«

Ich schluckte schwer. Wenn das nur so einfach wäre. Thane ging und kam, wie er wollte. Er hatte schlimme Dinge gesagt und alles zerstört, an das ich jemals geglaubt hatte. Wie sollte ich mich mit Positivität umgehen, wenn fast alle mich hassten oder enttäuscht von mir waren? Hanson. Maisie. Caitlyn. Ich wusste nicht, wie ich mein Verhalten erklären sollte. Und dann war da noch diese Tasse Tee!

»Das geht nicht«, presste ich verbittert hervor, »Ich kann nicht. Vorhin hat sich Wasser in Eis verwandelt. Ich kann meinen Freunden niemals erklären, was da passiert ist.«

Pfarrer Larry weitete die Augen. »Wie bitte?«, fragte er und machte einen Schritt zurück.

»Mein Freund hat mir Tee gemacht und als ich die Tasse in den Händen hatte, war es Eis!«, erklärte ich verbittert. Nicht mehr lange und auch ich verwandelte mich für immer in Eis.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now