o36. Aber was sollte ich schon tun?

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Das ganze Stehen an der Tür rief den Schwindel wieder hervor, also machte ich ein paar Schritte zurück und ließ mich auf der Couch nieder. »Weißt du, mir geht's gerade echt beschissen...«, brachte ich murmelnd hervor und blickte zu Boden, »...ich will wirklich nicht mehr an gestern Nacht denken.«

Ich hörte, wie Hanson die Tür hinter sich schloss und auf mich zu kam. Plötzlich kniete er sich vor mir hin. Überrascht blickte ich in seine Augen und spürte im nächsten Moment seine Hand auf meiner Stirn. Ich fühlte mich einen Moment komplett unfähig mich zu bewegen. »Du bist ja auch ganz kalt...«, stellte Hanson fest, »...die Kälte gestern hat dir wohl zugesetzt.«

Ich schwieg. Wenn er doch nur wüsste, was wirklich los war. Dass diese Kälte in mir normal war. Dass sich meine Haut immer so kühl anfühlte wie der glitzernde Schnee in der Antarktis.

»Mir ist nur ein bisschen schlecht... das ist alles...«, erwiderte ich zögernd.

Hanson nahm seine Hand von meiner Stirn und legte sie auf mein Bein. »Sicher?«, hakte er behutsam nach.

Ich nickte, blickte ihm aber nicht in die Augen. Ich konnte ihm beim Lügen nicht weiter in die Augen sehen. Mit jedem Mal fühlte ich mich ein Stück schuldiger, ein Stück schlechter.

»Ich glaube dir nicht«, sagte Hanson plötzlich und veranlasste mich doch, ihm wieder in die Augen zu blicken.

»Dir ist schon seit gestern eiskalt und du bist ganz verrückt am Zittern!«, sagte er und blickte mich mit einem durchdringenden Blick an.

Ich starrte erschrocken auf meine Finger, die tatsächlich am Zittern waren. Ich war schon so daran gewöhnt, dass ich es gar nicht mehr merkte. Ich versuchte das Zittern einzustellen, aber es gelang mir nicht. Ich blickte vollkommen ertappt in Hansons blauen Augen.

»Ich glaube, wir sollten zu einem Arzt«, schlug er plötzlich vor und ließ mich erschaudern.

»N-nein!«, stotterte ich mit großen Augen, »I-ch will nicht zum Arzt!«

Die Erinnerungen an den verrückten Doktor, der mir damals beinahe die Kehle durchgeschnitten hatte, erschütterten mich heute noch bis aufs äußerste Mark. Panik durchflutete meinen Körper.

»Ich will nicht zum Arzt!«, wiederholte ich weinerlich und fing an noch mehr zu zittern. Alles, aber nicht das!

Hanson sah mich überrascht an. Er wollte die Hand nach mir ausstrecken, aber ich wich zurück. Auf einmal fühlte ich mich so unwohl in meinem Körper. Ich hatte das Gefühl, die Temperatur war noch einmal um ganze zwanzig Grad herabgestiegen.

»Schon gut«, sagte Hanson jetzt, »Ich zwinge dich ja nicht. Wenn du nicht zum Arzt willst, dann musst du nicht, aber es wäre besser für deine Gesundheit.«

Einen Moment herrschte Stille, dann nickte ich ganz langsam. Ich drehte mich von Hanson weg und lehnte den Kopf auf die Couchlehne. »Tut mir leid...«, erwiderte ich fast lautlos, »...ich habe eine Phobie, was das Thema Krankenhäuser und Ärzte angeht.«

Hanson schien zu verstehen. »Dann sollte ich meinen Plan B, Arzt zu werden, wohl wieder ganz schnell verwerfen, was?«, fragte er dann und versuchte mich aufzumuntern, aber mir war wirklich nicht zum Lachen zu Mute.

Wenn er sein Studium wirklich abbrach und in die Medizin wechselte, dann würde er die Person werden, die ich am meisten fürchtete: Ein Arzt, der sofort merken würde, dass etwas nicht mit mir stimmte.

»Solltest du...«, erwiderte ich schwach und meinte es vollkommen ernst.

* * *

Erst als ich zwei Stunden später die Augen aufschlug, wurde mir klar, dass ich einfach so vor Hansons Augen eingeschlafen sein musste. Entsetzt schreckte ich hoch und blickte durchs Wohnzimmer, wo keine Spur von ihm zu finden war.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now