o81. Wie er versuchte mich umzubringen

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Irgendwann musste ich einfach eingeschlafen sein. Denn als ich die Augen wieder öffnete, waren meine Lider ganz schwer. Ich hörte ein Geräusch, das mich zusammenzucken ließ. Für einen Moment nahm ich an, bereits im Operationssaal zu sitzen, doch dann neigte ich den Kopf zur Seite und erblickte Thane. Obwohl dieses Mal nur ein Arm an den Handschellen befestigt war, lag er zusammengekauert auf dem Boden.

Mehrere Sekunden starrte ich ihn an und stellte mir vor, dass er bereits tot war. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Einerseits wäre ein verhasster Mensch endlich fort, andererseits brauchte ich ihn. Ohne ihn würde ich hier nicht lebend rauskommen. Ohne ihn wüsste ich nicht, wo Reva sich aufhielt.

Und dennoch hatte er bis jetzt geschwiegen. Ich bezweifelte, dass er mit der Wahrheit rausrücken würde, wenn wir hier wirklich fliehen konnten. Aber ich hatte einen kleinen Hoffnungsschimmer.

Ich dachte daran, wie ich alles tun würde, um Warrin zu beschützen. Ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht, aber Warrin und ich gehörten zusammen. Auch wenn wir uns andauernd miteinander stritten, der eine kam immer zurück. Wir brauchten uns gegenseitig. Wir waren anders und Menschen, die anders waren, verstanden sich besonders gut mit Menschen, die ebenfalls anders waren.

Aber es war nicht nur das. Wir konnten nicht ohne einander. Wäre Warrin nicht gewesen, hätte ich nach Dads Tod bestimmt erneut versucht, mir etwas anzutun. Und Warrin? Ohne mich konnte er nicht Mr. Ronnoc sein.

Aber da war noch mehr. Ohne mich hat er doch auch sonst niemanden. Er hätte heiraten , eine Familie gründen können, aber stattdessen hatte er sich entschieden, der Stadt als Held zu dienen. Bei mir zu bleiben und mich in dem Moment aufzufangen, wo ich alles verloren hatte. Egal, wie oft ich schlecht über ihn dachte, in Wahrheit war Warrin für mich nicht nur der Held der Stadt, sondern auch mein Held. Wenn ich sah, wie ehrgeizig er war, dann wollte ich genauso sein. Keine Schwäche zeigen, sondern mich für alle Menschen einsetzen. Mich für jeden aufopfern. Dafür sorgen, dass das Gute gewann.

Vielleicht regte ich mich deswegen so oft über ihn auf. Weil er so viel mehr gab als ich jemals geben könnte...

Mein Blick wanderte wieder zu Thane. Mehrmals zuckte er merkwürdig zusammen. Sofort setzte ich mich auf und starrte in seine Richtung. Er drehte den Kopf zur Seite, versuchte scheinbar sich vor etwas zu wehren, was nicht da war. Er schien einen Albtraum zu haben.

Vielleicht hatte er genau das verdient. Dass er in seinen Träumen von einem schlechten Gewissen gejagt wurde, wünschte ich mir schon lange.

Plötzlich wurden seine Bewegungen heftiger. Das schlechte Gewissen schien ihn zu erschlagen. Sollte es doch heftiger zuschlagen. Er sollte leiden.

Das Schicksal schien mich zum ersten Mal wirklich zu erhören. Plötzlich rannte Thane Schweiß über die Stirn. Unruhig wälzte er sich auf der Stelle hin und her. Ich konnte seinen unregelmäßigen Atem ganz laut hören. Er wurde immer hektischer. Man konnte regelrecht sehen, wie die Hitze ihn übermannte. Wie der eigene Körper sich gegen ihn sträubte.

Ich wusste ganz genau, wie er sich fühlte. Kälte war mindestens genauso unerträglich wie Hitze. Die beiden Extreme waren kaum auszuhalten.

Plötzlich schlug er die Augen auf. Ich erschrak, weil er mich genau anstarrte und sein Blick überhaupt nichts Gutes versprach.

Wenn Thane nicht an dieser Wand angekettet wäre, dann würde er sich auf mich stürzen und dieses Mal wirklich erwürgen.

Ich sah ihm dabei zu, wie er sich wieder beruhigte. Aber seine nachtdunklen Augen trugen so viel Hass in sich, dass ich mich fragte, wie viele Jahre er das bereits geübt hatte. Nicht einmal Simon konnte so gucken. Wenn er sagte, er wolle, mich töten, da glaubte ich ihm das zwar, aber es hatte nicht einmal annähernd die Wirkung wie Thanes Blick.

Blazing HeartWhere stories live. Discover now