o69. Ein Tod kommt selten allein

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Die Lage zwischen mir und den zwei Freundinnen war angespannt. Doch dann gab es einen Anruf, der alles veränderte. Maisies Handy vibrierte. Erst dachte sie nicht einmal dran, es aus ihrer Tasche hervorzukramen, doch es hörte nicht auf. Nur widerwillig nahm sie es in die Hand. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Namen auf dem Display sah. »Linden!«, brachte sie erschrocken hervor und zeigte uns das Handy.

Ich erschauderte, weil ich nicht wusste, ob das jetzt gut oder schlecht war.

»Geh ran!«, sprach Caitlyn ihr sofort zu, »Schnell, bevor er auflegt!«

Maisie ließ sich das nicht zweimal sagen. Innerhalb einer Sekunde befand sich das Smartphone an ihrem Ohr. »Hallo«, quickte sie mit roten Wangen in ihr Handy. Die Aufregung war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

Ich senkte den Blick. Linden lachte sie bestimmt jetzt aus. Was hatte ich nur getan? Maisie würde mich gleich abgrundtief hassen.

Ich wollte mich an Caitlyn vorbei ins Treppenhaus mogeln, aber die Blondine hatte mich streng im Blick. Und da ich sie auf gar keinen Fall berühren wollte, gewann sie.

Ich blieb stehen und horchte Maisies aufgeregter Stimme. »J-ja, klar«, stammelt sie in den Hörer. Dann legte sie auf und hielt sich die roten Wangen. »Linden will sich mit mir treffen! Jetzt gleich«, brachte sie ungläubig hervor und legte die Hände auf ihre Wangen, »Er hat sich das mit dem Date doch anders überlegt. Oh, Gott. Oh, Gott!«

Caitlyn legte ihre Hände auf Maisies Schultern. »Ich wusste es doch: Niemand kann meiner besten Freundin widerstehen.«

Ich erwischte mich dabei, wie ich erleichtert ausatmete. Gott sei Dank, ich hatte mit meinem kleinen Patzer nicht alles zerstört. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass ich soeben wie eine Verrückte Hansons Katze in einem Müllcontainer entsorgt hatte.

»Geh«, brachte ich mit blassem Gesicht hervor, »Geh zu deinem Date.«

Maisie sah mich an. Die Euphorie wich ihr aus dem Gesicht. »Aber du-«

»Ich komme schon klar«, unterbrach ich sie und wollte nicht, dass sie jetzt auch noch diese Chance verstreichen ließ. Nicht wegen mir. Ich war es nicht wert.

Maisie zögerte, doch nach einem Ruck von Caitlyn lief sie endlich los. Ich blickte ihr nach und wollte mich aus tiefstem Herzen für sie freuen, aber ich konnte nicht. Dafür war ich viel zu aufgewühlt.

Caitlyn seufzte auf. »Ein Problem weniger.« Sie blickte mich an. »Jetzt zu dir. Es tut mir leid, wenn ich zu hart zu dir war, aber wir hatten schon einmal eine Freundin wie du.« Sie fuhr sich durch die blonden Strähnen und schien plötzlich gar nicht mehr so stark und selbstbewusst zu sein. Ihre Augen trugen etwas Verletzliche in sich. »Am Anfang war noch alles super, doch dann fing sie an, sich immer weiter von allen Menschen um sich herum zurückzuziehen. Erst als ihre Mutter uns anrief und sagte, dass sie nun in der Klinik sei, wussten wir, wie ernst es eigentlich gewesen ist. Wir wollen nicht noch eine Freundin verlieren.«

Bei Caitlyns Worten wurde mir schlecht. Ich wusste ja gar nicht, dass etwas so Schlimmes um die beiden Freundinnen geschehen war. Sofort fasste ich den Entschluss, die Pistole Warrin morgen bei unserem Treffen zurückzugeben. Ich wollte das Ding nicht mehr in der Wohnung haben. Nicht, dass ich wieder auf dumme Gedanken kam.

»Wir lassen dir Zeit«, sagte Caitlyn jetzt ganz leise, »Aber bitte mach dich in dieser Zeit nicht kaputt.« Sie sah mich unentschlossen an, dann drehte sich um und ging.

Ich starrte ihr nach. Ich wollte mich nicht kaputt machen. Aber ich war in diesem eiskalten Körper gefangen und leider wusste ich nicht, wie ich aus diesem Gefängnis ausbrechen sollte.

* * *

Die Nacht war unruhig. Caitlyns Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Noch dazu hatte ich Angst, dass Hanson bemerkte, dass seine Katze fehlte. Ich wusste nicht, wie ich ihm diese Sache jemals erklären könnte. Ich empfand es als falsch, so zu tun, als wäre sie entlaufen. Aber was hatte ich für eine andere Wahl?

Am nächsten Morgen setzte ich alles daran, die verdammte Pistole vorsichtig in meine Tasche zu legen und dann in Windeseile mein Apartment zu verlassen. Ich wollte die Waffe loswerden und niemals daran zurückdenken, dass ich sie beinahe wirklich betätigt hatte.

Im Eiltempo rannte ich den Weg zur Kanzlei und versuchte dabei mit keinem Menschen zusammenzustoßen. Es war längst fällig gewesen, Warrin von meinem Problem zu berichten. Hoffentlich war sein Problem kleiner als meins. Denn ein noch viel Größeres als meins würde meinen Untergang bedeuten.

Ich betrat die Kanzlei und stieß dabei beinahe mit Eliana zusammen. Leider konnte sie nicht verhindern, dass der Kaffee ihr aus der Hand fiel. Erneut betrachteten wir einen riesigen Fleck an der Wand. Gott, Warrin würde uns noch umbringen.

»Es tut mir so leid!«, entschuldigte sich Eliana panisch.

Nervös bewegte ich mich auf der Stelle. »Nein, das war meine Schuld. Aber ich kann dir nicht helfen. Ich muss wirklich dringend zu Warrin.«

Eliana nickte so, als wäre ihr das von vornerein klar gewesen. Mir zerbrach ihr trauriges Gesicht das Herz, aber ich konnte ihr jetzt nicht helfen. Diese Pistole musste weg.

Ich entschuldigte mich mit einem Blick und rannte dann die Treppen herunter. In Sekundenschnelle gab ich den Code ein und betrat die geheime Zentrale des Superhelden Mr. Ronnoc.

Warrin war bereits drin und ging auf und ab. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Er war nicht verblutet. Meine Nähereien hatten ihn nicht umgebracht.

»Da bist du ja«, murrte er und zeigte auf seine Uhr, »Zwei Minuten zu spät!«

Ich hob die Augenbrauen. Anscheinend hatte ich besonders gut genäht. Warrin war so schlecht gelaunt wie eh und je. Ich stellte meine Tasche auf dem Tisch ab. Die Pistole herauszuholen traute ich mich noch immer nicht.

»Wir haben ein Problem«, sagte Warrin und erst jetzt bemerkte ich, wie fertig er eigentlich aussah. Sein Haar war ungekämmt, er hatte die Knöpfe von seinem Hemd falsch zugemacht und seine Augen waren geschwollen.

»Das ist schlecht. Ich habe nämlich auch ein Problem«, erwiderte ich und wusste gar nicht, wie ich meinen Zustand in Worte fassen sollte.

Warrin stockte. »Du hast was?«, fragte er und sah vollkommen verwahrlost aus.

Ich verzog das Gesicht. Was auch immer es war. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass sein Problem schlimmer war. Wenn es etwas Harmloses wäre, würde er es nämlich überspielen. »Erst du.«

Er lachte verbittert auf. »Du willst meins zuerst hören? Gut, ich sag's dir! Vielleicht entpuppt sich diese Geschichte dann ja doch als ein Albtraum.« Warrin sah aus, als hätte er nächtelang nicht geschlafen und war das da der Geruch von Whiskey, den ich wahrnahm?

Ich runzelte die Stirn. Das letzte Mal, als Warrin sich betrunken hatte war... nein, eigentlich betrank sich mein Chef nie.

Plötzlich erblickte ich etwas, von dem ich nicht glauben konnte, dass ich es sah. In schnellen Schritten war ich am Schrank und nahm Mr. Ronnocs Maske herunter. Sie hatte in der Mitte einen mehr als deutlichen Riss. Ich drehte mich zu Warrin um. »Was ist das?«, fragte ich entsetzt, »Was ist passiert?«

Warrin fuhr sich durchs Haar, dann kam er auf mich zu und nahm mir die Maske aus der Hand. Mit einem Knacken brach er sie in zwei Hälften.

Mir klappte der Mund auf.

»Mr. Ronnoc existiert nicht mehr«, sagte Warrin und schien am Boden zerstört.

»Nein, tut er doch«, widersprach ich erschrocken und verstand nicht, was mit Warrin los war, »Er steht genau vor mir!«

Warrin senkte den Blick. »Vielleicht tut er das«, erwiderte er bitter, »Aber ohne seine Fähigkeiten.«

Ich weitete die Augen. »Was?«, stöhnte ich und konnte nicht glauben, was er da von sich gab.

Warrin zog die Luft ein, dann nickte er mehrmals. »Ich kann nicht mehr fliegen. Seit Tagen versuche ich es, aber immer wieder gehe ich zu Fall. Meine Fähigkeiten haben mich endgültig verlassen. Mr. Ronnoc ist tot.«

Blazing HeartWhere stories live. Discover now