o27. Vorbereitungen für die Gala

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»Oh, du wirst fantastisch aussehen!«, schwärmte Maisie und hing das Kleid an die Tür, »Deine Begleitung wird Augen machen.«

Ich ließ mich erschöpft aufs Sofa fallen. »Ich denke nicht...«, seufzte ich, »...er ist nicht so der Typ für Gefühle.«

Maisie setzte sich zu mir. »Was ist mit Hanson? Ist der schon abgeschrieben?«

Ich biss mir auf die Lippe. »Ich weiß nicht. So wie sich das angehört hat, habe ich ihn nicht komplett vergrault.«

»Du hast ihn bestimmt nicht vergrault!«, sprach sie mir zu, »Ich bin mir sicher, dass er dich genauso sehr mag wie du ihn. Frag du ihn doch nach noch einem Date.«

Ich errötete. »Ich weiß nicht, ob ich mich das traue.«

Dann setzte ich mich richtig auf. »Hey, warte mal!«, sagte ich, »Wieso gibst du mir hier eigentlich die Ratschläge? Du hast doch selbst deine Probleme mit Linden!«

Maisie fuhr sich durchs Haar. »Keine Ahnung«, erwiderte sie, »Irgendwie ist es einfacher Ratschläge zu geben als selbst was zu tun.«

»Das brauchst du mir nicht zwei Mal zu sagen.«

Maisie und ich lachten auf. Wieso musste es immer nur so kompliziert sein mit den Männern? Maisie hatte es im Gegensatz zu mir jedoch einfacher. Sie hatte ja nicht zufällig auch merkwürdige Fähigkeiten, die ihr den Alltag erschwerten. Ich war verwundert darüber, dass ich es geschafft hatte, mit Maisie, Caitlyn und Hanson eine Reihe an Freundschaften zu knüpfen. Die Frage war nur, wie lange es noch hielt. So weit wie jetzt war ich nämlich schon oft gekommen. Aber meine Versuche waren zum Scheitern verurteilt. Wenn eine Lüge aufflog, flogen sie alle auf und dann, dann würde ich wieder alleine dastehen. So wie immer.

Maisie schien zu merken, dass es mir nicht gut ging. »Hey, mach nicht so ein Gesicht«, sagte sie und legte ihre Hand auf meinen Rücken, »Das mit Hanson wird schon!«

Ich blickte in ihre dunklen Augen. Wenn sie doch nur wüsste, was mich wirklich beschäftigte. 

Nachdem Maisie gegangen war, saß ich alleine in meinem kleinen Apartment. Mein Blick war starr nach vorne gerichtet. In meiner Hand hielt ich meinen Glücksbringer. Ich bewegte die Münze von Finger zu Finger. In meinem Kopf war wieder dieser verrückte Gedanke, Maisie einfach zu erzählen, dass ich anders war. Ich hatte definitiv ein Problem. Ich vertraute Menschen viel zu schnell und war echt bereit, alles über mich auszuplaudern. Einmal hätte ich das Schweigen wirklich fast gebrochen. Am Ende war ich froh, dass ich es doch nicht getan hatte. Die Freundschaft war nämlich nie dafür bestimmt gewesen, von längerer Dauer zu sein. Ich wurde nur benutzt und dann ausgelacht. Die Erinnerungen an die Middleschool waren grässlich. Manche Menschen trugen einfach zu viel Bosheit in sich.

Ich schüttelte langsam den Kopf und starrte wieder auf die Münze. Jeder Mensch hatte Bosheit in sich. Wir hatten eine gute und eine schlechte Seite. Es lag an uns, für welche wir uns entschieden. Ich hatte mich zwar für die gute Seite entschieden, sündigte aber, indem ich log. Indem ich Hanson Dinge erzählte, die gar nicht stimmten. Indem ich Maisie nicht sagte, um was es wirklich ging. Aber ich durfte nicht ehrlich sein. Ich musste lügen. Dad hatte immer das Beste für mich gewollt und jetzt, wo er nicht mehr da war, musste ich seine Arbeit weiterführen. Er hatte mich nicht umsonst so beschützt. So geliebt. So behütet.

»Komm nach Hause...«, las ich die Schrift auf der Münze vor. Nach all den Jahren hatte ich immer noch nicht herausgefunden, was das für eine Sprache war, mit denen diese Worte geschrieben waren. Und ich hatte nie wieder diesen Jungen gesehen, der mein 15-jähriges Ich gerettet hatte. Manchmal da wollte ich ihn wieder treffen und mich dann bei ihm bedanken. Denn wenn ich nicht mehr gewesen wäre, wer hätte dann für Warrin so schnell das Böse aufgespürt? Wer hätte dann gewusst, zu welcher Zeit, wer zuschlug? Wer hätte dann diese unzähligen Straftaten verhindert? Richtig. Niemand. Nur einmal wünschte ich mir, dass Warrin sich dafür bei mir bedankte. Selbst die kleinste Geste reichte mir, aber er tat mir diesen Gefallen einfach nicht.

* * *

Zwei Tage später stand die Versteigerung an. Ich hatte mir den ganzen Abend so viel Zeit beim Fertigmachen gelassen, dass ich am Ende doch in Zeitmangel geriet. Wie ein aufgescheuchtes Huhn rannte ich von Zimmer und Zimmer und versuchte meine Sachen zu finden. Warrin kam in zehn Minuten und wenn ich bis dahin nicht komplett fertig war, würde er mich den ganzen Abend mit düsteren Blicken bestrafen.

Ich stürmte in mein Schlafzimmer, verabschiedete mich von meinem Pyjama, den ich noch von heute morgen trug, und schlüpfte in meine dicke Sportleggins. Auch wenn ich heute wie eine Prinzessin aussehen wollte, ich musste trotzdem in der Lage sein mich gut zu bewegen. Warrin und ich waren ja nicht aus Spaß auf dieser Versteigerung.

Schnell zog ich ein ein hautenges Top an und strich mir zuletzt meine Lieblingssocken über die Füße. Sie waren zwar quietschpink, aber unter dem Kleid würde man sie genauso wie den Rest sowieso nicht sehen.

Hastig nahm ich das roséfarbene Kleid vom Kleiderbügel und schlüpfte vorsichtig rein. Ich war stolz darauf, was ich mit ein wenig Hilfe von Maisie geschaffen hatte. Hoffentlich gefiel es nicht nur uns so gut. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war ein Warrin, der die ganze Zeit an meinem Aussehen rummeckerte.

Leider bekam ich den Reißverschluss nicht komplett zu. Um das letzte Stückchen müsste sich wohl oder übel der Superheld kümmern. Ich stolperte zum Spiegel und vervollständigte mein Make-Up. Da ich mich wirklich nicht gerne schminkte, blieb ich bei einem dezenten Nudeton, der nur leicht ins Rote ging. Maisie hatte von dunkelroten Lippen gesprochen, aber das war mir wirklich zu viel des Guten. Ich presste die Lippen zusammen und betrachtete noch einmal mein restliches Make-Up. Ein sanfter Lidstrich zierte jeweils mein rechtes und linkes Augen. Leicht hatte ich meine Wangen mit Rouge bepudert, um nicht so blass zu wirken.

Ich löste meinen Zopf und ließ mir die gedrehten Locken sanft über die Schultern fallen. Langsam schritt ich zurück und betrachtete mich im Gesamtbild. Alles saß perfekt. Blütenfarbene Seide umschmeichelte meine Beine. Der weiche Stoff war umgeben von Tüll und gab im Licht des Spiegels einen besonderen Ton von sich. Am Dekolleté und an den eng anliegenden Ärmeln war das Kleid mit Pailletten und silbernen Steinchen bestickt. Meine Ohren zierten kleine Perlenohrringe und in meinen Haaren funkelte ein silberner Haarreif, der ebenfalls mit Steinchen besetzt war. Den hatte Maisie mir mitgebracht und ich musste sagen, dass ich in am liebsten behalten wollte, so schön fand ich ihn.

Zufrieden drehte ich mich um meine Achse. So musste das gehen. Ich sah akzeptabel aus und konnte gut in meinen Stiefel laufen, wenn es brenzlich wurde.

Ich zog meinen Ärmel zur Seite und legte mir meine Uhr wieder um. Auch wenn sie wirklich nicht zum Outfit passte, musste sie mit. Warrin musste mich immer erreichen können und ich ihn.

Ich strich den Ärmel wieder drüber und überlegte, ob ich etwas vergessen hatte. Nein, ich hatte alles. Perfekt, dann könnte es ja losgehen. Oder auch nicht. Meine Tasche fehlte doch noch! Wie konnte ich nur meine Clutch vergessen? Genau in dem Moment, in dem mir das einfiel, läutete es an der Tür.

»Komm rein!«, rief ich und kniete mich hin, um meine Clutch unterm Bett herauszukramen.

Die Tür ging auf. »Ich bin hier!«, murrte ich und musste fast komplett unters Bett kriechen, um die Tasche in die Finger zu kriegen. 

»Verena!«, hörte ich Warrin brummen, »Wenn du jetzt noch nicht fertig bist, dann fliegen wir hin. Darauf kannst du dich gefasst machen.«

Oh, da hatte jemand ja wirklich gute Laune. Ich zog meine weiße Tasche hervor, klopfte den Staub ab und packte schnell Lippenstift, einen kleinen Handspiegel, Puder, Pfefferspray und Handschellen ein. Die üblichen Dinge einer Frau, die auf Verbrecherjagd ging.

»Verena!«, sagte Warrin jetzt ungeduldiger.

»Ich komme ja schon!«, rief ich, knipste das Licht im Schlafzimmer aus und betrat das Wohnzimmer, wo Warrin mit verschränkten Armen stand und ungeduldig wartete. Er trug einen schwarzen Anzug und sah mit seinem Drei-Tage-Bart und den funkelnd grünen Augen verboten gut aus.

»Fertig«, seufzte ich und ging zum Spiegel, »Nur noch der Reißverschluss.«

Ich sah im Spiegel, wie Warrin die Augen verdrehte. Nichtsdestotrotz stellte er sich hinter mich und zog den Reißverschluss bis nach ganz oben. Ging doch.

Zufrieden drehte ich mich um und grinste ihn an. »Und wie findest du es? Habe ich selbst designet.«

Warrins Gesichtsausdruck änderte sich, als er mich genauer betrachtete. Einen Moment starrte er mich einfach nur an. Dann nickte er langsam. »Ist in Ordnung. Und jetzt komm! Wir sind sonst zu spät.«

Blazing HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt