[2]

20.7K 870 196
                                    

Obwohl ich den Bissen von meinem Croissant noch gar nicht hinunter geschluckt habe, stopfe ich schon den letzten Rest des Gebäcks in meinen Mund.

In Eile gieße ich den frisch aufgebrühten Kaffe in einen To Go Becher aus Keramik. Natürlich muss ich etwas daneben schütten.

"Tyren!", ziehe ich das 'e' in seinem Namen lang, "Beweg deinen Hintern. Wir sind schon wieder viel zu spät dran."

Mit meinen Socken rutsche ich über die gebohnerten Holzdielen im Flur. "Hier, damit du in die Gänge kommst", drücke ich dem schwarzhaarigen Jungen, der mir mit verschlafenen Augen entgegenkommt, den Kaffeebecher in die Hand.

Nachdem ich in meine Stiefel geschlüpft bin, stopfe ich in meine ledernde Umhängetasche mein Portmonee und die Wohnungsschlüssel. "Ich gehe nach der Arbeit noch einkaufen. Brauchst du etwas?", rufe ich durch den dunklen Türspalt in das Zimmer meiner Mitbewohnerin hinein. Doch von ihr kommt nur ein genervtes Grummeln zurück.

"Vic, was erwartest du?", lacht mich Tyren - der feste Freund meiner Mitbewohnerin - aus. Kopfschüttelnd greife ich zur Klinke und öffne die grau gestrichene Wohnungstür. "Jacke", weißt mich der Junge knapp darauf hin, bevor er im Treppenhaus verschwindet.

Den Kopf in meinen Nacken werfend, greife ich nach meiner Daunenjacke und laufe Tyren hinterher ins Erdgeschoss.

Der kalte Dezemberwind pfeift um unsere Ohren. Nächste Woche würde es sicherlich schon schneien. Um noch pünktlich zu kommen, steigen wir zwei in meinen kleinen dunkelblauen VW Polo ein. Dafür, dass ich ihn erst eineinhalb Jahre besitze, sind schon reichlich Kilometer runter.

Genau um halb zwölf betreten Tyren und ich den 'Pizza Shack'. "Wie immer auf die Minute genau", empfängt uns die Filialleiterin, "Jacken aus, Schürzen um und ab an die Arbeit." Wir nicken und verschwinden eilig in den kleinen Raum, in dem die Spinde für das Personal stehen.

0-8-1-2. Zügig drehe ich mein Schloss auf die richtigen Zahlen. Die gleichen Ziffern werden auf der kleinen digitalen Uhr neben den Spinden angezeigt.

Kurz blicke ich auf das Familienfoto, welches ich vor einem Jahr in meine Spindtür geklebt habe. "Hat er heute schon angerufen?", fragt Tyren vorsichtig, während er sich seine schwarze Schürze umbindet.

"Nein, er hat sicherlich im Laden zu tun. Wie immer", schüttel ich meinen Kopf. "Hey, Kopf hoch, Tikaani. Heute wird dein Tag", versucht er mich aufzumuntern.

Lautes Stimmengewirr empfängt uns, als wir hinter den Verkaufstresen treten. "Alles Gute zum Geburtstag, Victoria!", rufen einige Arbeitskolleginnen. Dann stimmen sie ernsthaft ein Geburtstagslied an. Natürlich etwas schief.

Peinlich berührt wippe ich auf meinen Fersen hin und her, während ich darauf hinfiebere, dass der Gesang abklingt. "Danke Leute, lieb von euch", bedanke ich mich halbherzig. Dann werde ich von Madison und Olivia in eine Umarmung gezogen.

Zwillinge, die neben ihrem Abitur am Wochenende im 'Pizza Shack' arbeiten.

"Nein, nein, ich brauche diesen Anstecker nicht", versuche ich mich zu wehren, als Olivia mir die Brosche an das schwarze Poloshirt steckt. Ein hässliches goldenes Etwas, auf dem ein lachender Smiley und das Wort 'Geburtstagskind' abgebildet ist.

Ein blödes Ritual an diesem Arbeitsplatz. Ich habe es schon letztes Jahr gehasst.

"Okay, ich denke ich brauche euch nicht daran zu erinnern, dass der Laden um 12 Uhr öffnet. Genau in zwanzig Minuten. Jeder erledigt bis dahin bitte noch seine aufgetragenen Aufgaben", unterbricht die Filialleiterin diese absurde Situation.

Während Tyren den Getränkeautomaten befüllt, schnappe ich mir den Putzeimer. Vor dem Öffnen müssen alle Tische abgewischt werden. Damit der frische Zitronenduft noch in der Luft hängt und die Gäste den Eindruck haben hier würde auf Sauberkeit geachtet werden.

Was natürlich wirklich die höchste Priorität hat. Ansonsten wäre dieser Laden schon längst geschlossen. Und ich arbeitslos.

Mit meiner persönlichen Bestzeit - 17 Tische in genau 13 Minuten - und einem breiten Grinsen, gehe ich das Putzwasser auf der Personaltoilette ausschütten.

Ein dumpfer Gong - das Zeichen, dass die Türen vom 'Pizza Shack' nun für alle offen stehen - erklingt. Schon wenige Minuten später beginnt das Telefon zu klingeln.

"Pizza Shack. Guten Tag. Victoria am Apparat. Was möchten Sie bestellen?", nehme ich das Telefongespräch mit den Standardsätzen an. "Hi, zwei Familienpizzen Margherita und drei Portionen Pizzabrötchen für zwei Uhr", meldet sich eine junge Frauenstimme zu Wort. "Natürlich. Gerne liefern wir die Bestellung zu Ihnen nach Hause. Nennen Sie mir bitte Ihre Adresse?", fahre ich mit weiteren vorgegebenen Sätzen fort.

Nachdem die Frau mir ihre Adresse diktiert und aufgelegt hat, mache ich einen Bestellzettel fertig. "Lauren, um 14 Uhr ist Pizza Auslieferung angesagt", warne ich die Pizzabotin für den heutigen Vormittag schon einmal vor. Zum Zeichen ihres Verständnis streckt sie ihren Daumen in die Höhe.

Dann widmen wir uns Beide einigen Gästen, die den Laden betreten und an unterschiedlichen Tischen Platz nehmen.

#####

Wer hasst Ständchen zum Geburtstag? 😂

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt