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"Bereit, um den ersten Punkt auf deiner Liste ab zu arbeiten?", begrüße ich Shawn, als er mir die Haustür öffnet. Verwirrt sieht er mich an.

"Ich möchte Skateboard fahren können, ohne gefilmt zu werden", zitiere ich den Jungen vor mir. Ein Downhill Longboard, das ich mir vor langer Zeit von Tyren ausgeliehen habe, halte ich in die Höhe.

Wahrscheinlich sollte ich es ihm endlich mal wieder geben. Denn solche Dinger sind echt teuer. Aber ich habe mich in das Design verliebt.

Ein Lächeln breitet sich auf Shawns Gesicht aus. "Komm rein. Ich wollte mich gerade zum Skateboard fahren fertig machen", zwinkert er mir zu.

Im Spiegel, der über der Kommode im Flur hängt, blicke ich mir entgegen. Meine Wangen sind von der Kälte gerötet. Unter meiner bordeauxroten Mütze schauen zwei geflochtene Zöpfe hervor.

Shawns Wünsche schwirrten eben beim Arbeiten in meinem Kopf umher, als ich aus Langeweile einige Wörter auf eine Serviette gekritzelt habe. Zwar ist es erst neun Uhr an einem Dienstagabend. Doch ich hoffe, dass nicht mehr viele Leute, die Shawn erkennen könnten, auf den Straßen unterwegs sind.

Mit einer Kreuzung aus Skate- und Longboard kommt der Braunhaarige die Treppe herunter gejoggt. Das Deck ist Mintgrün. Im Vordergrund ist eine giftgrüne muskulöse Hand abgebildet.

"Hat Hulk seinen Arm verloren?", lache ich. "Sieht so aus", grinst Shawn, während er in ein Paar schwarze Sneaker schlüpft. "Es kann losgehen", reibt er seine Hände an einander.

Der Wind pfeift sofort um unsere Ohren, als wir langsam den Bürgersteig entlang rollen. "Interessierst du dich für Superhelden?", reißt mich Shawn aus meinen Gedanken.

"Oh, weil ich den Arm von Hulk erkannt habe?", schlussfolgere ich. "Nein, eigentlich nicht. Mein Bruder war früher auf die ganzen Comichefte ganz versessen. Manchmal hat er mir etwas daraus vorgelesen. Er meinte, die Abenteuer von Clark Kent würden mir später mehr nützen, als Gute Nacht Geschichten", lache ich.

"Oh Mann, Calvin ist sicherlich ein cooler großer Bruder", lächelt der Junge neben mir. Wir nehmen etwas an Fahrt auf, aber wir sind noch langsam genug, um uns zu unterhalten.

"Du auch, Shawn", muntere ich ihn auf, da ich den Eindruck habe, dass er an seinen eigenen Qualitäten als Bruder zweifelt.

"Kennst du diese Muskelshirts, die die Oberkörper der Superhelden aufgedruckt haben?", nehme ich das vorherige Thema wieder auf. "Calvin hat fast alle davon", lache ich.

"Und dann wagst du es, dich nicht für Superhelden zu interessieren?", schmunzelt Shawn. "Jeder muss eben seine eigene Berufung finden", seufze ich theatralisch.

"Hast du deine schon gefunden?" Grinsend überholt mich der Braunhaarige. Lässt sich dann aber wieder zurück fallen, um meine Antwort abzuwarten.

"Weiß nicht genau", zucke ich mit meinen Schultern, "möglicherweise einfach ich sein und verrückte Dinge erleben?"

"Klingt auch gut", verlässt Shawn den Bürgersteig und fährt einfach auf der Straße weiter. Überrascht blicke ich mich um, aber zu meiner Erleichterung sind weit und breit keine Autos zu sehen.

"Vertraust du mir?", fragt der Braunhaarige auf einmal, während er nach meinen Händen greift. "Ich schätze schon", kneife ich meine Augen leicht zusammen. Wir beide stehen einander zugewandt seitlich auf unseren Boards.

Plötzlich senkt sich der Boden ab und wir fahren ein Gefälle hinab. Die Rollen drehen sich immer schneller. Automatisch verlagere ich mein Gewicht zur linken Seite. Glücklicherweise kann man mit dem Downhill Longboard die Geschwindigkeit verringern.

Doch das nützt nichts, da Shawn schon dabei ist mich mit seinem Board zu überholen. "Wenn ich sterbe ist das ganz alleine deine Schuld", rufe ich gegen den Wind, als ich wieder an Fahrt aufnehme.

"Ich komme zu deiner Beerdigung", lacht Shawn. Völlig versteift blicke ich auf den Berg, den wir runter gefahren sind, zurück, während wir auf einer geraden Straße ausrollen.

Meine Füße kribbeln total, da der Straßenbelag nicht eben ist. "Ich hoffe für dich, dass du diesen Berg schon öfter runter gefahren bist und ich kein Versuchskaninchen war", schlage ich Shawn leicht gegen seine Brust, als wir uns auf einer Bank nieder lassen.

"Bestimmt schon hundert Mal", versichert er mir. Seine Haare stehen wild zu allen Seiten ab, was mich zum Lächeln bringt. Nachdem ich auf seine Locken gedeutet habe, fährt er sich einige Male durch die Haare. Aber es bringt nicht wirklich viel.

"Es ist wahrscheinlich nicht wirklich das, was du dir vorgestellt hast, als du sagtest, du willst Skateboard fahren ohne gefilmt zu werden", blicke ich mich seufzend um.

Die Straßenlaternen erhellen den Bürgersteig. Vereinzelt sehe ich, wie Menschen aus ihren Autos aussteigen und in den Häusern verschwinden. Aber Fußgänger sind keine unterwegs.

"Es ist perfekt, Victoria", lächelt mich Shawn an, "ich werde von keinem gefilmt und darf mit einer der tollsten Personen im Universum Skateboard fahren."

"Schleimer", lache ich. Der Junge neben mit legt einen Arm um mich und ich lehne mich an ihn. Einige Zeit sitzen wir einfach nur so da. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach.

"Weißt du, was ich schon immer einmal machen wollte?", wende ich mich an Shawn. Dieser sieht mich abwartend an.

"Eigentlich wollte ich schon immer mit dem Fahrrad durch den Drive-In einer Fastfoodkette fahren. Aber ich glaube, der Drive-Thru von Starbucks tut es auch."

Schmunzelnd lässt der Braunhaarige seinen Blick zu dem grün gestrichenen Gebäude schweifen, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt.

"Du bist verrückt", lacht er, "auf geht's!" Mit seinen Fingern umschließt er meine Hand und zieht mich hinter sich her.

Lachend fahren wir die Auffahrt entlang. "Was willst du trinken?", möchte Shawn wissen. "Cappuccino", grinse ich.

Der Junge drückt einen Knopf an einem der üblichen Kästen und gibt unsere Bestellung auf.

Die Frau am Schalter blickt uns verwirrt an, als wir an dem Fenster stehen bleiben. "Einen schönen Abend noch", wünscht Shawn höflich, nachdem er bezahlt hat.

Ein paar Sekunden später lache ich laut los. "Der Blick der Frau war unbezahlbar!", krümme ich mich leicht, während ich mein Longboard in Fahrt bringe.

Hinter mir höre ich Shawn lachen, der versucht mich einzuholen. "Wie kommst du auf solche Ideen", schüttelt er grinsend seinen Kopf. Ich zucke lediglich meine Schulter, bevor ich einen kleinen Schluck meines Cappuccinos nehme.

"Danke übrigens", hebe ich verlegen den Becher nach oben. "Kein Ding", schlürft Shawn genüsslich an dem Strohhalm.

"Was trinkst du da jetzt noch einmal?", frage ich nach. Die Typbezeichnungen bei Starbucks sind einfach nur unnötig kompliziert.

"Ein Iced Green Tea Latte", präsentiert mit der Braunhaarige lachend sein Getränk. "Natürlich, es ist auch noch nicht kalt genug hier draußen", grinse ich.

Im Slalom fahre ich um einige Laternen drumherum, während der Junge wieder auf der Straße fährt. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu Shawn nach Hause.

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Mit Longboards bergab fahren klappt nur mit dem richtigen Partner *hust* _blvcksoul_ *hust* 😂

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt