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Die Wärme des Hauses umfängt mich sofort. Meinen Mantel unter den Arm geklemmt, schlendere ich durch das Wohnzimmer. Draußen ist die Temperatur in den letzten Stunden um einige Gradzahlen gesunken.

"Was machen wir jetzt?", drehe ich mich auf dem Parkettboden im Kreis. Shawn läuft geradewegs auf mich zu und ich halte meinen Atem an. Im letzten Augenblick geht er mit einem Grinsen links an mir vorbei. Alle unmöglichen Gedanken aus meinen Kopf verbannend schüttel ich mich.

"Ich könnte dir mein Zimmer zeigen, wenn du willst. Ich habe mir beim Einrichten viel Mühe gegeben."

"Oh ja", rufe ich erfreut aus. Damit entlocke ich ihm ein leises Lachen. In mir breitet sich eine kindliche Vorfreude aus.

Shawn lotst mich in den Flur und dann die Treppe hoch. "Unten hast du eigentlich schon alles gesehen. Flur, Küche, Wohnzimmer und dann gibt es noch ein Badezimmer", erklärt er, als wir oben ankommen. Wir gehen an drei Türen vorbei. "Ein Gästezimmer und Aaliyahs Zimmer, wenn sie vorbei kommt." Zu der dritten Tür sagt er nichts, sondern öffnet eine Vierte am Ende des Flurs. "Und hier ist mein Zimmer", tritt er rückwärts in den Raum.

Neugierig stelle ich mich neben ihn. Eine Wand ist mit einer schwarz weißen Kommode, die zur rechten Seite hin in einen Schrank übergeht, zugestellt. In einem ziemlich dunklen blau ist die Skyline von Toronto an die Wand gemalt.

"Hast du das selbst gemalt?", frage ich erstaunt. "Nein", schüttelt Shawn seinen Kopf, "ein Kumpel hat eine Schablone gebastelt und mir dann geholfen, es an die Wand zu sprühen."

"Das ist ziemlich cool. Ich möchte auch sowas in meinem Zimmer haben", grinse ich. "Demnächst komme ich mit der Schablone bei dir vorbei", scherzt der Junge.

Eine weitere Wand wird von einer großen Fensterfront eingenommen. Jedoch wird das Zimmer durch Vorhänge verdunkelt. Vor dem Fenster steht ein graues Sofa mit vielen bunten Kissen. Setzt man sich darauf, ist der Blick nach draußen gerichtet. Zwei große palmenartige Planzen rahmen das Sofa ein.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist eine weitere Tür eingelassen. "Da du bereits einen Schrank hier im Zimmer hast, nehme ich an, die Tür führt zu keinem begehbaren Kleiderschrank. Hast du etwa ein anschließendes Bad?", rate ich.

"Ja, ich wollte schon immer ein eigenes Badezimmer haben. Neunzehn Jahre habe ich davon geträumt und es endlich verwirklicht." Seine Augen strahlen, als wäre das Bad etwas ganz Besonderes. "Aber dir gehört jetzt ein ganzen Haus, Shawn", erinnere ich ihn etwas desorientiert.

"Ich weiß", lächelt er, "weil ich nie aufgehört habe, zu träumen." Mit einem verwirrten Seitenblick, lasse ich diesen Satz einfach im Raum umher schweben.

Links neben der Badezimmertür steht eine gläserne Vitrine - gefüllt mit Fotos und Souvenirs. Auf die Schnelle kann ich den Eiffelturm, die Freiheitsstatue und eine hölzerne Abbildung der Stonehenge ausmachen.

An der rechten Seite der Wand ist ein Schreibtisch aufgebaut. Zahlreiche Blöcke, lose Blätter, Stifte und Bücher verdecken die Sicht auf die Tischplatte. Anstelle eines Stuhls, liegt ein schwarzer Gymnastikball unter dem Tisch. Gerade so verkneife ich es mir, mich darauf zu setzen.

Zum Schluss betrachte ich die letzte Zimmerseite. Ein schwarzes großen Boxspringbett, ein ebenfalls schwarzer Nachttisch und eine Stehlampe sind dort angeordnet. Ein großes Stofftuch ist über dem Bett an die Tapete genagelt. Um es besser betrachten zu können, trete ich näher heran.

Mein linkes Knie findet automatisch den Weg auf die Matratze. Es wird von einer bunt gepunkteten Bettdecke umhüllt. "Was ist das für ein Wappen?", betrachte ich das rot goldene Symbol, welches auf dem Stoff abgebildet ist.

"Du weißt nicht, was das für ein Wappen ist?", tritt Shawn hinter mich. Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken. "Sollte ich?", zucke ich mit meinen Schultern.

Während ich auf eine Antwort warte, sehe ich mir den auf den Hinterbeinen stehenden Löwen weiterhin an. Auf einem goldenen Band steht 'Gryffindor' geschrieben.

"Das ist das Wappen vom Haus Gryffindor", erklärt der Braunhaarige. "Wow, danke. Lesen kann ich auch", verdrehe ich lachend meine Augen.

"Sei nicht so frech." Schmollend sieht er mich an, als ich mich zu ihm umdrehe. Herausfordernd strecke ich meine Zunge aus dem Mund. Doch als mich Shawn umstößt, ziehe ich sie schnell wieder ein. Grinsend liege ich auf dem Rücken - unter mir seine weiche Daunendecke.

Fast panisch macht der Braunhaarige einen Satz nach vorne und umgreift meine Hüfte. "So ein Frevel wie du hat es gar nicht verdient in meinem Bett zu liegen. Der heilige Boden wurde von einer Sünderin verseucht", ruft er übertrieben, sodass ich merke, dass er rumalbert.

Ich halte meinen Atem an, als er mich hoch hebt - als würde ich zwanzig Kilo weniger wiegen - und auf den Fußboden abstellt. "Okay, welchen schwerwiegenden Fehler habe ich in meinem Leben gemacht?", frage ich.

"Du hast scheinbar noch nie Harry Potter gesehen, geschweige denn gelesen." Wirklich aufgewühlt fährt Shawn sich durch die Haare.

Zustimmend nicke ich. "Du hast Recht, ich kenne Harry Potter nicht wirklich. Du bist nicht der Erste, der mich dafür tadelt."

"Wieso tust mir das an, Victoria?", legt er seinen Kopf in den Nacken. "Okay, also so hat noch niemand reagiert, dem ich erzählt habe, dass ich Harry Potter nicht kenne", kicher ich leise und unsicher. "Du hängst an dieser Geschichte, oder?" Nachdem ich die Frage gestellt habe, erscheint ein Lächeln auf Shawns Gesicht.

"Ja, ich hänge sehr daran. Mit der Geschichte bin ich sozusagen aufgewachsen. Es sind so gut wie die einzigen Bücher, die ich je gelesen habe. Die Filme habe ich so oft gesehen, dass ich nahezu jeden Satz mitsprechen kann. Manche Leute erklären mich für verrückt, weil ich schon immer ein Hogwarts Schüler sein wollte. Und um ehrlich zu sein, habe ich diesen Gedanken noch nicht ganz beiseite gelegt. Nur wegen diesen Filmen war ich ewig lange in Emma Watson verknallt. Ich weiß, peinliche Sache. Aber du kennst doch sowas bestimmt auch von einer Serie oder einem Film?"

Bei dem Gedanken an einen jungen Shawn wie er Emma Watson anbetet, schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht. "Naja, ganz so besessen war ich glaube ich noch nicht, aber im Grunde kann ich dich verstehen", versichere ich ihm. Erleichtert pustet Shawn die ganze Luft, die er scheinbar eingehalten hat, aus.

"Bleibst du noch etwas?", fragt der Braunhaarige, nachdem er sich einmal in seinem eigenen Zimmer ungesehen hat. "Wenn das okay ist." Unsicher blicke ich auf meine Hände. "Würde ich fragen, wenn es nicht okay wäre?"

"Wer weiß", kratze ich mich an der Schläfe, "ich bleibe gerne noch etwas."

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt