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Breit lächelnd springe ich meinem Bruder in die Arme. "Willkommen in New York City, Schwesterchen", dreht er sich mit mir einmal im Kreis. Am liebsten würde ich Calvin gar nicht mehr los lassen, so sehr habe ich ihn vermisst.

Staunend sehe ich mich um. Zwar befinden wir uns noch im Flughafen. Aber auch der ist schon beeindruckend. Ich bin noch nie viel gereist. Daher ist das hier eine ganz neue Erfahrung.

Zuvorkommend greift der blonde Junge nach meinem Koffer. "Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Flug", erkundigt sich Calvin, während wir uns einen Weg durch die vielen Menschen bahnen.

"Mein Sitznachbar hat die ganze Zeit geschnarcht", stöhne ich, "aber wenigstens habe ich daran gedacht, meine Kopfhörer in mein Handgepäck zu packen. Also war es mit etwas Musik erträglich."

"Der Typ hat echt bei einer Flugdauer von zwei Stunden geschlafen? So lange brauche ich alleine schon, um endlich meine Augen zu schließen", überlegt mein Bruder.

Kühle Luft weht in mein Gesicht, als wir nach draußen treten. Ein Taxi nach dem anderen hält vor dem Ausgang an und lädt neue Fahrgäste ein. Mit einer einfachen Handbewegung bringt Calvin ein gelbes Auto dazu, auch vor uns stehen zu bleiben.

Lachend mache ich seine Bewegung nach. "Wie lange genau hast du das zuhause vor dem Spiegel geübt?", frage ich. Natürlich bleibt wegen meinem Winken kein zweites Taxi stehen. Der Blondhaarige sieht mich nur belustigt an und setzt sich auf die Rückbank.

Es ist unglaublich, wie viele Menschen und Autos auf den Straßen unterwegs sind. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, während wir an den riesigen Gebäuden vorbei fahren.

Als wir in den bereits vierten Stau geraten, stöhnt Calvin etwas genervt auf. Doch mir bleibt dadurch umso mehr Zeit alles ausgiebig zu betrachten.

"Wo gehen wir als erstes hin? Was gibt es alles schönes in Brooklyn zu sehen?", bombardiere ich meinen Bruder mit meinen Fragen. "Ich dachte, ich bin mal so gnädig und gehe mit dir ein bisschen durch die Einkaufsstraßen, wenn du willst. Und heute Abend stelle ich dich meinen Teamkollegen vor."

"Okay, gerne", nicke ich, "aber gehen wir auch noch in diesen Park, der dem Central Park nachempfunden ist?" Calvin sieht mich lachend an. "Du meinst den Prospect Park." Er bezahlt den Taxifahrer und bedeutet mir auszusteigen.

"Also können wir in den Prospect Park gehen?", hake ich nach, während wir ein Hochhaus betreten. "Meinetwegen", seufzt der Junge neben mir. Er war noch nie ein Fan von Blumen und Bäumen.

Erwartungsvoll betrete ich seine Wohnung. "Nie im Leben hast du die selbst eingerichtet", drehe ich mich mit ausgestreckten Armen im Kreis. Von der Wohnungstür aus kann ich direkt die Küche und das Esszimmer, welches in das Wohnzimmer über geht, betrachten. In den Ecken stehen zahlreiche Pflanzen und ich bin mir sicher, dass Calvin sich die ganzen Dekoartikel nicht freiwillig gekauft hat.

"Maya hat sich hier vollkommen ausgelebt", seufzt mein Bruder. Lachend rolle ich mich über die Rückenlehne und lasse mich auf das Sofa fallen. "Hast du ihr gesagt, dass sie das als einen halben Heiratsantrag sehen kann?", grinse ich, während ich meinen Blick durch das Licht durchflutete Wohnzimmer schweifen lasse.

"Du bist so lustig", lacht Calvin gekünstelt. "Ich spreche nur das Offensichtliche aus", hebe ich abwehrend meine Hände, "du hast dir noch nie von Jemanden sagen lassen, wie du oder deine Sachen auszusehen haben."

"Ja, können wir dieses Thema abhaken?", fragt der Junge schlecht gelaunt, "mit Maya läuft es gerade nicht so gut. Also will ich mir jetzt nicht so etwas anhören." Sofort richte ich mich auf und klopfe auf den Platz neben mir. "Tut mir leid, Cal."

Es erstaunt mich, dass er so offen zu mir ist. Normalerweise spricht er mit mir nur über die guten Dinge in seinem Leben. Möglicherweise denkt er, dass er mich mit seinen Problemen nicht belasten kann.

Erschöpft setzt sich mein Bruder neben mich. Als ich mich an ihn kuschel, legt er seine Arme um mich. "Du weißt, dass du mit mir auch über Sachen, die nicht so gut laufen, reden kannst?", erkundige ich mich.

"Das weiß ich, Vic. Aber so schlimm ist es auch nicht. Glaub mir, es ist nur eine kleine Meinungsverschiedenheit." Langsam rutscht der Blondhaarige tiefer in die Kissen und legt seine Füße auf dem Wohnzimmertisch ab.

Mein Blick fällt auf einen Bilderrahmen, der auf einem dunkelbraunen Regal steht. Calvin umarmt von hinten eine hübsche Frau, die breit in die Kamera lächelt. Man muss nicht sonderlich intelligent sein, um zu wissen, dass das Maya ist. Leise seufze ich, da ich sie durch den Streit der Zwei in den nächsten Tagen höchstwahrscheinlich nicht kennenlernen werde.

Nachdem ich meinen Koffer im Gästezimmer ausgepackt habe, schlendere ich ein paar Stunden später mit Calvin durch die Straßen von Brooklyn. "Du verhältst dich, als wärst du auf einem Bauernhof aufgewachsen", lacht er mich aus, als ich erneut stehen bleibe, um die Umgebung besser aufnehmen zu können.

Augen rollend strecke ich ihm meine Zunge raus. "Ich habe fast neunzehn Jahre lang in Carp gelebt. Dort, wo die Einwohnerzahl gerade mal bei zweitausend Menschen liegt. Nur weil ich jetzt schon beinahe zwei Jahre in der Nähe von Toronto lebe, heißt das nicht, dass ich mich an diese riesigen Dimensionen gewöhnt habe", halte ich einen Vortrag.

"Okay, okay. Ich habe gar nichts gesagt", grinst mein Bruder. Dann zieht er mich an meinem Arm hinter sich her. Das hat zur Folge, dass ich mich bei drei Leuten entschuldigen muss, weil ich sie angerempelt habe.

"Jetzt entscheide dich endlich", fordere ich meinen Bruder auf. Immer wieder hält er zwei unterschiedliche Schuhe in die Höhe. Beide sind schwarz. Das eine Paar hat jedoch grüne und das andere weiße Streifen.

"Welche würdest du denn nehmen?", fragt er mich. "Schwarzweiß", deute ich knapp auf die linken Schuhe. Auch wenn Calvin gesagt hat, er möchte mir einen Gefallen tun, indem er mit mir durch die Einkaufsstraßen läuft, habe ich ihn längst durchschaut. Er brauchte dringend mal wieder eine weibliche Shoppingbegleitung.

Nachdem der Junge bezahlt hat, machen wir uns auf den Weg zurück in seine Wohnung. Bevor Calvin mich seinen Teamkollegen vorstellt, möchte ich mich noch einmal etwas frisch machen. Denn nach dem langen Tag fühle ich mich echt gammelig.

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt