[75]

9.3K 472 166
                                    

August 2018

Als ich den kleinen Garten betrete, sitzt Shawn zusammen gekauert auf einer hölzernen Bank. Sein Gesicht hat er in seinen Handinnenflächen vergraben. Jeglicher Funke seiner sonst so selbstsicheren Ausstrahlung fehlt. Da es mittlerweile schon dämmert, wirft eine einsame Laterne ein schwaches Licht auf den Körper des Braunhaarigen. Das Bild, das sich mir bietet, trieft vor Traurigkeit.

"Hey", berühre ich vorsichtig seine Schulter, während ich mich neben ihn hinsetze. "Ich dachte, du kommst nicht mehr", murmelt Shawn. Dabei macht er sich nicht einmal die Mühe, zu mir aufzusehen. "Wieso das?", ziehe ich meine Augenbrauen zusammen, "wenn du mich bittest, dich zu treffen, dann komme ich auch."

Kurz schweife ich mit meinen Gedanken ab. Einen Augenblick ziehe ich in Erwägung, ihm sofort von der Begegnung mit meiner Mutter zu erzählen. Doch wahrscheinlich ist dies nicht der richtige Ort dafür. Also warte ich ab, bis der Braunhaarige wieder das Wort ergreift.

"Vielleicht war dir eher nach einigen Tänzen mit diesem Schönling, als nach einem Gespräch mit mir", spuckt der Junge die Wörter förmlich aus. So, als wären sie vollkommen abartig. "Du meinst Anthony?", lache ich trocken. "Ist er derjenige, den du brauchst?", unterbricht mich Shawn, bevor weitere Wörter meinen Mund verlassen können.

Plötzlich richtet sich mein Freund auf und starrt mich regelrecht an. Dadurch, dass er seine Zähne unheimlich fest aufeinander presst, ist sein Kiefer angespannt. Erschrocken lehne ich mich einige Zentimeter zurück. "Was?", blinzle ich verwirrt. Diese Situation überfordert mich in diesem Moment unheimlich. 

"Du brauchst einen Mann. Keinen Jungen, der beinahe ein ganzes Jahr jünger ist, als du. Richtig?", vergräbt Shawn seine Hände aufgebracht in seinen Haaren. "Du glaubst, dein Alter ist für mich ein Problem?", versuche ich den dicken Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken.

Fahrig lege ich meine Hände auf seinen Oberschenkel ab. Meine Finger, die mittlerweile zittern, drücke ich immer stärker in den schwarzen Stoff seiner Jeans. Ich möchte Shawn keineswegs wehtun, doch ich weiß nicht, wohin mit der Verzweiflung, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitet.

"Sag mir, dass du nicht wirklich darüber nachgedacht hast, ob ich ein Problem damit habe, dass du jünger bist", bitte ich mit Nachdruck, als der Braunhaarige lediglich auf meine weißen Hände starrt. "Das kann ich nicht, Victoria", flüstert er leise, "heute Abend denke ich nicht zum ersten Mal darüber nach. Es ist eine konstante Frage, die schon Wochen lang in meinem Hinterkopf feststeckt."

"Wieso?", rufe ich schon beinahe, während sich in meinen Augen kleine Tränen bilden, "es tut mir leid, dass ich mit Anthony getanzt habe. Das hätte ich nicht tun sollen. Schließlich gehört sich das nicht, wenn man vergeben ist. Aber du musst mir glauben, dass ich mit ihm überhaupt nichts zu tun habe. Er ist ein guter Freund von Calvin. Aber für mich doch nur ein flüchtiger Bekannter. Anthony ist mir vollkommen egal. Der einzige Junge, der mich interessiert, bist du. Du, Shawn!"

Schnell wische ich mit meinem Handrücken über meine Wangen, um die Tränen zu trocken. Doch es sind zu viele, die mittlerweile aus meinen Augenwinkeln fließen. Inständig bete ich, dass meine Wimperntusche nicht allzu sehr verläuft. "Mir ist egal, wie alt du bist. Mir ist egal, was andere darüber denken könnten. Mir ist egal, dass du glaubst, ich würde jemand anderen brauchen. Denn ich weiß ganz genau, dass das nicht stimmt", atme ich unregelmäßig ein und aus.

"Warum denkst du, dass du mir nicht reichst?", frage ich verzweifelt. Meine Zähne bohre ich regelrecht in meine Unterlippe, damit sie endlich aufhört zu zittern. "Ich weiß nicht, was ich mir überhaupt hierbei gedacht habe", springt Shawn energisch von der Bank auf.

"Ich weiß auch nicht, wieso ich dich vorhin so blöd von der Seite angemacht habe", reißt er seine Arme in die Luft, "aber was ich weiß, ist, dass ich dir nicht einmal einen gemeinsamen Tanz auf der Hochzeit deines Bruders bieten kann. Ich kann dir gar nichts bieten. Dabei hast du alles - wirklich alles - verdient."

"Du kannst mir nichts bieten?", lache ich ungläubig unter Tränen, während ich mich ebenfalls von der Bank erhebe, "in den letzten Monaten hast du mir so unheimlich viel gegeben. Ich durfte erleben, wie es ist mit Shawn Mendes befreundet zu sein. Wie es ist, von einem Jungen auf Händen getragen zu werden. Wenn ich in deiner Nähe bin, verspüre ich eine unheimliche Lebensfreude. Du unterstützt mich, du wärmst mich, du liebst mich. Du bietest mir eine echte Beziehung. Bevor ich dich getroffen habe, habe ich noch nie so intensiv gefühlt."

Bei jedem Satz trete ich einen Schritt näher an den Jungen heran. "Sieh mich an", bitte ich Shawn, bevor ich meine Hand auf seiner Wange ablege und kleine Kreise mit meinem Daumen zeichne. Seine Augen sehen so trostlos aus. "Dein Problem ist, dass du nicht mit mir dort auf der Tanzfläche stehen kannst?", deute ich in etwa in die Richtung des Festsaals, "dann tanz mit mir. Hier und jetzt."

Ungläubig sieht mich der Braunhaarige einige Sekunden an. "Ich bin ein schlechter Mensch", flüstert Shawn in die Dunkelheit, "mit dir habe ich alles, was man sich nur wünschen kann, Victoria. Aber ich habe nichts Besseres zu tun, als dir Vorwürfe zu machen, weil du einmal mit einem anderen Jungen deine Zeit verbracht hast. Nur weil ich scheinbar ein zu kleines Ego habe."

"Du bist kein schlechter Mensch", spreche ich genauso leise. Ein Lachen, das mehr als verzweifelt klingt, verlässt den Mund des Braunhaarigen. "Du darfst das nicht immer tun", hebt Shawn seine Hände an meine Wangen. "Was?", schließe ich meine Augen, um seine Berührungen mit jeder Faser meines Körpers zu genießen.

"Du darfst nicht immer so gutmütig sein. Du kannst nicht ständig diejenige sein, die dafür sorgt, dass ich mich besser fühle." Vorsichtig beugt er sich zu mir hinunter und verteilt sanfte Küsse auf meiner Wange. "Bitte hör auf zu weinen", flüstert Shawn, bevor er mit seinem Daumen die letzte Träne, die aus meinem Auge kullert, auffängt.

"Ich weine gar nicht mehr", krächze ich, da ich mir weitere Tränen verkneifen muss. "Das ist gut", lächelt der Junge leicht, "du solltst wegen mir keine Tränen vergießen. Du sollst glücklich sein."

"Mit mir", fügt Shawn einige Sekunden später leise, fast flehend, hinzu. "Das bin ich", nicke ich immer wieder, während ich meine Arme um seinen Nacken schlinge. "Ich bin glücklich mit dir", wiederhole ich noch einmal.

"Ich liebe dich, Victoria", haucht er gegen meine Haut, nachdem er mich an meiner Hüfte ganz nah an sich heran gezogen hat. "Und ich brauche dich mehr, als alles andere auf der Welt. Ohne dich fühle ich mich nicht mehr komplett. Dieses Gefühl hat bis jetzt nur die Musik in mir ausgelöst. Aber nun bist du da. Und du bedeutest mir so viel mehr. Ich spiele sogar mit dem Gedanken dir zu sagen, dass unsere Hochzeit schöner als die deines Bruders wird, weil ich dich nicht mehr in meinen Leben vermissen möchte."

Mit einem breiten Lächeln sehe ich meinem Freund direkt in die Augen. "Du spielst nicht mehr mit dem Gedanken. Du hast es gerade gesagt", kichere ich, da seine Rede so unheimlich süß war. Einen Moment blinzelt mich der Braunhaarige verwirrt an.

Aber dann legt Shawn sanft seine Lippen auf meine, nachdem er sich versichert hat, dass ich nichts dagegen habe. Lächelnd drücke ich meinen Mund  fester gegen seinen. Ohne lange abzuwarten vertieft er diesen Kuss gefühlvoll.

"Und du denkst wirklich, dass unsere Hochzeit schöner wird?", frage ich schmunzelnd nach. Ich finde, dass Calvin die Messlatte bereits ziemlich hoch gelegt hat. "Natürlich", umarmt mich Shawn, während er sein Kinn auf meinem Kopf ablegt, "für mein hübsches Mädchen wird es nur das Beste von allem geben."

Leise lachend kuschle ich mich an meinen Freund. "Das ist unheimlich süß", zeichne ich mit meinem Zeigefinger auf seinem Rücken kragelige Linien, "aber bis zu diesem bedeutenden Tag bleiben uns immerhin noch viele Jahre zum Planen."

"Das stimmt", murmelt der Junge verträumt in meine Haare. Dann legt er seine rechte Hand an meine Hüfte und verschränkt meine Rechte mit seiner Linken. Langsam beginnt Shawn, mich über die Wiese zu führen, während er eine Melodie vor sich her summt.

"Ich hoffe, du gestattest mir diesen einen Tanz, bevor du wieder zurück in den Saal solltest, um mit Calvin zu feiern", grinst mich der Braunhaarige an. "Nichts lieber als das", lächel ich, bevor ich meinen Kopf an seiner Schulter anlehne.

#####

Ich weiß, dieses Kapitel macht überhaupt keinen Sinn. In meinem Kopf sah alles etwas besser aus🤔

Aber Victoria muss in diesem Buch auch endlich mal weinen!

Ich habe heute Morgen der schönen Zahl '19' auch schon hinterher geweint😂 Jetzt fällt es nur noch mehr auf, dass ich nicht im gleichen Alter wie Shawn bin. Traurig😂

Macht euch alle einen schönen Tag!✌

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt