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"In 40 Minuten musst du eine neue Bestellung ausgeliefert haben", teilt mir ein Junge mit dunkelblonden Haaren mit, als ich von der Toilette komme. Er hat erst letzten Montag neu im 'Pizza Shack' angefangen und irgendwie ist sein Namen in meinem Kopf noch nicht hängen geblieben. "Alles klar. Hast du den Bestellzettel für mich?", frage ich nach. Der Blondhaarige reicht ihn mir über die Theke.

Schon wieder ein Mensch, der um Mitternacht noch eine Pizza essen will. Kopfschüttelnd betrachte ich den Zettel in meiner Hand. Die Adresse kommt mir bekannt vor. Bei den Mengen an Auslieferungen, die ich wöchentlich mache, kann das auch durchaus vorkommen. Nachdem ich die Bestellung durchgelesen habe, fange ich leise an zu lachen. "Einmal Pizza Peperoni mit Käsegefüllten Rand, einmal Schinken-Käse Pizzabrötchen, einmal Ben & Jerry's Cookie Dough", murmel ich vor mich hin.

"Alles okay bei dir, Victoria?", fragt mich der Neuling. "Sicher, Sam", nicke ich. Verblüfft blicke ich auf und schaue in das erstaunte Gesicht des Jungen. "Du kennst meinen Namen?"

"Wenn Sam dein Name ist, dann ja", wunder ich mich, dass ich ins Schwarze getroffen habe. "Wow, also wirst du mich jetzt nicht mehr 'Hey du da', 'Blondchen' oder 'Neuling' nennen?", fragt er etwas angepisst. "Ich überlege es mir", verdrehe ich meine Augen.

"Schließ bloß den Laden richtig ab", warne ich den Blondhaarigen, als ich 20 Minuten später mit einer schwarzen Thermobox und einer weißen Tüte durch die Tür verschwinde.

Gleiche Straße. Gleiche Hausnummer. Gleiche bordeauxrote Hausfassade.

Geschwind laufe ich den Kiesweg entlang, warte darauf, dass das Haus von den vielen Lampen im Vorgarten angeleuchtet wird und drücke meinen Daumen etwas länger als nötig auf den Klingelknopf.

Ein Jubelruf erklingt, als der Braunhaarige die Haustür öffnet. Verwirrt sehe ich ihn an. "Was?", fragt Shawn. "Was was?", verdoppele ich das Wort, "was war das gerade?" Mit seiner rechten Hand kratzt er sich am Hinterkopf. "Habe ich eben wirklich laut gejubelt?", überlegt er. Zustimmend nicke ich. "Oh okay, der Jubel sollte eigentlich nur in meinem Kopf zu hören sein." Schuldbewusst bläst er seine Wangen auf.

Nur wegen dieser Geste rasten meine Gedanken vollkommen aus. Es sieht so verdammt süß aus, wie er dort steht und nur langsam wieder die Luft aus seinem Mund lässt.

"Und warum hast du jetzt genau gejubelt", versuche ich in Erfahrung zu bringen. "Na, weil du mir diesmal wieder die Pizza bringst. Gestern habe ich ganz umsonst das ganze Zeug bestellt." Meine Augen weiten sich. "Das ist ein Scherz", lache ich.  "Nein", schüttelt Shawn den Kopf, "gestern war so ein Blondchen da. Sah nach einem ziemlichen Neuling aus."

Jetzt muss ich richtig anfangen zu lachen.  "Ich weiß wen du meinst. So nenne ich ihn auch immer. Er hat tatsächlich erst vor einer Woche angefangen, Pizza auszuliefern."

"Umso besser, dass du wieder an der Reihe bist. Da kommt die Pizza wenigstens im Ganzen an", schüttelt er verständnislos den Kopf. "Oh, kein Ding. Ich kann den Pizzakarton auch noch ein bisschen schütteln, wenn dir eine zermatschte Pizza lieber ist", grinse ich und hole demonstrativ den Karton aus der Thermobox. "Auf gar keinen Fall!", schreitet Shawn ein, während er mir die Bestellung aus der Hand nimmt.

"Das macht dann...", setze ich an. "17,50 Dollar", beendet der Braunhaarige meinen Satz. Breit lächelnd hält er mir einen 20 Dollarschein entgegen. "Diesmal etwas kleiner. Damit du keine Diskussion anfängst, wie viel Trinkgeld ich dir geben darf und wie viel nicht."

Seufzend nehme ich das Geld entgegen. "Danke. Aber ich finde es nicht wirklich toll, wie du mit Trinkgeld um dich wirfst", lege ich meine Gedanken offen. Auch, wenn ich mich eigentlich über so viel zusätzliches Geld freuen sollte. "Im Moment ist es bisschen im Überfluss da. Wieso nicht also etwas Gutes tun?", schiebt der Junge seine Hände in die Hosentaschen.

"Wow, okay. Geht es noch etwas eingebildeter? 'Ich bin Shawn und kaufe mir alles was ich will.' Gleich erzählst du mir, dass du hier alleine wohnst und das ganze Haus von deinem Geld bereits abbezahlt ist", schüttel ich etwas genervt meinen Kopf. "Aber es ist so." Ungläubig schaue ich Shawn an. "Wie alt bist du? Zehn? Hat dir noch keiner beigebracht, dass Reichtum nichts ist, womit man angibt?"

"Oh, so schätzt du mich also ein?", braust Shawn auf, "und nein, ich bin keine Zehn! Ich bin 19 Jahre alt und vermutlich reifer, als du es jemals sein wirst!"

"Wow, das hat gesessen", schlucke ich. "Hey Victoria, so habe ich das nicht gemeint", rudert der Junge zurück. "Doch hast du. Aber das ist okay. Ich habe schließlich auch nichts Nettes gesagt", entschuldige ich mich halbwegs.

Eine Stille tritt ein, die kaum zum aushalten ist. Meine Gedanken kreisen. Am liebsten würde ich einfach in mein Auto flüchten.

"Weißt du, es ist komisch. Ich sehe dich an und bereue zutiefst, wie dieses Gespräch verlaufen ist. Ich meine, ich kenne dich nicht einmal und trotzdem will ich nicht, dass du so nach Hause gehst. Ich blicke in dein Gesicht und wünsche mir so sehr, dass sich deine Mundwinkel wieder zu einem Lächeln erheben", durchbricht Shawn die Stille.

"Shawn, das ist verrückt", stottere ich, "wir sehen uns heute zum zweiten Mal. Ich kenne dich nicht. Du kennst mich nicht. Und scheinbar kommen wir aus zwei ganz verschiedenen Welten." Eilig hebe ich die Thermobox auf. "Dann lass uns das ändern", versucht mich der Braunhaarige aufzuhalten. "Ich weiß nicht", schüttel ich meinen Kopf.

"Wann hast du wieder die Nachtschicht, Victoria?", ruft mir Shawn hinterher, als ich schon fast den Kiesweg verlassen habe. Die Art, wie er meinen ganzen Namen ausspricht, macht mich auf eine ungewohnte Art verrückt.

"Samstag", gebe ich von mir, "ich liefere nur Montags und Samstags bis Mitternacht aus."

Den ganzen Weg nach Hause überlege ich, wieso ich mich überhaupt gefreut habe, den Jungen mit diesen unglaublichen Haaren wiederzusehen.

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Interviewer: "What's the most bizarre story you have ever read about yourself?"

Shawn: "There are these things called fanfiction. If you don't know what they are don't google them! They're quiet gnarly."

Me: "Thanks a million, Mr Mendes!!!"

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt