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August 2018

"Ich mach das schon", winke ich meinen Bruder zu mir herüber. Darüber grinsend, dass er es selber nicht kann, binde ich ihm seine Krawatte richtig. "Was würde ich nur ohne dich machen, Schwesterherz?", zieht Calvin noch einmal am Knoten. So, als müsste er überprüfen, ob ich meine Arbeit auch korrekt erledigt habe.

"Das war eine rhetorische Frage, richtig?", lache ich, während ich aus dem kleinen Fenster blicke. Wir befinden uns im zweiten Stock des kleinen Gemeindehauses, das vor einigen Jahrzehnten neben der Kirche errichtet wurde. Auf dem Vorplatz, der sich aus zahlreichen Kieselsteinen zusammensetzt, laufen einige Gäste umher.

Während die einen scheinbar noch auf den Rest ihrer Familie warten, fallen sich Andere herzlich in die Arme. Als ich die Menschen beobachte, wird ein Gedanke in meinem Kopf immer präsenter. "Kommen Mom und Dad?", quetsche ich zwischen meinen Zähnen hervor. "Ich weiß es nicht", tritt der Junge hinter mich, "zumindest haben sie nicht abgesagt."

Nickend drehe ich mich zu Calvin um. "Versprich mir, dass du diesen Tag genießt", lege ich meine Hände auf seine Schultern, die von einer schwarzen Anzugsjacke aus Seide bedeckt werden. "Mach dir keine Gedanken darum, was unsere Eltern denken oder tun. Achte nicht auf mich, wenn ich Dad begegnen sollte. Schließ deine Augen und tanze mit deiner Frau."

"Maya sieht übrigens wunderschön aus", stelle ich mich auf meine Zehenspitzen, um meinem Bruder diese Wörter ins Ohr zu flüstern. Diese Aussage beziehe ich sowohl auf ihr natürliches Erscheinungsbild, als auch auf ihren Anblick in ihrem Hochzeitskleid.

Als ich vorgestern in Brooklyn angekommen bin, hat mich Calvin zum Essen eingeladen und mir endlich seine Verlobte vorgestellt. Man könnte sagen, dass es etwas kurzfristig war. Doch ich würde ihn sowieso nicht davon abhalten wollen Maya zu heiraten.

"Du hast sie heute schon gesehen?", leuchten die Augen des Jungen vor mir regelrecht auf. Schmunzelnd nicke ich. "Nur ganz kurz. Aber sie wird alle Gäste ins Staunen versetzen", lächle ich, während ich mein Kleid aus türkisen Tüll zurecht rücke. "Das bezweifle ich überhaupt nicht", fährt sich der Blondhaarige aufgeregt über sein Gesicht. 

"Darf ich dich noch einmal als einen unverheirateten Mann umarmen?", blicke ich grinsend zu meinem Bruder auf. "So lange du möchtest", lächelt der Junge. Dann öffnet er seine Arme weit und zieht mich in eine feste Umarmung. "Danke, dass du heute hier bist", murmelt er gegen meine Haare. "Ich verpasse doch nicht die Hochzeit von meinem Bruder", empöre ich mich, bevor ich Calvin noch einmal ganz fest an mich drücke.

Zum wiederholten Mal ertappe ich meinen Bruder dabei, wie er im Spiegel überprüft, ob seine Frisur auch wirklich sitzt. "Ich platze gleich vor Nervosität", schüttelt Calvin erneut seine Hände aus. "Shawn sagt immer, wenn man nicht nervös ist, dann besteht die Gefahr, dass es einem nicht wichtig genug ist", lächle ich sanft. Nachdem ich mich wieder zu dem Fenster gewendet habe, schweift mein Blick in die Ferne.

Noch gestern habe ich mit Shawn telefoniert. Ich wollte bloß keine Chance, dass er mich doch auf die Hochzeit begleitet, verstreichen lassen. Doch mal wieder haben wir uns alles andere, als nett über dieses Thema unterhalten. Natürlich sollte ich seine beziehungsweise Andrews Entscheidung endlich akzeptieren. Aber ich vermisse meinen Freund an so einem großen Tag einfach an meiner Seite.

Energisch schüttle ich meinen Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. "Vic, wir sollten die Zeit nutzen und ein paar Fotos schießen. Ich brauche mal wieder ein aktuelles Hintergrundbild von uns", durchbricht Calvin die Stille. "Du siehst dir meine Fresse jedes Mal, wenn du dein Handy anschaltest, an?", lache ich, während sich meine Wangen ein wenig erhitzen.

Ebenfalls lachend streckt er mir sein Telefon entgegen, damit ich das Bild betrachten kann. Es ist eins, das wir vor vielen Jahren mit dem ersten Handy, das Calvin bekommen hat, aufgenommen haben. Da gab es noch keine Innenkameras. Dementsprechend bescheuert sieht das Foto auch aus. Zumal ich mir zu dieser Zeit ein Fransenpony schneiden lassen habe und mein Bruder diese typische Justin Bieber Frisur besaß.

"Oh Gott, oh Gott", schüttle ich meinen Kopf. Dann schnappe ich mir schnell mein Handy und drücke ein paar Mal auf den Auslöser, während Calvin komische Grimassen schneidet. Nachdem ich ein schönes herausgesucht habe, sende ich es grinsend an Paula. "Beweisfoto Nummer 4", betitele ich es.

Als ich ihr am Anfang der Woche mitgeteilt habe, dass ich donnerstags und freitags die Vorlesungen schwänzen werde, um nach New York zu fliegen, war ihre Bedingung, dass ich sie mit zahlreichen Fotos auf dem Laufenden halte. Am liebsten hätte sich das Mädchen ebenfalls ein Flugticket gekauft, als ich hinzugefügt habe, dass ich eine ganze Woche bleibe. Darüber muss ich im Nachhinein immer noch schmunzeln.

"Na los, es ist so weit", reibe ich meine Hände aneinander, nachdem ich auf die Uhr geblickt habe. "Ja", atmet Calvin lediglich tief ein und aus. Im Vorbeigehen schnappe ich mir den kleinen Blumenstrauß, der mit einem türkisen Tuch umwickelt ist. Einige Minuten später betrete ich durch eine Seitentür die Kirche und positioniere mich neben dem Altar.

Adam, wohl der beste Teamkollege von meinem Bruder, tritt lächelnd neben mich. Gegenüber von uns steht ein blondhaariges Mädchen und ein grimmig dreinblickender Junge. Beide kenne ich nicht. Jedoch weiß ich, dass es die Trauzeugen von Maya sind. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, erheben sich alle anwesenden Gäste von der Kirchenbank.

Während der typische Hochzeitsmarsch auf der Orgel gespielt wird, mimt die kleine Nichte von Maya das Blumenmädchen. Die Sechsjährige verteilt strahlend über den ganzen Gang rosarote und türkise Blüten. Als sie vorne ankommt, stellt sich Calvin zwischen uns. Und schließlich tritt Maya mit ihrem Vater am Ende des Ganges durch den Haupteingang der Kirche.

Ein erstauntes Raunen geht durch die Menge. Ein Seitenblick auf meinen Bruder verrät mir, dass er völlig sprachlos ist. Diese Reaktion treibt mir beinahe die Tränen in meine Augen. Lächelnd beobachte ich die Braut dabei, wie sie von ihrem Vater zum Altar begleitet und schließlich mit einem Kuss auf die Wange in den Bund der Ehe entlassen wird.

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Leute, es ist soweit! Ich fange jetzt mit den Zeitsprüngen, die ich schon lange in meinem kleinen Kopf geplant habe, an.

Das Thema der Hochzeit ist übrigens Türkis/Weiß, falls man es nicht erkannt hat😂😂

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt