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In meinem Magen macht sich ein komisches Gefühl breit. Je weiter der Abend voranschreitet, desto mehr habe ich das Gefühl, ich müsste mich vor Aufregung übergeben. Um runter zu kommen, schüttel ich immer wieder meine Arme aus und lockere meinen Nacken. Doch das führt nur dazu, dass ich noch unruhiger werde. Ich frage mich, wann ich zu so einem Mädchen mutiert bin.

Shawn hat den ganzen Abend nicht angerufen. Er hat keine Pizza bestellt. Keine Pizzabrötchen. Kein Eis. Hoffentlich erwartet er mich überhaupt noch.

"Victoria, kannst du mir noch eben helfen?", ruft mich Sam, der hinter der Theke hervor kommt. "Natürlich", murmel ich abwesend, während ich einen Wischer und Putzeimer von dem Neuling entgegen nehme. Da wir um zwanzig vor zwölf eh keine Bestellungen mehr annehmen, verbringe ich die restliche Zeit damit, den Ladenboden zu wischen.

Als vier Mal ein Gong ertönt, verschwinde ich mit meinem Rucksack auf der Personaltoilette. Wahrscheinlich drehe ich im Moment völlig durch, doch ich möchte nicht schon wieder in der Arbeitsuniform bei Shawn auflaufen. Bis jetzt hatte ich immer nur das schwarze Polohemd und die Cappie mit den Initialen vom 'Pizza Shack' an.

Die Kopfbedeckung verschwindet als erstes in meiner Tasche. Dann wechsel ich mein Oberteil gegen eine hellblaue Bluse mit dünnen weißen Längststreifen. Bevor ich den Raum verlasse kämme ich meine Haare glatt und sprühe mich mit Deo ein.

Mich selbst verfluchend mache ich mich auf den Weg zum Auto, nachdem ich mich von Sam verabschiedet habe. Ich hatte mich doch auch in nach Pizzeria riechenden Anziehsachen mit Shawn verstanden. Warum lege ich jetzt so einen großen Wert auf mein Äußeres?

Ein letztes Mal atme ich tief ein und aus. Dann drücke ich auf den Klingelknopf. "Hast du dich doch dazu entschieden, dich bemerkbar zu machen?", öffnet mir der braunhaarige Junge die Tür. Fragend und gleichzeitig ertappt blicke ich ihn an.

"Ich stand dort am Fenster", deutet Shawn mit seinem Daumen nach rechts, "und ich habe mich gefragt, was dich zum Zögern veranlasst hat. Bin ich so schrecklich?" Ein unsicheres Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus.

"Oh, nein nein. Ich...ich war mir nur nicht sicher, ob du mich wirklich heute Nacht noch sehen willst", versuche ich mich zu erklären. "Natürlich will ich das. Ich habe extra gekocht. Also...Willst du rein kommen?" Shawn tritt genau wie beim letzten Mal einige Schritte zur Seite.

Ohne ein weiteres Mal zu zögern, betrete ich sein Haus. "Du kannst die Schuhe und Jacke anlassen." Überrascht gebe ich ein 'Okay' von mir. Gemeinsam durchqueren wir den Flur und bleiben in der Küche stehen. Ein totales Chaos herrscht hier. "Ja, ignorier das hier einfach", bittet mich Shawn. Das bringt mich zum Schmunzeln.

Dann öffnet er eine schmale Tür aus Milchglas. Die war mir letztens gar nicht aufgefallen. "Bereit?", streckt er mir seine Hand entgegen. "Bereit wofür?" In meinem Körper breitet sich Vorfreude aus. Auch wenn ich nicht genau weiß, worauf.

Ich ergreife seine Hand und er zieht mich nach draußen. Wir betreten eine kleine Terasse. Dahinter kann ich einen Garten erkennen. Nachdem Shawn einen Lichtschalter betätigt hat, summen einige Gartenlampen auf und tauchen den Ort in ein angenehmes orangenes Licht.

"Setz dich", bittet mich der Braunhaarige. Wie ein Gentleman rückt er einen Stuhl ein Stück vom Tisch weg und schiebt ihn wieder heran, als ich mich setze. Links und rechts vom viereckigen Tisch stehen zwei Wärmestrahler, die einen vergessen lassen, dass es Dezember ist.

Er lässt sich gegenüber von mir nieder. "Shawn, das ist...", fehlen mir die Worte, "es ist wunderschön. Unglaublich, wie viel Mühe du dir gegeben hast." An seinen Wangen bilden sich Grübchen, als er wie ein kleiner Junge anfängt zu strahlen. "Es freut mich, dass es dir gefällt."

Immer noch staune ich über die Ambiente. "Ich hoffe, du hast noch nicht gegessen und ordentlich Hunger", wischt sich Shawn seine Hände an der Jeanshose ab. Ich schüttel meinen Kopf. "Und selbst wenn ich schon gegessen hätte, würde ich hier drauf nicht verzichten", lache ich.

"Gut, da ich nicht wusste, was du magst und was nicht, habe ich so drauflos gekocht. Wenn es dir nicht schmeckt, spuck es mir einfach ins Gesicht", erklärt er. "Glaub mir, das willst du nicht wirklich", schüttel ich mich vor Lachen, weil ich mir vorstelle, wie das ganze Essen in Shawns Visage fliegt.

"Trinkst du Cola oder willst du lieber etwas Alkoholisches", fragt der Braunhaarige. "Mir reicht Cola, danke", lächel ich. Also schüttet der Junge erst mir und dann sich etwas von dem braunen Getränk ins Glas. "Ich bin sofort wieder zurück." Mit diesen Worten verschwindet er in der Küche.

Da die Wärmestrahler echt gut heizen, ziehe ich meinen Mantel aus und hänge ihn über die Stuhllehne. Lediglich meine Beine bedecke ich mit einer Wolldecke, die auf dem Stuhl bereit lag.

Ein großer Teller wird vor mir abgestellt. "Gemüse, Kartoffeln, Lamm und Yorkshire Pudding", zählt Shawn die Zutaten auf. "Oh Gott, jetzt sag bitte nicht, dass du Vegetarierin bist. Dann hätte ich richtig verschissen!" Mit großen Augen sieht er mich an.

Beruhigend lege ich meine Hand auf seine, die nervös eine Serviette in kleine Stücke zerreißt. "Ich esse Fleisch. Keine Sorge. Das Problem ist eher, dass ich noch nie von diesem Pudding gehört habe", schaue ich verwirrt drein.

"Grob gesagt ist es nur ein Teig aus Mehl, Milch und Eiern. Ein Gericht aus der englischen Küche. Meine Mom hat es früher jeden Sonntag extra für mich gekocht", erklärt mir der Braunhaarige. In diesem Moment sieht er so unglaublich glücklich aus. Beinahe seufze ich laut auf, verkneife es mir aber noch rechtzeitig.

"Wieso ausgerechnet die englische Küche?", frage ich interessiert. "Meine Mom kommt aus England." Sofort richte ich mich erfreut auf. "Dann hat sie doch sicherlich einen britischen Akzent, oder?"

"Ja, sogar einen ziemlich starken", lacht Shawn, "warum fragst du?" Ich setze ein geheimnisvolles Lächeln auf. "Hast du dir den Akzent mal abgeguckt?", frage ich weiter. "Victoria? Du willst mich nicht gerade dazu überreden etwas mit britischen Akzent zu sagen?", durchschaut mich der Junge.

Meine Unterlippe nach vorne schiebend sehe ich ihn bittend an. Wahrscheinlich sieht dies total blöd aus. "Hör auf zu betteln!", ruft Shawn tatsächlich mit britischen Akzent. Dann grinst er mich breit an.

Zufrieden beginne ich zu essen. "Du musst wissen, dass etwa jedes vierte Mädchen auf diesen Akzent abfährt", lache ich. Kopfschüttelnd, aber mit einem Schmunzeln, fängt auch Shawn an zu Essen.

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Stellt euch vor, man tauscht das "Stop yelling at me!" durch ein "Stop begging!"... 😱 Natürlich mit der selben pronunciation. Hahaha

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt