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"Erzähl mir etwas von dir", bittet er mich. Wir schaukeln immer noch in regelmäßigen Abständen vor und zurück. "Was denn zum Beispiel? Ich denke, über mich gibt es nicht viel zu sagen", überlege ich.

Shawn umgreift meine Hand einen Tick fester. "Jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Und ich bin mir sicher, dass deine großartig ist." Seine sanfte Stimme dringt an mein Ohr - in mein Bewusstsein - und löst ein Kribbeln in den Fingerspitzen aus.

"Warum habe ich das Gefühl, ich könnte dir wirklich alles erzählen?", murmel ich vor mich hin. "Weil ich großartig bin?", scherzt der Braunhaarige. Es entlockt mir ein leises Lachen. Mit seiner lockeren Art schafft er es ganz leicht die etwas ernstere Situation zu entzerren.

"Also gut, was möchtest du wissen?", frage ich. "Vielleicht verrätst du mir deinen ganzen Namen. Denn - nicht das ich sowas überhaupt in Erwägung ziehen würde - mit einem Vornamen kommt man nicht weit, wenn man ihn bei Google eingibt."

"Du willst mich googeln?", lache ich, "dann bin ich hier doch nicht der große Stalker." Ich lege meinen Kopf in den Nacken, um Shawn von unten herauf ansehen zu können. "Ich habe gesagt, dass ich an sowas nicht denke", grinst er. "Suchst du im Internet nach Personen, die du kennenlernst?", fragt mich der Junge danach.

"Nein", schüttel ich den Kopf, "ich erfahre lieber von der Person selbst etwas." Shawn atmet auf. Fast erleichtert, so erscheint es mir. "Oh, und mein voller Name ist Victoria de Haan", schmunzel ich.

"De Haan? So wie Calvin de Haan?", richtet sich der Braunhaarige auf, sodass ich gezwungen bin, meinen Kopf von seiner Brust hochzuheben. "Du interessiert dich für Eishockey?", stelle ich eine Gegenfrage. "Ich liebe es. Früher war ich ziemlich viel auf dem Eis", schwärmt Shawn.

"Warum jetzt nicht mehr?" Ich finde es schade, dass er es scheinbar aufgegeben hat, da ich es selber vermisse, mit geschliffenen Kufen über die glatte weiße Oberfläche zu gleiten.

"Irgendwann reicht einfach die Zeit nicht mehr aus. Ich habe jetzt andere Dinge zu erledigen", erklärt er. "Was für Dinge?", hake ich nach. "Das erzähle ich dir ein anderes Mal, okay?" Ohne lange zu überlegen, antworte ich mit einem einfachen 'Okay'. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich es erfahren. Da bin ich mir sicher.

"Um auf meine Frage zurück zukommen. Ist Calvin de Haan dein Bruder?" Abwartend sieht mich Shawn an. "Ja", lächel ich, "mir war nicht bewusst, dass man seinen Namen wirklich kennt. Versteh das nicht falsch. Ich bin super stolz auf meinen Bruder. Aber ich meine...er spielt Eishockey. So viele Leute interessieren sich nicht dafür."

"Aber ich. Das darfst du nicht vergessen", grinst der Braunhaarige. Er lässt sich wieder in die Lehne der Hollywoodschaukel zurück sinken. Mit einem leichten Druck gegen meine Schulter gibt er mir zu verstehen, dass ich mich an ihn lehnen soll.

"Dein Bruder ist ein großartiger Verteidiger", nimmt Shawn das Gespräch wieder auf. "Du kennst sogar seine Position?", verblüfft blicke ich ihn von der Seite an. "Victoria", ermahnt der Junge mich. "Entschuldigung, schon klar. Du interessiert dich für Eishockey", lache ich.

"In welchem Team spielt er?", wackel ich mit meinen Augenbrauen. "Du glaubst, du könntest mich herausfordern?", lacht Shawn. "Dann pass mal auf." Bereit sein ganzes Wissen raus zu lassen, klatscht er in seine Hände.

"Seit er 2011 einen Spielervertrag unterschrieben hat, spielt er bei den New York Islanders. Diese sind in der National Hockey League vertreten. Dein Bruder war dieses Jahr im Kader des kanadischen Nationalteams und hat dazu beigetragen, dass Kanada die Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften nach Hause bringt."

Anerkennend nicke ich. "Okay, du hast mich überzeugt. So viel wusste noch nie eine Person, mit der ich geredet habe, über Eishockey." Überschwänglich applaudiere ich, um Shawn etwas auf den Arm zu nehmen.

Lachend umarmt er mich von hinten und drückt meine Hände gegen meine Hüfte, damit ich nicht mehr klatschen kann. "Du bist fies", beschwert er sich. Vehement schüttel ich meinen Kopf.

"Und du? Spielst du auch Eishockey?", fragt mich Shawn, nachdem wir wieder ruhig sitzen. "Früher war ich immer mit Calvin auf der Eisbahn. Er hat mir das Eislaufen beigebracht. Ich konnte es noch bevor ich Fahrradfahren gelernt habe. Aber ich habe nie viel Hockey gespielt. Eiskunstlaufen fand ich viel interessanter", erzähle ich, während ich daran zurückdenke, wie wir zwei immer Wettrennen veranstaltet haben.

Meistens hat mich Calvin im Glauben gelassen, dass ich trotz meiner kurzen Beine schneller als er war. An den Tagen, an denen er es nicht getan hat, war ich zu tiefst niedergeschlagen. Aber jedes Mal hat mir mein Bruder dann eine heiße Schokolade mit Marshmallows zuhause gekocht. Ich habe ihn solange mit den übrig gebliebenen weißen Süßigkeiten abgeworfen, bis er mich ins Wohnzimmer geschleppt und mich durchgekitzelt hat.

"Ich vermisse ihn, Shawn", platzt es plötzlich aus mir heraus. "Hey, shh", umschließt er sanft mein Gesicht mit seinen riesigen Händen. Wir sitzen uns genau gegenüber und er streicht mit dem Daumen über meine Wange.

"Glaub mir, Victoria, ich kenne das Gefühl. Jedes Mal, wenn ich nicht hier in Pickering bin, zerreißt es mich beinahe. Aber der Gedanke, meine Schwester, meine Familie bald wieder in die Arme schließen zu können, hält mich aufrecht. So wie mich mein Dad immer daran erinnert durchzuhalten, erinnere ich dich ebenfalls daran."

"Danke, Shawn. Du weißt gar nicht wie viel mir das bedeutet", umschließe ich sachte sein Handgelenk. "Ich weiß gar nicht, warum ich ihn ausgerechnet dann vermisse, wenn ich ihn sowieso in einer Woche wiedersehe", ringe ich mir ein Lächeln ab, damit ich nicht noch anfange zu weinen.

"Menschen, die man liebt, vermisst man selbst, wenn man genau vor ihnen steht." Seine Gesichtzüge sehen gebrochen aus. Er hängt an seiner Familie. Das sehe ich in seinen Augen. "Es tut mir leid, dass ich so einen Gefühlsausbruch hatte", entschuldige ich mich. Es ist mir peinlich. Vorsichtig winde ich mich aus seinem Griff.

Shawn schüttelt seinen Kopf. "Es ist okay. Wirklich. Manchmal ist es einfacher über solche Dinge mit Personen zu sprechen, die man noch nicht wirklich kennt."

Der Junge erstaunt mich immer wieder von Neuem. Er ist jünger als ich und doch so viel erwachsener. Bei ihm fühle ich mich auf eine eigenartige Weise sicher.

"Danke", wiederhole ich. "Ich bin für dich da", lehnt sich Shawn nach vorne. Seine Lippen berühren ganz kurz meinen Scheitel. "Wann immer du mich brauchst, Tori."

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So, ganz spontan kommt heute noch ein Kapitel. Ich dachte, ich schenke es dir, als eine Art Trostpflaster LiaCartwright 😙

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt