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Mai 2021

"Nummer Fünf", halte ich meinem Freund meine flache Hand, an der man die Anzahl, wie oft er mir bereits auf die Füße getreten ist, abzählen kann, unter die Nase. "Du bist auch nicht besser", entblößt Shawn seine weißen Zähne, als er mich angrinst. Sofort schüttle ich meinen Kopf und spitze die Lippen.

"Ne, jetzt lenk bloß nicht von deiner Unfähigkeit ab", rümpfe ich angeblich erbost meine Nase. "Victoria", grummelt der Braunhaarige, "du weißt ganz genau, dass du diese Äußerung nur überlebst, weil hier zu viele Zeugen im Raum sind." Lachend werfe ich meinen Kopf in den Nacken.

"Man muss sich eben zu schützen wissen", zwinkere ich ihm frech zu. "Sechs, sieben, acht", zähle ich an, um wieder in den richtigen Takt hineinzukommen. Doch Shawn macht mir einen Strich durch die Rechnung, indem er plötzlich nach vorne schnellt. Geschwind schlingt er seine starken Arme um meine Taille und hebt mich ein kleines Stück nach oben.

"Shawn", kreische ich schon regelrecht einige Male, während ich mich an seinem Nacken festkralle. "Lass mich runter", flüstere ich ihm in sein Ohr, als sich die meisten Augenpaare auf uns Zwei richten. "Erst musst du zugeben, dass ich der bessere Tänzer bin", befeuchtet der Junge seine Lippen. "Okay", beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange.

Erwartungsvoll zieht der Braunhaarige seine Augenbrauen in die Höhe. So weit, dass sie beinahe unter seiner grauen Mütze verschwinden. "Shawn, du bist offiziell der", setze ich an, bevor ich eine Kunstpause einlege. "Du bist offiziell der schlechteste Tänzer", grinse ich ihn schließlich breit an.

Auch wenn er seine Mundwinkel amüsiert anhebt, kann ich seine Gedanken, in denen er überlegt, wie er mich am unauffälligsten beseitigt bekommt, deutlich hören. "Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich wieder Ihrer Aufgabe widmen. Der Rumba erlernt sich nicht von alleine", rettet mich die Stimme der Tanzlehrerin vor dem nächsten Angriff meines Freundes. "Natürlich", murmle ich sofort beschämt.

Zur Zeit konzentrieren sich alle Kursteilnehmer darauf, was wir Beide veranstalten. Shawn hat damit natürlich kein Problem, da die Aufmerksamkeit von vielen Menschen ständig auf ihm liegt. Ich hingegen finde mich unter den vielen kritischen Blicken auch nach den vielen Jahren noch nicht wirklich zurecht. Tief einatmend warte ich ab, dass die Anderen wieder anfangen zu tanzen.

"Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeiten", hebt der Braunhaarige angeblich bedauernd seine Hand in die Höhe. Doch als sich Shawn zu mir umdreht, muss er sich das Lachen stark verkneifen. "Du bist unmöglich", flüstere ich ihm so leise wie möglich zu. "Aber du liebst mich trotzdem", beißt sich der Junge auf seine Unterlippe.

Seufzend stimme ich ihm zu, bevor ich meinem Freund einen raschen Kuss auf die Wange drücke. Dann platziere ich meine Hände an den richtigen Stellen, um weiter tanzen zu können. Etwas unklar nehme ich wahr, wie die grauhaarige Frau, die den Kurs leitet, den Takt vorzählt. Denn meiner Meinung nach schallen die 'Backstreet Boys' ein wenig zu laut durch die kleinen Lautsprecher.

"Dieser Tanz ist dämlich", rollt Shawn nach kurzer Zeit mit seinen Augen. "Es war deine Idee, einen Tanzkurs zu belegen, damit wir auf Aaliyahs Abschlussball nicht allzu blöd aussehen", wehre ich mich direkt gegen jeden möglichen Vorwurf. "Außerdem weiß ich gar nicht, was du hast", wackele ich mit meinen Augenbrauen, "diese Schrittfolge ist herrlich." Übertrieben motiviert strecke ich meine Arme zur Seite aus und führe meinen Freund einmal im Kreis herum.

Als mir bewusst wird, dass er derjenige, der mich führt, sein sollte, fange ich an zu lachen. Prompt darauf trampele ich mal wieder auf die Füße des Jungen. "Ich weiß es auch nicht", schüttelt Shawn grinsend seinen Kopf, "ich muss zu diesem Zeitpunkt irgendetwas geraucht haben." Meinen Mund zu einem großen 'O' formend blicke ich zu ihm auf.

"Verrate das bloß nicht deiner Fangemeinde", kichere ich schließlich. Während er mit seinen Augen rollt, dreht mich der Junge von sich weg und zieht mich dann wieder an sich heran. "Weiß du, was du deinen Fans auch nich erzählen solltest?", ziehe ich meinen Freund auf. "Weshalb du die Mütze trägst", löse ich mein Rätsel auf, als mich Shawn nur fragend anblickt.

"Du genießt es richtig, dass ich mich zwischen den ganzen Leuten benehmen muss", formt der Braunhaarige seine Augen zu Schlitzen. "Stimmt", gluckse ich fröhlich. Dann drehe ich mich - ohne mich an dem Sänger festzuhalten - um meine eigene Achse, während er seine Mütze zurecht rückt. Die Mütze, unter der Shawn seine Haare, die er mehr schlecht als recht selbst geschnitten hat, versteckt.

"Bitte einmal hersehen", klatscht die Tanzlehrerin in ihre Hände, "wir werden nun zum Cha-Cha-Cha übergehen." Laut ausatmend wende ich mich nach vorne, um den neuen Schritten möglichst gut folgen zu können. Doch meine Aufmerksamkeit wandert viel zu schnell zu der riesigen Spiegelfront, in der ich alle Teilnehmer beobachten kann, ohne sie direkt ansehen zu müssen.

Die Meisten probieren den neuen Tanz in kleinen Bewegungen direkt aus, während manche in unsere Richtung blicken. Gerade diejenigen, die in etwa im gleichen Alter wie Shawn und ich sind, starren den Sänger interessiert an. Doch in einer gewissen Weise kann ich ihnen das nicht einmal verübeln.

Ein wenig gelangweilt hört sich mein Freund die Erklärungen der Frau an, nachdem er seine Unterarme auf seinem Kopf abgelegt hat. Somit sticht sein Trizeps beachtlich hervor und sein T-Shirt entblößt einen schmalen Streifen seines trainierten Bauches. Meinen Blick anklagend auf ihn gerichtet räuspere ich mich laut, um Shawn darauf aufmerksam zu machen, dass er sich anständig hinstellen soll. Schmunzelnd tritt der Braunhaarige näher an mich heran, legt seine Arme um meine Schultern und sieht dann wieder nach vorne.

"Danke", haucht ein blondhaariges Mädchen, während sie ihr Handy von Shawn entgegennimmt. Dann stellt sie sich etwas abseits von der kleinen Gruppe hin und wartet auf ihre Freundin. Die besagte Freundin braucht nicht wirklich lange, um mit dem Braunhaarigen ebenfalls ein Foto zu schießen. "Mach's gut", lächelt der Sänger das Mädchen freundlich an, als sie sich verabschiedet.

Mit verschränkten Armen lehne ich an dem Türrahmen und mustere jeden, der mit meinem Freund ein Foto macht, wirklich kritisch. Daher trauen sich einige beinahe gar nicht an mir vorbei durch die Tür zu huschen. Doch gerade dieses Verhalten finde ich so unglaublich interessant. Grinsend warte ich darauf, dass die Fans das Treffen mit Shawn beenden.

"Du machst den Leuten Angst", lacht der Braunhaarige, als auch der letzte Junge aus dem Tanzsaal verschwunden ist. "Überhaupt nicht", stemme ich empört meine Hände in die Hüften, "ich muss nur sicherstellen, dass jeder weiß, dass du seit einer halben Ewigkeit vergeben bist. Nur für den Fall, dass dir nicht alle auf den sozialen Medien folgen."

Schmunzelnd zieht mich Shawn an sich heran, sodass ich meine Hände auf seiner muskulösen Brust ablegen kann. "Manchmal bist du unheimlich süß. Von mir aus, kannst du ruhig viel öfter so eifersüchtig sein", streicht mir der Junge eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Eine Grimasse schneidend strecke ich ihm meine Zunge heraus.

"Erstens, bin ich immer süß. Und zweitens, weiß ich überhaupt nicht, was Eifersucht ist", tippe ich meinem Freund bei jedem Satz einmal auf seine Nasenspitze. "Okay, okay. Von Zeit zu Zeit bin ich eifersüchtig auf deine Fans. Sogar sehr", gebe ich schließlich zu, als mich Shawn mit einer hochgezogenen Augenbraue betrachtet.

Ohne etwas zu sagen, presst er seine Lippen mit einer Intensität, die mich beinahe von den Füßen haut, gegen meine. "Meine Fans werden niemals das von mir bekommen", spielt er auf den vorherigen Kuss an, "denn die Einzige, die ich aus ganzem Herzen liebe, bist du. Daran wird sich nie etwas ändern." Noch völlig außer Atem sehe ich Shawn mit großen Augen an.

"Nie?", flüstere ich. "Nie, Victoria", bestätigt mir mein Freund. Daraufhin lege ich meinen Mund sanft auf seinen." Damit kann ich leben", murmle ich lächelnd, während ich unsere Hände miteinander verschränke. Dann ziehe ich Shawn langsam aus dem Tanzstudio hinaus.

Hinaus an die unglaublich frische Frühlingsluft. Hinaus unter die warmen Sonnenstrahlen, die vom klaren Himmel hinab fallen. Hinaus, um einen weiteren Tag mit diesem wundervollen Menschen an meiner Seite zu genießen.

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Wenn eine Freundin plant, ein Auslandssemester in Vancouver anzutreten und man ihr sagt, sie solle die Kanadier grüßen, man aber eigentlich nur einen meint😂🤘

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt