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"Wie kommst du immer auf die ganzen Ideen?", fragt mich Shawn Kopfschüttelnd. "Manchmal - wenn ich Nachts wach liege und nicht einschlafen kann - fliegen einzelne Gedanken in meinem Kopf umher. Nach denen muss ich nur greifen und sie zusammen setzen. Wie ein Puzzle. Weißt du?", versuche ich zu erklären.

Nervös reibe ich mit meiner flachen Hand über meinen Oberschenkel. Den Jeansstoff auf meiner Haut zu fühlen hat eine beruhigende Wirkung auf mich.

"Hör zu, ich bin mir nicht sicher, ob das hier klappt, aber ich möchte es wenigstens versuchen", starre ich aus dem Autofenster. Regentropfen fallen auf die Windschutzscheibe. Bei jeder Bewegung gibt der Scheibenwischer ein Quietschen von sich.

Ich spüre wie Shawn nach meiner Hand greift. Ohne hinzusehen verschränke ich unsere Finger miteinander. "Egal, ob es klappt oder nicht, du bist bereits meine Nummer Eins", flüstert der Junge neben mir.

Man könnte denken, dass ich etwas Weltbewegendes, Denkwürdiges vorhabe. Doch eigentlich will ich nur mit Shawn einen Burger essen gehen.

Angestrengt blicke ich auf die Eingangstür des Mc Donald's vor uns. Mein Handy brummt einmal, als ich eine Nachricht von Ava erhalte. "Es geht los", atme ich tief ein.

Zwei breit gebaute Männer in schwarzen Anzügen steigen aus einem Auto aus. Der eine hält einen Regenschirm bereit. Dann erscheint eine Frau in einem roten Mantel. Ihre Schuhe habe gefährlich hohe Absätze. Die silbernen Haare der Frau verdecken das Meiste vom Gesicht. Auf ihrer Nase sitzt eine riesige Sonnenbrille, die angesichts des Wetters ziemlich fehl am Platz wirkt.

"Wie viel zahlst du ihnen eigentlich?", lacht Shawn laut. "Einen Monat Spüldienst, Trinkgeld von 10 Arbeitstagen und 120 Liegestützen", seufze ich, als ich meine Freunde durch das Fenster betrachte.

"Mason ist echt nichts besseres eingefallen?", zieht der Braunhaarige eine Augenbraue nach oben. "Er ist eben ein Sadist", zucke ich mit meinen Schultern, "man wird nicht umsonst Personal Trainer."

Während Ava Richtung Eingang stolziert, steckt sich Tyren einen Ohrstöpsel, so wie die ganzen Bodyguards einen haben, in sein Ohr.

"Okay, keine Ahnung wo er den aufgetrieben hat", lache ich. Nachdem ich mir meine Kapuze aufgesetzt habe, halte ich Shawn eine Carhartt Mütze entgegen. "Am besten ziehst du die möglichst weit runter."

"So?", grinst der Junge dümmlich, als der Stoff seine Augen verdeckt. Lachend schiebe ich sie wieder ein Stück nach oben. "Du bist so ein Spielkind."

Gemeinsam betreten auch wir Zwei einige Minuten später den Mc Donald's. Es sitzen nicht sehr viele Leute an den Tischen. Doch die, die hier essen, haben ihre Aufmerksamkeit bereits auf Ava und die Jungen gerichtet.

"Wir nehmen die Kasse", deute ich auf die Linke, an der ein alter Herr steht und ein Pärchen bedient. Somit ist das Risiko, dass ein Kassierer Shawn erkennt, bisschen geringer.

"Bitte stecken Sie das Handy weg", erhebt Mason seine Stimme, als ein Mädchen - um die 16 Jahre - anfängt Ava zu filmen. "Die Miss wünscht ungestört Essen zu können", verschränkt er seine Arme.

"Bitte sehr, was möchten Sie bestellen?", reißt mich der grauhaarige Mann aus meinen Gedanken. "Ein BigMac Menü mit Curly Fries und einer Cola und die zwanziger Box ChickenMcNuggets mit der Süß-Sauer Soße", zähle ich auf. Dann sehe ich Shawn fragend an.

"Ich nehme auch ein BigMac Menü  und einen Chickenburger, bitte." Mit zusammen geengten Augen blicke ich ihn an. Scheinbar ist es sein Ernst, dass er weniger zu Essen bestellt, als ich.

"Welche Soße möchten Sie zu den ChickenMcNuggets?", fragt der Kassierer, während er fleißig seinen Zeigefinger auf den Computer haut. "Süß-Sauer", lächel ich freundlich. Warum sage ich das überhaupt direkt am Anfang, wenn die Leute hier eh immer noch einmal nachfragen?

Mit vollgeladenen Tabletts suchen wir uns einen Tisch ganz hinten in der Ecke. Shawn setzt sich extra mit dem Rücken zu den anderen Gästen. Zufrieden betrachte ich das Spektakel, das sich auf der anderen Seite des Raums abspielt.

Alle Augenpaare sind auf meine Freunde gerichtet. Der eine oder andere hält sein Handy bereit, um bloß keine Gelegenheit zu verpassen, etwas Wichtiges zu filmen.

"Es scheint zu funktionieren", grinse ich. Ich bin schon ein wenig stolz auf meinen Einfall. Genüsslich beiße ich in meinen BigMac. Eigentlich mag ich es nicht wirklich vor einem anderen Jungen als Calvin zu essen. Doch bei Shawn ist es anders.

Schmunzelnd blicke ich den Braunhaarigen, der sich mindestens zehn Pommes auf einmal in den Mund steckt, an. "Was?", grinst er, nachdem er sie untergeschluckt hat.

"Nichts", lächel ich, während ich versuche, das Ketchup Tütchen aufzumachen. "Diese Verpackungen sind gemein gefährlich", murmel ich, "wenn man zu leicht zieht, gehen sie nicht auf. Aber wenn man dann an der Tüte reißt, spritzt dir direkt der ganzen Ketchup entgegen."

"Dieses Problem hatte ich mit zehn Jahren. Du musst es mal langsam in den Griff bekommen", lacht Shawn mich aus. Grimmig werfe ich ihn mit einer zusammen geknüllten Serviette ab.

"Schön! Dann kannst du sie öffnen", drücke ich ihm schnippisch die Tüte in die Hand. Viel zu voreilig reißt Shawn die Verpackung auf. Dann bin ich diejenige, die anfängt zu lachen, als ein Klecks Ketchup auf seinem Pullover landet.

"Gern geschehen", fängt der Junge an seinen Chickenburger zu essen. Beinahe verschlucke ich mich an der Cola, weil ich immer noch ein wenig lache.

"Warum sind die Menschen so?", starre ich zu Ava hinüber. Vereinzelt machen Mädchen Fotos von meiner Mitbewohnerin. "Was meinst du?", will Shawn wissen, während er sich einen ChickenMcNugget nimmt. Ohne zu fragen. Aber ich sage nichts, da ich dann wenigstens nicht alle zwanzig Stück alleine esse.

"Naja, die Leute machen Fotos von einem Mädchen, das in Pickering Kunst studiert. Nur weil sie denken, Ava wäre berühmt. Hätte sich meine Freundin einfach nur so einen Burger geholt, wäre keiner auf sie aufmerksam geworden. Warum fallen immer nur berühmte Menschen in der Menge auf?"

Nachdenklich schiebe ich mir bereits den Rest meines dritten ChickenMcNuggets in den Mund. "Ich denke, dass das nicht stimmt", überlegt Shawn, "du bist mir aufgefallen." Gründlich inspiziert er seine leere Schachtel vom BigMac.

"Ich stand auch alleine vor deiner Haustür, Shawn", lache ich kurz auf, "da war keine Menge, in der ich untergehen konnte." Der Junge lässt seine Hand, die er gerade zum Mund geführt hat, wieder sinken.

"Ich hätte dich trotzdem bemerkt", nickt Shawn eifrig. "Sicher. Du hättest deinen Blick über tausend Menschen schweifen lassen, mich entdeckt und gedacht 'Wow, was für ein Mädchen'. Ich wäre dir nicht aufgefallen", stelle ich klar.

Daraufhin wirft mich der Braunhaarige mit einer kalten Pommes ab. "Genau das habe ich gedacht. 'Wow, was für ein Mädchen. Sie scheint nicht zu kapieren, dass sie großartig ist.'"

Lachend werfe ich die Pommes wieder zurück. "Okay, ich habe es verstanden. Shawn Mendes findet mich großartig", hebe ich meine Hände in die Höhe. Schockiert blickt er mich an, während ich mir den Mund zu halte.

Zum Glück sitzt aber keiner bei uns in der Nähe. Ansonsten wäre mein ganzer Plan nun umsonst gewesen. Gleichzeitig greifen Shawn und ich in den rechteckigen Pappkarton.

"Bagsy!", ruft er, als ich bemerke, dass nur noch ein Nugget in der Schachtel liegt. "Was?", ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. "Bagsy", wiederholt er kauend, da er sich bereits den Letzten in den Mund gesteckt hat. "Damit stellst du einen Anspruch auf etwas, das du haben möchtest. Und keiner kann es dir wegnehmen."

Grinsend beobachte ich Shawn. Er ordnet die verschiedenen Verpackung fein säuberlich auf dem Tablett an. "Aha, dann lege ich mal ein 'Bagsy' auf dich", lache  ich.

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt