Meant To Be \\ Shawn Mendes

[105]

November 2023

Shawns Schluchzen ist das einzige Geräusch, was den Raum erfüllt. Es prallt an der Tapete ab und bahnt sich zielstrebig einen Weg in meinen Kopf. Dort hallt es unaufhörlich wider. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nichts sagen. Alles, was ich tue, ist zu starren.

Mit zitternden Fingern umfasse ich die Broschüre, während ich meinen Mann beobachte. Seine Beine hat er an seine Brust herangezogen. Die Hände presst er auf seinen Bauch. So, als hätte er unheimliche Schmerzen. Dieselben Schmerzen, die sich immer weiter in meinem Brustkorb ausbreiten.

Der Druck auf meiner Brust nimmt mir langsam die Luft zum Atmen. Er schnürt mir die Kehle zu und hindert mich daran, dass ich den Kloß in meinem Hals hinunterschlucken kann. Immer wieder rollen dicke Tränen über die fahlen Wangen von Shawn. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals weinen gesehen zu haben.

Dieses eine Wort, das ihm die Bestätigung gegeben hat, dass er dem Kinderwunsch im Weg steht, zerstört ihn. Es lässt seine Fassade bröckeln und ihn in sich zusammenfallen. Dabei reißt er jegliche Stützen, die ich ihm die ganzen Jahre über geboten habe, mit sich.

Auch wenn er mich eben zurückgewiesen hat, muss ich ihn berühren. Vorsichtig rutsche ich näher an den Braunhaarigen heran. Millimeter für Millimeter strecke ich meine Hand nach seiner Wange aus. Die Hitze, die er ausstrahlt, schlägt mir sofort entgegen. Als könnte ich mir jeden Moment einen Stromschlag einfangen, lege ich meine Finger mit äußerstem Bedacht auf seine Haut.

Quälend langsam öffnen sich Shawns Augen. Sie sind trüb, von einem Tränenschleier bedeckt. Beinahe ausdruckslos sehen sie mir entgegen. Zitternd atme ich ein und zwinge mich dazu, den Blickkontakt weiter standzuhalten. Es wirft mich vollkommen aus der Bahn ihn so zu sehen.

"Es tut mir leid", flüstere ich, "es tut mir leid, dass ich dich belogen habe." Sobald ich zu Ende gesprochen habe, breche ich ebenfalls in Tränen aus. Obwohl mein ganzer Körper bebt, hört der Schmerz in meiner Brust ganz plötzlich auf. Vor Erleichterung weine ich nur noch mehr.

Durch die vielen Tränen kann ich meinen Mann nur noch schemenhaft wahrnehmen. Doch sie versiegen langsam, als Shawn beginnt, durch meine Haare zu streichen und die Spitzen um seine Finger zu wickeln. Mit offenem Mund beobachte ich ihn. In diesem Moment könnte er dem zwanzigjährigen Jungen, in den ich mich damals verliebt habe, nicht mehr ähneln.

Schon beinahe versessen konzentriert er sich auf meine Haarsträhnen. Während der Braunhaarige schwer schluckt, tritt sein Kehlkopf deutlich hervor. "Ich bin Shawn Mendes", murmelt er einige Male vor sich hin. Meine Stirn runzelnd warte ich ab, ob dies alles ist, was er sagen will.

"Ich bin ein Weltstar", fügt er schließlich hinzu, bevor er mit seinem Daumen gedankenverloren über meine Unterlippe fährt. "Ich habe so viel Geld, dass ich darin schwimmen könnte", flüstert er nach einer kurzen Pause. "Ich bin Shawn Mendes", wiederholt mein Mann erneut. Räuspernd lege ich meinen Kopf schief.

Gerade will ich zum Sprechen ansetzen, als er mich unterbricht. "Ich werde überall auf der Straße erkannt, weil ich scheiß berühmt bin. Ich könnte noch heute Nacht nach Australien fliegen, weil ich einfach Lust darauf habe. Oder ich könnte das scheiß riesige Haus auf der anderen Straßenseite kaufen. Nur damit die Lackaffe, die darin wohnen, ausziehen müssen. Jede Scheiße kann ich mir leisten", wird Shawn immer lauter.

"Aber ich bin unfruchtbar?", brüllt er mir am Ende regelrecht entgegen. Seine geröteten Augen starren mich an, während ich vor Schreck zusammenzucke. Mein Blick liegt auf seiner pulsierenden Halsschlagader. Für einen kurzen Moment traue ich mich nicht, mich zu bewegen.

"Shawn", versuche ich ihn zu beruhigen, bevor ich mit meinen Händen seinen Kiefer umfasse. Doch mein Mann schüttelt energisch seinen Kopf. "Wegen mir können wir keine Kinder bekommen, Victoria", richtet er sich aufgebracht auf, "weil ich eine scheiß Störung dort unten habe."