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Januar 2024

Ein wenig schläfrig blicke ich direkt in das Gesicht von Shawn. "Wie geht es meinem Mädchen?", flüstert er, während sein Daumen kleine Kreise auf meiner Wange zieht. Automatisch muss ich lächeln, als ich die Stimme meines Mannes höre. "Weißt du, dass ich es liebe, dass du mich nach all den Jahren immer noch so nennst?", antworte ich mit einer Gegenfrage.

"Ich habe es zumindest gehofft", grinst mich der Braunhaarige breit an. Sanft stupst mir Shawn mit seinem Zeigefinger gegen meine Nase. Ohne es kontrollieren zu können, entschlüpft mir ein leises Kichern. "Also, geht es dir gut?", fragt der Junge noch einmal nach. "Ja", drehe ich mich lächelnd auf meine Seite, "ich fühle mich, als hätte ich eine Ewigkeit geschlafen."

Wie aufs Stichwort entfährt mir ein lautes Gähnen. Währenddessen gleitet mein Blick an den weißen Wänden des Krankenzimmers, in dem wir uns befinden, entlang. "Tut es weh?", flüstert Shawn. Schmunzelnd schüttle ich meinen Kopf. Er erinnert mich an einen kleinen Jungen, der Angst hat, dass sich seine Mutter zu fest an der Ecke der Tischplatte gestoßen hat.

Meine Hand wandert langsam in Richtung meines Bauches. In einer gewissen Weise erwarte ich, etwas zu spüren. Doch natürlich ist das schwachsinnig. Noch wurde mir kein Embryo zugeführt. Viel mehr wurden mir unter einer leichten Narkose einige Eizellen entnommen.

Als könnte mein Mann meine Gedanken lesen, schließen sich seine langen Finger um meine Hand. "Du bist unheimlich tapfer", streicht mir Shawn mit seiner anderen Hand einige Haarsträhnen aus meinem Gesicht. "Ich mache doch gar nichts Großartiges", lache ich leise, bevor ich näher an den Braunhaarigen, der auf einem Stuhl neben meinem Bett sitzt, heranrutsche.

"Stimmt", bilden sich kleine Falten um seine Nase, als der Junge versucht ein Schmunzeln zu unterdrücken. "Du nimmst diesen ganzen Prozess der künstlichen Befruchtung inklusive einer Hormonbehandlung, eines künstlich herbeigeführten Eisprungs und ambulante Eingriffe auf dich, ohne dich ein einziges Mal zu beklagen", zählt Shawn Punkte der Behandlung auf, die nun hinter mit liegen.

"Ich beklage mich", verrate ich ihm, nachdem ich meine Hand an seine Wange gelegt habe, "nur nicht bei dir." Paula ist diejenige, die den ganzen Kummer abbekommt. Doch ich denke, dass das ganze Thema Shawn bereits genug belastet. Da muss ich ihn nicht noch mit meinen Sorgen beladen.

"Siehst du, das ist der Punkt", behauptet mein Mann, "selbst jetzt nimmst du noch Rücksicht auf mich." Sanft lächelnd legt Shawn seinen Kopf schief. "Ich liebe dich so unglaublich stark, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann", schluckt er einige Male. Es sieht so aus, als würden sich Tränen in seinen Augen bilden.

"Ich bin bald schwanger und habe mit Stimmungsschwankungen zu kämpfen. Also wage es jetzt bloß nicht, in Tränen auszubrechen", hebe ich spaßend meinen Zeigefinger, während ich selbst mit meinen feuchten Augen zu kämpfen habe. "In Ordnung", lacht mein Mann mit belegter Stimme.

"Ich liebe dich, Shawn", hebt sich mein Mundwinkel schließlich von alleine in die Höhe. Mir ist es wichtig, dass er diese Worte heute auch aus meinem Mund hört. Es soll nicht zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass er mir seine Liebe gesteht und ich ihm stillschweigend zustimme. "Ich weiß", flüstert der Braunhaarige gegen meine Lippen. Dann gibt er mir einen sanften Kuss.     

"Wie lange muss ich noch hier bleiben?", frage ich, bevor ich meine Augen schließe. "Deine Ärztin hat gesagt, dass ich dich in zwei Stunde wieder mit nach Hause nehmen darf." Ein leichtes Prickeln breitet sich auf meiner Haut aus, als Shawn meinen Rücken, der von dem OP-Hemd nicht verdeckt wird, berührt.

"Zwei Stunden", seufze ich. Dabei fühle ich mich wirklich gut – kein bisschen erschöpft. "Es wird schon seine Gründe haben", versichert mir der Junge. Dann verfallen wir in ein angenehmes Schweigen. Die Stille hat etwas Gutes. Sie gibt und Zeit einander nahe zu sein und uns daran zu erinnern, dass wir kommende Probleme gemeinsam durchstehen.

"Misses Mendes, wie fühlen Sie sich?", betritt meine Ärztin den kleinen Raum. Leicht schrecke ich bei der Lautstärke ihrer Stimme zusammen. "Sehr gut", beteuere ich sofort darauf. "Das ist schön", lächelt mich die blondhaarige Frau an, "bald dürfen Sie nach Hause." Dankbar nicke ich ihr entgegen, während ich darauf warte, was sie mir zu sagen hat.     

"Die befruchtete Eizelle ist nun im Brutschrank", lässt die Ärztin ihre Hände in den Taschen ihres Kittels verschwinden, "ich möchte Sie noch einmal bitten, sich ab sofort bereit zu halten. In zwei bis fünf Tagen melden wir uns bei Ihnen, ob die Befruchtung geglückt ist. Dann kann die Übertragung stattfinden." Erneut nicke ich, da ich den Ablauf nicht zum ersten Mal höre.

Nach der künstlichen Befruchtung werde ich fünf Wochen warten müssen, um dann ein Bluttest zu machen. Damit kann festgestellt werden, ob eine Schwangerschaft eingetreten ist. Zwei Wochen später kann meine Ärztin im Ultraschall erkennen, ob sich das Embryo eingenistet hat. Wenn alles glatt läuft, ist bereits der Herzschlag des Embryos zu sehen. Doch bis dahin habe ich noch viele unruhige Nächte vor mir.

"Ruhen Sie sich noch etwas aus", rät mir die Blondhaarige, bevor sie sich auf den Weg zur Tür macht. "Überschätzen Sie Ihren Körper nicht", lächelt sie mich leicht an, als ich zum wiederholten Mal nicke - diesmal relativ genervt. "Natürlich nicht", bemühe ich mich, möglichst freundlich zu antworten.

"Du bist unmöglich", lacht Shawn, als die Ärztin das Zimmer verlassen hat. "Na und?", recke ich bockig mein Kinn in die Höhe, "ich habe keine Lust jetzt schon gesagt zubekommen, dass ich auf meinen Körper hören und auf mich Acht geben soll." Noch bevor mein Mann seinen Mund auf macht, weiß ich, was er sagen wird. "Das solltest du aber", schmunzelt er leicht.

Mein Gesicht zu einer Grimasse verziehend gebe ich dem Braunhaarigen einen leichten Schlag auf seinen Oberarm. "Und das werde ich auch", versichere ich ihm seufzend. Einen Moment sehe ich Shawn einfach nur an. "Legst du dich zu mir?", schiebe ich meine Unterlippe zu einem leichten Schmollmund nach vorne.

"Ja", entblößt der Junge seine weißen Zähne, als er beginnt breit zu lächeln. Flink zieht er seine Stiefel aus, bevor er die dünne Bettdecke hochhebt. An seiner warmen Brust angekuschelt verbringe ich die verbleibende Stunde in dem tristen Krankenzimmer. Von Shawns ruhigem Atem begleitet tanke ich noch einmal Kraft für die kommenden Monate. Monate, die sicherlich von Höhen und Tiefen gezeichnet sein werden.

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Okay, Leute! Nachdem ich mir heute sicherlich zwanzig Mal das Video, in dem Shawn in die Höhe springt und von der Bühne fällt, angesehen habe, kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen.

Wahrscheinlich wäre ich das perfekte Beispiel für eine Freundin, die ihn gnadenlos auslachen und erst nach zehn Minuten fragen würde, ob es ihm gut geht😅😅

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt