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In einem fremden Bett wache ich auf. Mein erster Blick fällt auf eine angelehnte Zimmertür. Dann fällt mir ein, dass ich bei Shawn übernachtet habe.

Auf Socken tapse ich über den Flur. Musik klingt leise aus dem Zimmer, welches mir Shawn letztens als einziges nicht gezeigt hat. Nachdem ich angeklopft habe, öffne ich vorsichtig die Tür.

Der Braunhaarige sitzt an einem Klavier und drückt vereinzelte Tasten nach unten. Währenddessen summt er eine Melodie, die er scheinbar im Kopf hat, vor sich hin.

"Störe ich?", räuspere ich mich. Shawn dreht sich lächelnd zu mir um. "Natürlich nicht. Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht geweckt, weil ich zu laut war."

"Nein, keine Sorge", schüttel ich meinen Kopf, "ich habe jetzt ausgeschlafen." Sachte lasse ich mich auf einen gepolsterten Hocker gegenüber von Shawn nieder.

Beeindruckt lasse ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Nicht nur das Klavier, vor dem Shawn sitzt, befindet sich im Raum. Zahlreiche Gitarren hängen an den Wänden oder stehen auf Ständern in den Ecken. Kleine Instrumente mit denen man den Rhythmus angeben kann, wie beispielsweise unterschiedliche Formen von Rasseln, Klangstäben und Handtrommeln, liegen quer verteilt in einem Regal.

"Was hast du eigentlich auf dem Fußboden gemacht?", reißt mich Shawn aus meinem Erstaunen.

"Ich...", setze ich an. Ungerne möchte ich ihm jetzt erklären, dass ich ihn beobachtet habe. "Hast du mich eigentlich in dein Bett gelegt?", frage ich stattdessen.

"Nein, ich habe kurz meinen Kumpel angerufen. Der hat dich dann ins Bett gelegt." Lächelnd verdrehe ich meine Augen. "Okay, ich sehe ein, dass die Frage überflüssig war", gebe ich zu.

"Ein bisschen", lacht der Braunhaarige. Schnaufend schlage ich ihm gegen sein Knie, das direkt neben meinem ist. "Autsch", ruft Shawn aus, "ich bin doch nicht dein Boxsack."

Peinlich berührt, dass ich meine Kräfte schon wieder unterschätzt habe, laufe ich langsam durch das Zimmer. Vor einer glänzenden Gitarre bleibe ich stehen. Sie ist zum größten Teil dunkelblau. Einzelne Teile sind in einem rostrot eingefärbt.

Vorsichtig fahre ich mit meinem Zeigefinger die Linien des Korpus nach. "Würdest du die Gitarre gerne mal ausprobieren?", ertönt plötzlich Shawns Stimme direkt neben meinem Ohr.

Erst zucke ich zusammen, weil ich mich erschreckt habe. Dann zucke ich ein weiteres Mal zusammen, da mir bewusst wird, wie nah der Junge mir im Moment ist.

"Ehrlich gesagt, habe ich noch kein einziges Mal in meinem Leben eine Gitarre in der Hand gehabt", räuspere ich mich nach kurzer Zeit. "Na dann wird es aber höchste Zeit", klatscht Shawn in seine Hände.

Er greift erst über mich hinweg nach der Gitarre, dann nach meiner Hand. Zu Zweit lassen wir uns auf eine Art Sofa ohne Rückenlehne nieder.

"So, jetzt musst du die Gitarre nur auf deinem Oberschenkel abstützen, deine Finger um das Griffbrett schließen und sachte an einer Saite zupfen. Dann hast du direkt schon das erste Mal in deinem Leben Gitarre gespielt", lächelt mich Shawn von der Seite an.

Nachdem ich ein paar Mal über die Saiten gestrichen und einige schiefe Töne erklingen lassen habe, drehe ich mich lachend zu dem Braunhaarigen um. "Stell dir vor, Shawn, ich spiele gerade im Augenblick zum ersten Mal Gitarre. Es klingt so unglaublich gut. Du kannst nicht abstreiten, dass ich ein Naturtalent bin", spaße ich.

"Keine Frage, ich würde dich direkt engagieren für meine Band zu spielen", grinst der Braunhaarige mich an. "Kann ich vielleicht ein Lied lernen?", frage ich, während ich an der mittleren Saite zupfe.

Shawn nickt. "Klar, aber ich denke, dafür solltest du eine Gitarre nehmen, auf die man besser als Anfänger spielen kann." Mit einer ganz schlichten schwarzen Gitarre setzt er sich hinter mich.

"Hast du ein Lied im Kopf, das du lernen möchtest?", erkundigt er sich. "Vielleicht eins von dir", überlege ich unsicher. Abwartend kaue ich auf meiner Unterlippe herum.

"Nichts lieber als das." Shawn rutscht näher an mich heran. Ich spüre sein Knie in meinem Rücken, da er halb im Schneidersitz sitzt. Doch ich werde mich darüber sicher nicht beschweren.

Von hinten schließt er mich in eine Art Umarmung, damit er meine Hände richtig positionieren kann. "Das Capo musst du am dritten Bund befestigen. Dann legst du deinen Zeige- und Mittelfinger hier hin." Sachte legt Shawn meine Finger auf die richtigen Saiten.

"Und schon hast du E-Moll gespielt", erklärt er, nachdem ich ein paar Mal den Akkord gespielt habe. "Jetzt kommt C-Dur. Zeige-, Mittel- und Ringfinger hier hin. Es wird etwas eng auf dem Griffbrett. Aber mit etwas Übung bekommt man das hin", legt er meine Finger an neue Stellen.

Laut Shawn spiele ich noch zwei andere Akkorde. G-Dur und A-Moll. Etwas Zeit verstreicht bis ich relativ flüssig selbstständig die Akkorde wechseln kann.

"Wie heißt das Lied? Die Melodie ist schön", mache ich eine Pause. "Life of the Party", lächelt Shawn sanft, "es war eins meiner ersten Lieder."

In mich hinein grinsend stelle ich mir vor, wie ein junger Shawn auf seinem Bett sitzt, Akkorde aneinander reiht und sich passende Liedzeilen dazu ausdenkt.

In diesem Augenblick nehme ich mir vor, seine ganzen Lieder anzuhören.

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt