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Mit meinem rechten Fuß schließe ich die Wohnungstür. Wegen dieser Angewohnheit bildet sich bereits ein Fußabdruck am Rand der Tür. Erschöpft trage ich die Einkaufstüten in die Küche. Im dritten Stock zu wohnen ist keine lustige Angelegenheit.

"Oh, hey", begrüße ich Ava, die zusammen gekauert am Küchentisch sitzt. Keine Antwort.

Gemächlich räume ich die Lebensmittel in den Kühlschrank und in die kleine Abstellkammer daneben. "Ich habe dir Nussschokolade mitgebracht", lege ich meiner Mitbewohnerin einige Tafeln auf den Tisch. "Gott Vic, das hättest du doch nicht machen müssen", leuchten ihre Augen auf. Sie rafft sich auf und schließt mich in eine kurze Umarmung. "Happy Birthday, du alter Sack."

"Danke", lache ich. Sofort sinkt meine Mitbewohnerin auf den Küchenstuhl zurück. Sie zieht ein Gesicht wie dreißig Tage Regenwetter. "Okay, was ist los mit dir?", frage ich schlussendlich.

Gequält zieht sie die graue Mütze von ihrem Kopf. "Meine Dummheit ist los", seufzt Ava. Ihre Haare fallen in Wellen auf ihre Schulter hinab. Eigentlich habe ich Dunkelblonde erwartet, doch der Großteil ist grau. "Ich dachte, ich könnte einige Strähnen selbst blondieren, aber das ist komplett schief gelaufen."

"Wer ist jetzt hier der alte Sack?", ziehe ich sie auf, während ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. "Haha. Sehr witzig." Beleidigt zieht sich Ava ihre Mütze wieder auf. "Sieh es doch mal positiv. Graue Haare sind zur Zeit total in. Dann färbst du den Rest auch noch und voilà dein Problem ist gelöst", gebe ich hundert Prozent überzeugt zum Besten.

"Eine Überlegung ist es wert", seufzt das Mädchen gegenüber von mir. Lauter als geplant schlage ich mit der flachen Hand auf den Tisch. "Genug Trübsal geblasen", werfe ich enthusiastisch in den Raum, "Ich habe noch genau vier Stunden Zeit, bevor ich wieder los zur Arbeit muss. Die will ich sinnvoll nutzen."

"So sinnvoll wie ein Mittagsschlaf oder so sinnvoll wie Netflix?", verdreht Ava ihre Augen. Aber davon lasse ich mich nicht irritieren. "Erfasst. Wir werden beide diese Stunden auf der Couch verbringen, Gummibärchen essen und einige Folgen Pretty Little Liars gucken", zähle ich auf.

"Gut, du hattest mich bei 'Pretty'", grinst Ava ergeben. Siegreich strecke ich meine Faust in die Luft und mache mich auf den Weg in unser kleines Wohnzimmer.

Ausgiebig strecke ich meine Glieder und warte darauf, dass die Wirbel im unteren Rücken knacken. Vier Stunden auf dem Sofa liegen ist anstrengender als man denkt. "Ich liebe Emily Fields", gähne ich. "Und ich liebe es, wenn du dich heute Nacht wieder vor A gruselst", lacht mich Ava eiskalt aus. Warum musste ich ihr auch letztens erzählen, dass ich dachte, A würde neben meinem Bett stehen?

"Na gut, wir sehen uns Morgen. Bin jetzt weg", verabschiede ich mich wie üblich von meiner Mitbewohnerin. "Fahr vorsichtig", bittet sie mich - wie jedes Mal, wenn ich zum Pizzaausliefern aufbreche.

"Lauf, Tyren, lauf", lache ich, als der Schwarzhaarige die Straße entlang gejoggt kommt. Nachdem er mir freundschaftlich auf meinen Hinterkopf gehauen hat, geht er in den Hausflur, da ich ihm netterweise die schwere Holztür aufgehalten habe.

Gelangweilt beobachte ich, wie der Sekundenzeiger den Minutenzeiger überholt, über die Zahl 59 kriecht und die Uhr veranlasst zwei laute Töne von sich zu geben. Halb Zwölf. Bald ist wieder Mitternacht und eine weitere Schicht vorüber.

In den letzten drei Stunden musste ich ganze fünf Bestellungen ausliefern. Keiner war dabei, der mehr als 40 Cent Trinkgeld gegeben hat. Lustlos rolle ich die Centstücke hin und her.

Das Klingeln des Telefons lässt mich meine Tätigkeit unterbrechen. "Pizza Shack, guten Abend. Was wünschen Sie?", hebe ich den Telefonhörer an mein Ohr. "Ehm..", räuspert sich eine männliche Stimme, "Liefern Sie noch so spät nach Hause?"

"Bis 24 Uhr innerhalb Pickering", antworte ich ein Gähnen unterdrückend. "Oh Gott, Sie retten mein Leben. Ich habe schon bei drei Pizzerien angerufen und keiner geht an das Telefon", erklärt er scheinbar wirklich erfreut, dass er heute Nacht noch etwas zu Essen bekommt.

"Kein Problem. Was kann ich Ihnen denn bringen?", erkundige ich mich, damit ich der Küche noch rechtzeitig Bescheid geben kann. "Eine große Pizza Peperoni mit Käsegefüllten Rand, eine Portion Schinken-Käse Pizzabrötchen und ein Ben & Jerry's Cookie Dough", zählt er in einem Atemzug auf. Dann nennt er noch seine Adresse.

"Alles klar. Ich bin in etwa 25 Minuten da", lächel ich aus keinem bestimmten Grund.

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Der Countdown läuft.

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt