[68]

9.8K 463 122
                                    

"Mein Kopf platzt gleich vor lauter Ethik und Moral", reibe ich mir über meine Schläfen. Grinsend wendet sich Paula mir zu. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass du nur zu den Vorlesungen kommst, um darüber zu meckern", lacht die Blondhaarige.

Mir an mein Herz fassend ziehe ich laut die Luft ein. "Das trifft mich, Paula", wackele ich mit meinem Kopf auf und ab, "ich nehme dieses Studium wirklich ernst." Beschwichtigend hebt meine Sitznachbarin ihre Hände in die Höhe. "Daran zweifle ich auch überhaupt nicht."

Schmunzelnd wende ich mich wieder meinen Aufzeichnungen zu. Möglichst viel von dem, was der Dozent vorne erzählt, schreibe ich auf die Blätter meines Collegeblocks. Als mein Blick auf die Uhr fällt, ziehen sich meine Mundwinkel sofort nach oben. Denn ich muss nur noch fünf Minuten rumbekommen und kann dann in die Mittagspause verschwinden.

Das laute Geräusch, das ertönt, wenn alle Studenten gleichzeitig mit ihrer linken Faust auf die Tischplatte klopfen, lässt mich aus meinen Gedanken auffahren. Die Geste hat man sicher einzig und allein dafür erfunden und nicht, um dem Dozenten für die wunderbare Vorlesung zu danken.

"Na los, beeil dich mal", fordere ich Paula auf, da sie scheinbar ewig braucht, um ihre Tasche zu packen. "Was ist denn heute mit dir los?", verdreht das Mädchen ihre Augen, während sie sich ihre Strickjacke überstreift. "Nichts, ich möchte nur endlich zu Mittag essen", grinse ich sie breit an.

Lachend verlassen wir den Hörsaal, vor dem Matteo bereits auf uns wartet. Beziehungsweise auf Paula. Denn in den ganzen Wochen, in denen wir gemeinsam die Vorlesungen und Mittagspausen miteinander verbracht haben, habe ich mit dem Jungen höchstens drei ernsthafte Gespräche geführt.

"Hier", drückt die Blondhaarige ihm ihre Tasche in die Hand. Stöhnend hängt sich Matteo diese um die Schulter. "Kann es sein, dass du extra noch ein paar Bücher mehr eingepackt hast?", blickt er Paula forschend an.

"Möglich", flötet sie fröhlich vor sich hin. "Du bist so ein Biest", schüttelt der Braunhaarige sie an ihren Schultern durch. Dabei taucht wieder einmal ein kleines sanftes Lächeln auf seinen Lippen auf. Eins das man nur selten bei Matteo sieht.

"Bin ich gar nicht", dementiert Paula, "immerhin habe ich meine einzige Umhängetasche und extra keine Handtasche mitgenommen. Außerdem hast du halt die Wette verloren." Einen Schmollmund ziehend stößt die Blondhaarige die breite Glastür, die uns den Weg in die Freiheit bereitet, auf.

"Die Wette?", frage ich einfach nach, da ich nicht nur stumm neben den Zweien herlaufen möchte. "Der Schlumpf hat darauf bestanden, dass Kurt Cobain am neunzehnten Februar geboren wurde. Er wurde aber einen Tag später geboren. Als Strafe muss Matteo jetzt eine Woche lang meine Bücher tragen", erklärt mir Paula zufrieden, "das wird ihm hoffentlich eine Lehre sein, dass man mit mir nicht diskutiert."

"Du bist unschlagbar darin, Fakten, die dich wirklich interessieren, zu behalten. Schon verstanden", legt Matteo einen Arm um ihre Schulter. "Danke, vielen Dank", lacht Paula, während sie ebenfalls einen Arm um ihn legt. In dieser Konstellation legen sie den Rest des Weges bis zu unserem Apfelbaum zurück.

Genüsslich schaufle ich eine Nudel nach der anderen in mich hinein. "Das ist sowas von abartig", mustert mich Matteo gelangweilt. Meine Augen zu Schlitzen geformt kaue ich zu Ende, bevor ich antworte. "Natürlich. Du redest immer nur dann mit mir, wenn du etwas an mir zu kritisieren hast", strecke ich ihm drohend meine Gabel entgegen.

"Das ist echt ätzend", zetere ich weiter, "denn ich habe dir überhaupt nichts getan und du behandelst mich durchgehend wie Luft." Einen Moment muss ich innehalten, um tatsächlich Luft zu holen. "Komm wieder runter, Vic. Ich habe überhaupt nicht dich und deine Maggie getränkten Nudeln gemeint, sondern dieses schmierige Pärchen hinter dir, das sich gleich gegenseitig auffrisst."

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt