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Immer noch verwirrt sitze ich am Küchentisch. "Es ist Shawn. Shawn Mendes." Aaliyahs Worte laufen in Dauerschleife auf der Innenseite meiner Stirn ab. Sie sagte es so, als wäre es etwas Besonderes.

Es kommt mir zwar so vor, als hätte ich diesen Namen schon einmal gehört, aber ich komme nicht darauf wo. Vielleicht im Radio oder vielleicht hat Ava ihn mal erwähnt. Aber wieso?

Ein außergewöhnlicher Name. Ein Name für einen außergewöhnlichen Jungen.

"Shawn, was hat deine Schwester vorhin angedeutet?", frage ich vorsichtig nach. Der Junge gegenüber von mir schreckt aus seinen eigenen Gedanken auf.

"Zerbrech dir darüber nicht den Kopf", bittet er mich. Nicht wirklich überzeugt wippe ich mit meinem Kopf auf und ab. Da ich nichts anderes zu tun habe, schiebe ich den übrig gebliebenen Teigrand der Pizza im Karton umher.

"Bist du satt?", erkundigt sich Shawn, während er seinen leeren Karton zuklappt und von sich schiebt. "Ja", lächel ich. Ansonsten habe ich keine Ahnung, was ich nun machen soll.

Ich höre das leise Ticken der Küchenuhr. Ein dunkelblauer Zeiger gleitet über hellblaue Zahlen. Mir fällt auf, dass im Raum recht viele blaue Farbakzente gesetzt sind.

"Deine Lieblingsfarbe ist blau?", rate ich. Ein Lächeln schleicht sich auf Shawns Lippen. "Schwer zu erraten oder?", grinst er. "Und du kannst eigentlich gut kochen, oder?" Mein Blick fällt auf seine breite Fensterbank. Sie ist mit einem weitgefächerten Kräutergarten zugestellt.

"Was? Wie kommst du darauf?", schreckt er hoch. "Rosmarin, Thymian, Basilikum, Pfefferminz. Sogar Bärlauch hast du", zähle ich auf, während ich auf seine Fensterbank deute. "Oh naja, mit irgendwas muss man sein Essen doch würzen", erklärt er mit roten Wangen.

Daraufhin lache ich. "Ja, aber andere Leute kaufen dafür gefriergetrocknete Kräuter und machen sich nicht die Mühe eigene Sachen an zu pflanzen."

"Warum kannst du auf einen Blick erkennen, was ich alles auf der Fensterbank stehen habe?", fragt Shawn interessiert. "Meine halbe Kindheit bestand aus Kräutern und der Natur. Meine Familie hat seit mehreren Generationen ein Pharmaziegeschäft", schlucke ich. Ein unwohles Gefühl überkommt mich bei diesem Thema. Zu spät bemerke ich, dass ich mein Gesicht verzogen habe.

"Aber du willst damit nichts zu tun haben?", rät der Junge und trifft genau ins Schwarze. Schnell schüttel ich meinen Kopf. Dann übergehe ich einfach seine Frage. "Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet. Du kannst gut kochen. Ja oder nein?", trommel ich mit meinen Zeigefingern auf die Tischplatte. "Ja", nickt der Braunhaarige, "das wird zumindest behauptet."

"Warum bestellst du dann direkt zweimal in der Woche Pizza?", ziehe ich meine Augenbrauen hoch. Nach einer Antwort suchend, kratzt sich Shawn am Hinterkopf. "Wo wir gerade von Bestellungen reden, wie viel Geld bekommst du heute von mir?", stellt er einfach eine neue Frage.

Wow, wie gut wir Beide an einander vorbei reden können.

"20,50 Dollar. Aber ich kann meine Pizza auch selbst bezahlen", halte ich ihm den Kassenbon hin. Shawn lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, um kurz darauf etwas Geld aus seiner Hosentasche zu ziehen. "Vorschlag: Hier sind 21 Dollar. Entweder du behältst es oder du gibst mir tatsächlich 50 Cent Wechselgeld", legt er zwei Scheine auf den Tisch.

"Ist es unverschämt, wenn ich sage, dass ich mit 50 Cent Trinkgeld leben kann?", knirsche ich unsicher mit meinen Zähnen. "Auf gar keinen Fall!" Breit lächelnd fordert er mich auf, das Geld einzustecken.

"Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen, Victoria. Was auch immer in mich gefahren ist, ich verstehe, warum du am Montag so sauer warst. Für mich war es schon immer das Wichtigste, sagen zu können, dass ich bestimmte Ziele ganz alleine erreicht habe. Und ehrlich gesagt, würde ich auch nicht gerade erfreut reagieren, wenn irgendein daher gelaufener Trottel meint, er müsse mir etwas Gutes tun, obwohl ich mit meinen eigenen Anstrengungen ganz gut voran komme. Verzeihst du mir?" Unsicher kratzt er sich mit seiner rechten Hand an der Brust. Dabei zieht er unabsichtlich den Kragen seines dunkelblauen Langarmshirts immer etwas weiter nach unten.

"Wie könnte ich einem daher gelaufenen Trottel länger böse sein, wenn er sich bei seiner Entschuldigung so ins Zeug legt", lächel ich. Shawn schmunzelt. Dann entblößt er wieder eine Reihe von weißen geraden Zähnen. "Freunde?", steckt er mir seine Hand entgegen.

Eine Augenbraue hochziehend blicke ich ihn an. Noch nie hat mich jemand so direkt gefragt, ob ich eine Freundschaft eingehen möchte. Entweder verstand ich mich mit jemanden oder nicht. Die Bezeichnung 'Freunde' entstand dann im Laufe der Zeit.

"Freunde unter Vorbehalt", umschließe ich mit einem verschmitzten Lächeln seine Hand. Auch wenn seine Finger eher meine ganze Hand umschließen. Seine Hand ist echt riesig.

"Was heißt das für mich?", erkundigt sich der Braunhaarige. "Dass du dich ordentlich bemühen musst. Ich bin noch sehr kritisch, ob du genügend Qualifikationen besitzt, um ein Freund von mir zu sein", ziehe ich ihn auf. "Ehrlich?", fragt Shawn geschockt. Lachend schüttele ich meinen Kopf. "Es ist zwar total verrückt, weil wir uns gar nicht wirklich kennen. Aber ich habe das Gefühl, dass das hier etwas werden könnte."

"Da bin ich sehr zuversichtlich", zwinkert der Junge. Sich streckend steht Shawn vom Stuhl auf. Dabei rutscht sein Oberteil nach oben und ein Stück seines Bauchs wird entblößt. Mein Blick fällt auf seinen Hüftknochen, der förmlich danach schreit, gesehen zu werden. Während ich überlege, wie viele Mädchen bei diesem Anblick tot umfallen würden, beiße ich mir auf meine Unterlippe.

Als mir bewusst wird, was ich gerade tue, schüttele ich meinen ganzen Körper. Damit bloß kein falscher Gedanken in mir bleibt. Doch ich hätte es lieber sein lassen sollen. Denn wegen den vielen Bewegungen, falle ich prompt vom Stuhl. Mit einem Ächzen pralle ich auf die Küchenfliesen auf. "Oh Gott Victoria, ist bei dir alles okay?", stürmt Shawn direkt einige Schritte in meine Richtung. Nickend rolle ich mich auf meinen Rücken. Mich selbst verfluchend lege ich meine Unterarme über mein Gesicht. Dann fange ich einfach an zu lachen.

Das habe ich schon immer gemacht. Ich lache, wenn mir etwas peinlich ist. Ich lache, wenn ich mich erschrecke. Ich lache, wenn ich mir wehtue.

"Wirklich?", fragt er noch einmal nach. "Ja, Shawn", flüstere ich.

"Was hältst du von einem Tee?" Shawn klopft etwas imaginären Staub von seiner Hose, als er sich neben mir wieder aufrichtet. "Okay", ist das einzige was ich murmele.

Das Wasser kocht bereits, während ich immer noch auf dem Boden liege. Meine Wangen brennen. Das ganze Gesicht ist sicherlich noch gerötet, so peinlich ist es mir, dass ich vor Shawn vom Stuhl gefallen bin. Und noch peinlicher ist mir, dass ich seinen Bauch angestarrt habe. Seufzend rolle ich mich auf meine Seite und setze mich dann auf meinen Hintern. Der Tee wird meine Nerven schon wieder beruhigen.

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Ja, ich habe zwar letztens gelesen, dass Shawn gesagt haben soll, dass er lediglich Nudeln kochen kann, aber wer will das schon so genau wissen. 🤓✌

PS: Das Bild hat nichts mit dem Kapitel zu tun, aber ich musste so lachen. ✌😂🤘

Meant To Be \\ Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt