Kapitel 98.2

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»Dein Eis schmilzt übrigens gerade an meinem Rücken.«, brummte Liam in mein Haar. »Ist nicht sehr angenehm.« Tatsächlich entschlüpfte mir ein Lachen und ich ließ ihn los und schob ihn von mir weg.

»Wie schade um das Eis.«, sagte ich grinsend.

»Hey!« Gespielt beleidigt schlug Liam mir leicht gegen die Schulter. »Das Eis ist doch wohl weniger wichtig, oder?«

»Willst du damit sagen, dass du eine höhere Priorität als das Wassereis hast?«, zog ich ihn auf und genoss es. Wenn ich jetzt die Augen schloss, könnte ich mir vorstellen, wieder Zuhause zu sein. Dass sich niemals etwas geändert hätte. Dass die Jäger niemals zu uns gefunden und die Regierungsagenten niemals das Feuer gelegt hätten. Für einen Augenblick ließ ich es zu.

Aber ich durfte nicht in der Vergangenheit verweilen. Schließlich wusste ich, was das aus Lucius gemacht hatte. Er war nie über mein Verschwinden hinweggekommen. Hatte sich verzweifelt und mit aller Kraft an das Vergangene geklammert und hatte auch versucht, mich in diese Form zu pressen. Und damit hatte er alles ruiniert.

Es bedurfte nur einer Berührung und das schmelzende Wassereis wurde wieder fest. »Wenn du willst, wir haben eine ganze Packung davon im Gefrierfach.«, informierte Liam mich. »Aber wir können sie natürlich auch mitnehmen. Immerhin kannst du sie besser gefrieren, als ein Gefrierfach es je könnte.«

»Es sei denn, du sitzt in der Nähe.«, meinte ich.

»Nein, das glaube ich nicht. Dein Eis hat schon immer mein Feuer geschlagen.«, entgegnete er. »Auch, wenn ich der Meinung bin, dass es andersherum sein sollte.« Er grinste.

»Das hättest du wohl gerne.«, schnaubte ich.

»Aber sicher.«

Plötzlich bemerkte ich, dass wir – abgesehen von der schlafenden Audra – nicht mehr allein waren. Kieran stand im Türrahmen und wartete geduldig, bis Liam und ich ihm unsere Aufmerksamkeit schenkten.

»Ja?«, brummte Liam augenverdrehend.

»Proviant und das Nötigste habe ich zusammengepackt. Wenn ihr aber noch etwas anderes mitnehmen wollt, wie Kleidung, Bücher oder dergleichen, müsst ihr das selbst zusammensuchen.«, informierte er uns. Vermutlich wäre es ganz gut, dieses Mal Kleidung mitzunehmen.

»Du willst, dass wir die arme Besitzerin des Cottages bestehlen?«, grinste Liam. »Wir können ihr doch nicht ihre geliebten Bücher nehmen. Oder ihre wunderschönen Schlafanzüge, obwohl die bestimmt gemütlich sind. Jo könnte dir das bestätigen.« Aber Jo war nicht da. Und wieder einmal fragte ich mich, was die anderen erlebt hatten, seit wir voneinander getrennt worden waren. Leider hatte ich bei unserer Ankunft kaum zugehört. Bestimmt hatten sie darüber schon gesprochen.

Und irgendwie fühlte ich mich ausgeschlossen. Die Jäger und Liam waren zu einer Einheit zusammengewachsen. Zumindest das hatte ich in unserer kurzen gemeinsamen Zeit feststellen können. Und es war meine Schuld, dass sie wieder auseinander gerissen worden waren. Das war nicht fair.

»Wenn ihr also nichts haben wollt, bringe ich die Sachen ins Auto. Je schneller wir morgen weg kommen, desto besser.«, meinte Kieran desinteressiert und wandte sich auch schon ab, ohne weiter auf Liam einzugehen. Dieser schnaubte nur einmal kurz.

»Er versteht überhaupt keinen Spaß.«, beschwerte Liam sich. »Das ist ja kaum auszuhalten.«

»Ich finde, dass er lockerer wirkt.«, meinte ich schulterzuckend. »Du etwa nicht?«

»Lockerer? Dem ist die Bedeutung des Wortes 'Freude' noch immer so unbekannt wie der Bau der Pyramiden von Gizeh.«, spottete Liam. Doch ich schüttelte bestimmt meinen Kopf.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now